Wir wollen den Spuren des Grafen nachgehen. Wir fahren nach Sant Joan de les Abadesses. In diesem historischen Ort hängen überall Fahnen. Aufschrift: XIV. Zyklus von Vorstellungen zum Mythos des Grafen Arnau. Wir holen uns das Programm: eine bunte Mischung von Tanzdarbietungen, Liedkonzerten, speziellen Mahlzeiten und geführten Wanderungen oder Besichtigungen. Alles zum Thema.
Wir schlendern am uralten Kloster vorbei, betrachten die Monsterfiguren an den Absiden, tauchen in die engen schattigen Gassen ein. Wir fragen nach der „Säule des Comte Arnau“. Jeder Einwohner weiß Bescheid. Vor den Ruinen einer alten Kirche auf einem großen Platz (Plaça d´Anselm Clavé) steht sie. Eine hohe Säule ragt aus einem Brunnen in den blauen Sommerhimmel. Auf der Spitze ein Reiter in mittelalterlicher Gewandung. Das Pferd bäumt sich empor, die Gestalt reckt den rechten Arm hoch: Gruß, Drohung? Aus seinem Helm wachsen Spitzen wie Fledermausohren. Das soll er also sein, der dämonische Graf auf seinem Feuerross. Andere sagen freilich: der Schöpfer des 1927 eingeweihten Monuments habe Guifré el Pilós (Wilfred, den Behaarten) darstellen wollen, jenen Grafen, der das Haus Barcelona gründete und den Grundstein für das Principat Katalonien legte. Dieser hatte ja auch 880 den Grundstein zum Kloster Sant Joan gelegt und seine Tochter Emma als erste Äbtissin eingesetzt. Seine Grafenkrone ist übrigens in der Klosterkirche zu sehen (siehe unseren Artikel unter „Szenen aus der Geschichte Kataloniens“).
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Den Grafen Guifré kennen auch wir Deutschen, wenn wir uns etwas näher mit Katalonien befasst haben, wenigstens in Verbindung mit der Legende, wie es zur Bildung der katalanischen Nationalfarben und Flagge gekommen sein soll. Der Graf Arnau ist uns aber unbekannt. Doch in Katalonien kennt ihn jedes Schulkind, und so ziemlich jeder katalanische Dichter ab Mitte des 19. Jahrhunderts hat ihm ein Werk gewidmet und an der mythischen Figur weiter gewoben, so die katalanischen „Nationaldichter“ Jacint Verdaguer (1845-1902) und Joan Maragall (1860-1911). Vor allem Maragall hat sein Bild in mehreren großen Gedichten geprägt, in denen er ihn - durchaus in Anlehnung an die deutsche Literatur – zu einer Art „Übermenschen“ und Rebell gegen die gesellschaftlichen Konventionen macht, der dann doch am Ende zur Läuterung und Erlösung findet. Wenn man so will - ein katalanischer „Faust“.
Die Figur des Grafen Arnau lebt aber weiter. Es gibt eine Oper (1905), ein Musical, ein Ballet; jeder katalanische Liedermacher hat ein Lied über den Comte Arnau in seinem Repertoire, so z.B. Maria del Mar Bonet (CD „Cavall de Foc“).
Auch wenn die Figur des Grafen und die entsprechenden literarischen Gestaltungen kaum über das katalanische Sprachgebiet hinaus gedrungen sind, lohnt es sich doch für jeden an Katalonien Interessierten, diese Gestalt zu kennen, eben weil er zum Grundbestand der katalanischen Mythen gehört.
Das Lied vom Grafen Arnau – das älteste Zeugnis
Blicke in die Vergangenheit
I.
Gombren, 29. Juni 1640.
Die Bauern im Dorfe Gombrèn in den Pyrenäen – nicht weit weg von Ripoll, in einem Tal gelegen, umgeben von dicht bewaldeten Bergen, tiefen Schluchten und schroffen Felsen – feierten ihr jährliches Fest zu Ehren Sant Peres. Der Apostel Petrus war Patron ihrer Kirche. Sie hatten ihre Ernte eingebracht. Schlecht war sie ausgefallen, denn das Wetter war kalt und regnerisch im Frühjahr gewesen. Und dann hatten sie noch einen großen Teil der Ernte dem Abt von Sant Joan de les Abadesses abgeben müssen, der ihr Feudalherr war.
Früher war das der Baron von Mataplana gewesen, dessen Burg oberhalb des Dorfes in den Bergen thronte. Die letzten Herren von Mataplana hatten es an die Mönche verkauft.
Unter einem ihrer Nachfahren, Huguet IV. von Mataplana, war das Schloss ein Treffpunkt der Troubadoure Kataloniens und Okzitaniens gewesen. Sogar den Grafentitel hatten die Mataplanas durch Heirat erworben.
Nicht immer waren die Herren freundlich mit ihren Untertanen umgegangen. Von einigen erzählte man sich schlimme Dinge. Sie hatten ihre Untertanen unterdrückt und ausgebeutet: um den gerechten Lohn für schwere Arbeiten hätten sie sie gebracht, junge Leute wurden zu Kriegsdiensten gezwungen und schlecht bezahlt, das „Recht der ersten Nacht“ sei erbarmungslos ausgeübt worden. Manche Ritter seien nicht einmal davor zurückgeschreckt, Nonnen zu rauben und zu missbrauchen. Auf Kosten der Bevölkerung hätten manche Orgien auf ihren Schlössern gefeiert.
Die Herrschaft der Mönche war milder geworden, aber auch sie bestanden auf den alten Rechten. Oft waren die Bauern zu Frondiensten herangezogen worden. So mussten sie das verfallene Schloss und seine Zuwege ausbessern. Auch die uralte Kirche auf dem hoch gelegenen Felsenplateau von Montgrony über dem Dorf, die ebenfalls Sant Pere geweiht war, musste erhalten werden, ebenso das in den Felsen darunter liegende Höhlenheiligtum der Mutter Gottes.
Zu diesen Heiligtümern führte ein steiler, in den lebenden Fels gehauener Zugang mit Treppen. Wie man erzählte, hatten die Herren von Mataplana ihn von den Bauern errichten lassen – eine Schinderei, wofür sie die Bauern dann noch um den ausgemachten Lohn betrogen.
Erst im Frühjahr war der Zugang durch einen Felssturz zugeschüttet worden und die jungen Burschen des Dorfes hatten ihn wegräumen müssen.
Und wieder hatte sich das das alte Lied abgespielt. Der Abt hatte sie kärglich entlohnt. Und auch die Burschen, die als Soldaten im Dienste des Abtes standen, beklagten sich: ständig würde die ohnehin geringe Soldzahlung verzögert werden.
Ähnliche Vorkommnisse hörte man von den hartherzigen Verwaltern der Adelsschlösser in der Umgegend, deren Herren in der fernen Hauptstadt residierten.
Es waren unsichere Zeiten. Der König in Madrid und sein Minister betrieben den Krieg mit Frankreich . Immer wieder zogen die Soldaten des Königs durch die Dörfer. Es waren Landfremde, Kastilier, die die Sitten und Rechte der Katalanen wenig achteten. Sie mussten in den Häusern aufgenommen und verpflegt werden. Sie benahmen sich hemmungslos, belästigten die Frauen und plünderten sogar Kirchen.
Aber jetzt schien eine neue Zeit zu beginnen. Die Bauern hatten sich gegen die Feudal – und Fremdherrschaft erhoben. Erst vor kurzem hatten bewaffnete Landbewohner Barcelona gestürmt und den Vizekönig ermordet. Die königstreuen Adligen hatten sich verschreckt in ihre Stadtpaläste und Landfestungen vor den „Segadors“, den Schnittern, zurückgezogen.
Die Messe in Sant Pere von Gombren endete. Die Bauern strömten aus der Kirche auf den Vorplatz. Sie nahmen an langen Tischen Platz. Man aß und trank. Plötzlich stimmte einer das Lied an, dass alle Bauern kannten, das „Lied der Schnitter“: „Catalunya, comtat gran…“ Und alle fielen in den Refrain ein:“ Segueu arran! Segueu arran, que la palla va cara! Segueu arran! Schneidet dicht über der Erde…denn das Stroh ist zur Zeit sehr teuer. Schneidet dicht über der Erde.“ Drohend erhoben sich Fäuste gegen die Burg hin, dem verhassten Symbol der Adelsherrschaft.
Ein junger Mann aus der Gruppe der Burschen sprang auf. Mit tänzelnden Schritten bewegte er sich auf die Gruppe der jungen Frauen zu und forderte eine von ihnen auf, ihm zu folgen. Während der Tänzer auf das Mädchen zutanzte, stimmte er eine bewegte, eher düstere Melodie an:
La comtessa està asseguda viudeta igual!
Die Gräfin sitzt gleichsam als Witwe.
La comtessa està asseguda al seu palau.
Die Gräfin sitzt in ihrem Schloss.
Se li presenta a la cambra, valga´m Déu, val!
Ihr erscheint in der Kammer, behüte mich Gott, behüte!
Se li presenta a la cambra el comte Arnau.
Ihr erscheint in der Kammer der Graf Arnau.
Tot cobert de roges flames, ai quin espant!
Ganz umgeben von roten Flammen, oh, wie schrecklich!
Tot cobert de roges flames, valga´m Déu, val!
Ganz umgeben von roten Flammen, behüte mich Gott, behüte!
Auch diese Canço kannten viele der Zuschauer. Es war vor kurzem aus Ripoll zu ihnen gewandert und die jungen Menschen hatten Lied und Tanz begeistert aufgenommen. Arnau oder Artau, das war ein bekannter Name von Adligen und auch unter den Herren von Mataplana gab es diesen Namen. Der Comte Arnau war für sie eine Verkörperung des despotischen Feudalherren, den sie aus ihrer Welt und den Erzählungen der Alten kannten. Solche Despoten wünschten sie zur Hölle und sie sollten sich vor Gottes Strafe und ihrer Rache hüten.
Nach der Einleitung und Situationsangabe beginnt das eigentliche Lied. Es ist ein Zwiegespräch zwischen Graf und seiner Witwe. Der Vortänzer übernimmt die Rolle des Grafen, schreitet auf das Mädchen zu, das die Rolle der Gräfin übernimmt und ihrerseits vorschreitet, während der Tänzer zurückgeht.
Tota sola feu la vettla, muller lleial?
Ganz allein hältst du die Nachtwache, treue Frau?
Tota sola feu la vettla, viudeta igual?
Ganz allein hältst du die Nachtwache, du Witwengleiche?
No la faig jo tota sola, comte l´Arnau.
Ich halte sie nicht ganz alleine, Graf.
No la faig jo tota sola, valga´Déu, val! Arnau.
Ich halte sie nicht ganz allein, behüte mich Gott, behüte!
Qui teniu per companyia, muller leial?
Wen hast du als Begleitung, treue Frau?
Qui teniu per companyia, viudeta igual?
Wen hast als Begleitung, du Witwengleiche?
Déu i la Verge Maria, comte l´Arnau.
Gott und die Jungfrau Maria, Graf Arnau.
Déu i la Verge Maria, valga´m Déu, val!
Gott und die Jungfra Maria, behüte mich Gott, behüte!
Der Vortänzer holt immer mehr Mädchen, die eine Reihe bilden und tanzt mit ihnen alleine vor und zurück. Dabei besprengt er sie aus einem Gefäß mit einer wohlriechenden Flüssigkeit, alles ein Gleichnis der Alleinherrschaft des Grafen. Die Geschichte geht weiter, immer im gleichen Rhythmus, Versmaß, mit Wiederholung der zweiten Zeile und den stereotypen Vers-Endungen:
Der Graf fragt nach den Töchtern, den Dienerinnen, den Knechten. Alle sind in ihren Räumen, arbeiten oder ruhen.
Die Kinder will er sehen, aber die Gräfin verwehrt ihm das, weil sie sich erschrecken könnten.
Arnau fordert die Witwe auf, die Soldaten gut zu bezahlen und sie antwortet, sie bekämen ihren Lohn so pünktlich, wie sie es verdienten.
Die Gräfin fragt, wie er hereingekommen sei – durch das vergitterte Fenster; sie fühlt sich angesengt, aber er hat sie nicht einmal berührt.
Der Feuerstrahl, der aus seinem Mund, aus den Augen und den Ohren kommt, sich aus seinen Händen und Füßen erhebt und ihn brennt, sind die üblen Worte, die bösen Blicke, die schlechten Taten und Schritte, die er vollzogen hat.
Was ist es, das sich da am Eingang befindet? Es ist das Pferd, das ihn erwartet, es frisst kein Getreide, sondern verdammte Seelen.
Nun treten andere Burschen in die Reihe, der Tänzerin gegenüber, die sie sich ausgesucht haben und lösen den Grafen in seiner Alleinherrschaft ab. Auch sie besprengt der Vortänzer, aber nun ist es ein Zeichen des Segens und der Befreiung.
Arnau fragt, wie spät es ist, da der Hahn schon kräht. Es hat zwölf geschlagen.
Der Graf bittet, dass man keine frommen Opfergaben für sein Seelenheil bringe solle, denn sie würden seine Strafqual verstärken.
Die Gräfin fragt, wofür er jetzt verdammt sei. Er antwortet: für die schlecht bezahlten Soldaten, für die schlecht abgemessenen Lohnzahlungen in Form von Getreide, für die entehrten Frauen…
Zum Schluss bittet der Graf die „muller lleial“, ihm zum Abschied die Hände zu reichen.
„Allzu sehr hast du mir sie verbrannt, Graf Arnau; allzu sehr hast du sie mir verbrannt, behüte mich Gott, behüte!“
Zum Schluss löst sich der Reihentanz in einen Reigentanz auf, zu dessen Abschluss jeder Bursche sein Mädchen in die Höhe hebt, als Zeichen der Befreiung und Freude.
(Der hier beschriebene Tanz wird in Grundzügen bei der Festa Major in Gombrèn ( 1. Sonntag im September) getanzt.
II.
Barcelona, 1853.
Don Manuel Mila i Fontanals saß in seinem Amtszimmer, das in einem der dunklen mittelalterlichen Stadtpaläste in der Carrer del Carme nahe der Rambla untergebracht war. 1837 hatte man in den Gebäuden dieser Gegend die alte Universität von Barcelona wieder eröffnet, die von der bourbonischen Dynastie nach Cervera verlegt worden war. Don Manuel hatte noch sein Studium in Cervera beginnen müssen und hatte den Umzug nach Barcelona miterlebt. Es war ein großer Triumpf für die katalanisch und liberal gesinnten Studenten und Professoren gewesen. Das passte zum Aufschwung, den Barcelona genommen hatte, wirtschaftlich, politisch, kulturell. Der Stolz der Katalanen auf ihre große Vergangenheit, ihre Sprache, ihre Tüchtigkeit regte sich wieder.
1845 war er mit 27 Jahren hier selbst Professor geworden, für Ästhetik und Geschichte der Literatur. Jetzt, 1853, war er auf seinem Gebiet bereits ein bekannter Gelehrter. Sein Verdienst war es, die neuen historisch arbeitenden Methoden in die spanische Philologie eingeführt zu haben. Sein besonderes Interesse galt der Volksdichtung, auch der katalanischen. Seiner Auffassung nach drückte die Volksdichtung Seele und Charakter eines Volkes aus und die große nationale Dichtung erwuchs aus ihr. Das war „romantisch“ gedacht. Don Manuel und seine Freunde hatten begeistert die Ideen der europäischen romantischen Bewegung aufgenommen, vor allem die deutsche und englische Dichtung, mit ihrer Neigung zum Volkstümlichen, Altertümlichen, Phantastischen, Abseitigen und ihrer Vorliebe für rebellische Figuren und Außenseiter.
Jetzt hielt Don Manuel seine neueste Schrift in der Hand, die eben aus der Druckerpresse ausgeliefert worden war: Observaciones sobre la poesia popular (Beobachtungen zu Volkspoesie). Darin hatte er auch Beispiele der katalanischen Volksdichtung gesammelt. Er blätterte in den Seiten und schlug sein Lieblingsstück auf: die Canço vom Comte Arnau. Wieder fesselten ihn die Zeilen, die er mit einigen Anmerkungen und Erklärungen versehen hatte. Diese Ballade hatte für ihn viel mit dem katalanischen Volkscharakter zu tun, mit dem Sinn für Rechtschaffenheit, für gerechte Vergeltung, aber auch der geheimen Anziehungskraft für das Phantastische und Anarchische.
Seine Gedanken schweiften zurück, wie er zu dem Lied gekommen war. Eine Familie, die aus den Pyrenäen nach Barcelona gekommen war, hatte es dem Dichter und Philologen Maria Aguilo mitgeteilt. Dieser hatte es dem Dichter und Journalisten Pau Piferrer übermittelt, der ein begeisterter Sammler katalanischer Folklore war. Pau, Kollege und Gesinnungsgenosse, hatte es dann ihm zur Verfügung gestellt.
Manuel Mila i Fontanals schlug seine neueste Veröffentlichung wieder zu. Morgen würde er sie seinen Studenten vorstellen und das Lied vom Comte Arnau vortragen und besprechen. Unter seinen Zuhörern gab es viele, die diese Literatur und seine Ideen begierig aufsogen. Von einigen der jungen Menschen wusste er, dass selbst dichteten, in Catalá.
Der Graf Arnau unter den Poeten
So hielt die Figur des Grafen Arnau Einzug unter die katalanischen Dichter. Der erste, der den Stoff aufnahm, war der romantische Dichter Viktor Balaguer (1824 – 1901). In seinen katalanischen Geschichtensammlungen und einem Gedicht fügt er den Traditionen, die Milà veröffentlicht hatte, weiteres hinzu. Unter Aufnahme deutscher Balladen und Sagen wird Arnau zum Anführer der „wilden Jagd“, der sich begleitet von einer Meute blutrünstiger Hunde um Mitternacht aus seinem Grab erhebt und zu seiner Gattin auf das Schloss begibt, wo er das Zwiegespräch mit ihr führt. Von dort eilt er durch einen Höhlengang zum Kloster Sant Joan de les Abadesses und besucht die Äbtissin Adelaisa. Diese, von großer Schönheit und freien Sitten, begleitet ihn auf seiner infernalischen Jagd durch die Gebirgsgegenden. Der wilde Jäger, die an Graf Dracula erinnernden Züge, und die Gestalt der Äbtissin Adelaisa haften fortan am Arnau-Stoff.
Schon in der Fassung, die Mila veröffentlichte, enthielt die Cançó eine Strophe, die Arnau in Verbindung mit den Nonnen von Sant Joan bringt und von einem unterirdischen Gang spricht. Mila hielt das für eine moderne Zufügung. Balaguer baut das aus. Balaguer greift dabei auf ein Ereignis in der Klostergeschichte zurück. 1017 wurden die Nonnen unter ihrer Äbtissin Ingilberga durch päpstlichen Erlass aus dem Kloster vertrieben und durch Kanoniker (nach einer Regel lebende Geistliche) ersetzt. Man weiß nicht genau, was der Anlass war; die päpstliche Bulle spricht davon, sie hätten sich „wie schändliche Dienerinnen der Venus“ betragen. Da hat natürlich die Phantasie der Leute beschäftigt und da man in der Gegend dem Grafen Arnau sowie alles Üble nachsagte, hat man ihn hier eingesetzt. Sonderbar ist aber, dass Balaguer nicht Ingilberga mit Arnau in Verbindung bringt, sondern die frühere dritte Äbtissin Adelaisa, ohne dass es einen historischen Anhaltspunkt für ein Fehlverhalten dieser Dame gibt.
Wir können hier nicht ausführen, welche Umformungen und Zufügungen der Stoff durch Dichter und Schriftsteller erhielt. Jedenfalls war Graf Arnau ein häufiger Gast bei den Jocs Florals, den Dichterwettbewerben von Barcelona, deren (neuzeitliche) Mitbegründer 1857 Balaguer und Mila waren. So füllt sich der Stoff immer mehr mit konkreten Angaben über Orte, Personen und Geschehnissen.
Joan Maragall und der Comte Arnau
Joan Maragall i Gorina (1860-1911) ist ohne Zweifel einer der bedeutensten „modernen“ katalanischen Lyriker. Er hat schöne, eindrückliche und tiefsinnige Gedichte geschrieben. Man muss sie freilich in der Originalsprache lesen, und damit sind sie für uns Deutsche schwer zugänglich. Bemerkenswert ist, dass Maragall eine starke Beziehung zur deutschen Literatur hatte, zu Goethe, Novalis, Nietzsche, die er auch übersetzte
Maragall hat sich intensiv mit der Gestalt des Grafen Arnau befasst. Er hat drei Anläufe gemacht (1900: El comte Arnau; 1906: L´anima, La cançó del comte Arnau i Escolium; 1811: La fi del comte Arnau) und zusammen ist das – bis auf eine Ausnahme - sein längstes Werk geworden. Er nennt die Trilogie das „Gedicht seines Lebens“.
Für Maragall ist Arnau eine „Identifikationsfigur“ gewesen, er hat sein Leben, seine Entwicklung, sein ethisches und philosophisch-religöses Suchen mit den Antworten, die er fand, in ihn hineingelegt. Darüber hinaus haben katalanische Ausleger in seinem Arnau geradezu eine Symbolfigur für Katalonien gesehen, in der Züge des katalanischen Charakters sichtbar werden. Aber das Werk Maragalls ist vielschichtig und geht über eine nationale oder zeitgebundene Bedeutung weit hinaus.
Im ersten Gedicht steigt der Arnau in aller Lebensfülle, schön und selbstsicher, vor dem Konvent Sant Joan frühmorgens vom Pferd, um die Äbtissin Adelaisa zu besuchen. Begeistert von ihrer Schönheit, versucht er sie in einem Zwiegespräch zu verführen. Sie weist ihn aber zurück. Dem strahlenden blauen Morgenhimmel hält sie die Dunkelheit der Kapelle entgegen und Arnaus Schönheit ein hölzernes Christusbild. Gegen ihre Herabsetzung des irdischen Lebens zugunsten des jenseitigen appelliert er an ihre Weiblichkeit und Vitalität:
Pero tu, performada criatura,
Aber du, vollendetes Geschöpf,
Delicia de la Terra, torna al mon!
Entzücken der Erde, kehre zur Welt zurück!
Romp el cordo que injuria ta cintura!
Zerreisse den Strick, der deine Hüfte beleidigt!
Arrenca´t, Adelaisa, els vels del front!
Reiß ab, Adelaisa, die Schleier von deiner Stirn.
Arnau resigniert und verlässt das Kloster. Draußen rufen ihn die „Stimmen der Erde“. (Sie vertreten die Hunde in anderen Erzählungen und sind hier Symbol für die erdhaften Kräfte (wobei in dem Wort „terra“, Erde, auch die Bindung an die „heimatliche Scholle“ und ihre Tradition mitschwingt). Sie machen ihm Vorwürfe: Wegen eines toten Bildes, eines Kadavers, hast du aufgegeben…
Arnau kehrt in der Nacht zurück und findet die zu Füßen des Christusbildes schlafende Adelaisa und ist wieder von ihrer Schönheit hingerissen. Er entführt die Halbwache und nimmt sie auf seinem wilden Ritt mit. Die Stimmen der Erde rufen ihn an und fragen ihn, was er will. Er möchte leben, leben, immer leben wie die Eiche, der Fels, die Erde, das Meer, die von der Sonne entflammte Luft, die Sterne, er möchte „Home sobre-home“, Übermensch, sein. Die Stimmen der Erde sagen ihm das zu, aber er muss dafür mit dem immerwährenden Ritt auf dem Flammenross bezahlen, als „wäre er verdammt“. Gegenüber der Natur ist es „la voluntat“, der Wille, der ihn vorantreibt.
Adelaisa überlässt sich Arnaus Leidenschaft, aber während ihre Schönheit ihn zur Erde zieht, geht ihr Streben weiter zum Himmel. In einem Moment des Verweilens und der Überein- stimmung empfängt sie ein Kind. Arnau, abgestoßen von den Veränderungen der Schwangerschaft, verlässt sie:
„Arnau, wenn ich die deine war, warst du nie der meine.“
Am Morgen finden die Nonnen sie tot neben ihrem offenen Grab.
Arnau ist in diesem Gedicht ein Rebell gegen gesellschaftliche und religiöse Konventionen. Er vertritt das Ideal der absoluten Lebensbejahung und des „Übermenschen“, das der Philosoph Friedrich Nietzsche (1844-1900) proklamiert hatte. Adelaisa repräsentiert den weltabgewandten spanischen Mystizismus, den Maragall vor Augen hatte. Sie verkörpert außerdem das weibliche Verlangen nach Bindung und Heim, während Arnau das männlich-jugendliche Streben nach Sinnengenuss und Unabhängigkeit auslebt.
Man hat oft darauf hingewiesen, dass dieser Arnau viel mit der Lebenssituation und den Ideen des jungen und vierzigjährigen Maragall zu tun hat, der ständig im Konflikt mit gesellschaftlichen, familiären Anforderungen und seinen künstlerischen Neigungen lag.
Das zweite Gedicht ist aus einer anderen Lebenssituation heraus geschrieben. Arnau schweift nach seinem Tode ruhelos umher, unfähig sein Schicksal zu verstehen. Die Stimmen der Erde verspotten ihn. Er ist auf der Suche nach seiner verlorenen Seele. Er findet sie schließlich, „unter Tränen“, erschreckt über ihre Hässlichkeit, in der düsteren Volksballade, die Maragall hier zitiert.
Ihn verlangt nach Erlösung. Er hat eine Vision seiner Frau Elvira, „im blauen Himmel schwebend“, die spinnt und singt. Er erfleht ihre Vergebung und das Schweigen des Volkes, das mit Hass das alte Lied singt. Sie teilt ihm mit: nur eine Liebe, die der Selbstentsagung und dem Opfer entspringt und das Lied neu singt, kann ihn erlösen. Unter dem Lied der Gattin schlummert Arnau ein.
Aber der Geist Adelaisas fordert die Liebe und Leidenschaft ein, die er ihr geschworen hat und zieht ihn zur Erde zurück. Die Kavalkade der Geister der Töchter, der Knechte, der Stimmen des Instinkts und Egoismus hängt sich an ihn und will ebenfalls erlöst werden. Im Schlussteil vertröstet el Poeta, der Dichter, Adelaisa auf die weitere Entwicklung der Dichtung.
Im dritten Teil bewegt sich zwar Arnau auf dem schmerzlichen Weg „zum großen Frieden“, bittet aber Gott, dass er sein Purgatorium verlängere, bis er seine Schuld vor Menschen und Gott abgebüßt habe. Er versteht sein Umgetriebensein als Reifungsprozess in der Liebe. In seiner Selbstbezogenheit hat er gegen das „Gesetz der Liebe“ verstoßen, das „die Essenz des Lebens und Gott ist“ (Maragall in einem Brief). Doch noch bewegt er sich „com un despert entre adormits“, „wie ein Wachgewordenen unter Schlafenden“, unversöhnt zwischen Tod und Leben, die anderen in ihrem konventionellen Leben als Fremder beobachtend, zerrissen vom Gewicht der Vergangenheit und den inneren Stimmen.
Aber eines Tages, voller Licht und Sonne, auf einer grünen Wiese, hört Arnau „una veu viva“, eine lebendige Stimme, eine Stimme aus der Welt der Lebenden. Sie gehört einem Kind des Volkes, einer Pastora (Hirtin), die versteht und die Cançó in selbstloser Liebe singt und so „das alte Lied“ und die düstere Weise verändert. Damit erlöst sie ihn und seine Geister:
Lo que la mort tanca i captiva,
Das was den Tod zum Schweigen bringt,
Sols per la vida es deslliurat:
wird durch das Leben nur entbunden:
Basta una noia amb la veu viva
es reicht die lebensvolle Stimme einer jungen Frau,
per redimir la humanitat.
um Menschsein zu erlösen.
Die Wandlungen Arnaus spiegeln die Wandlungen Maragalls. In den letzten Jahren vor seinem frühen Tod hat er offenbar einen gewissen Ausgleich zwischen Unglauben und Glauben, zwischen bürgerlichen Konventionen und anarchischen Strebungen, zwischen Zerissenheit und Harmonie, zwischen Erdverbundenheit und Himmelsstreben gefunden. So war er zu einem „einfachen“ Christentum zurückgekehrt und wollte im „Habit des heiligen Franziskus“ begraben werden. Es blieb ihm aber immer etwas vom Individualismus, vom Nonkonformismus, dem Zweifel und der Erdverhaftung Arnaus. Den Weg der Erlösung fand er im Blick auf die einfache Schönheit des Lebens und der Welt, dem Wort der Dichtung und der Hoffnung auf „eine größere Geburt“ jenseits des Todes (Cant espiritual 1911).
Es ist wohl nur die Schwerzugänglichkeit der katalanischen Sprache, die diesen Arnau gehindert hat, in seiner dichterischen Schönheit und existentiellen Symbolhaftigkeit in den Himmel der bekannten europäischen Literatur aufzusteigen.
Ausflüge auf den Spuren des Comte Arnau
Wir verlassen diese literarischen Höhen und bewegen uns wieder in den Bereichen der volkstümlichen Legenden. Die Literatur hat die volkstümliche Erzählkunst befruchtet und dafür gesorgt, dass an den Arnau-Sagen weiter gesponnen wurde. So hat man alle möglichen volkstümlichen Geschichten auf ihn übertragen. Er taucht als Maurenkämpfer auf, als Erbauer von Kirchen, Schlössern, Felstreppen und Wasserkanälen - „ob es Gott gefällt oder nicht“ - wobei er die Leute um ihren Lohn betrügt; als einer, der Umgang mit dämonischen Wesen, mit Hexen und Naturgeistern hat, die ihm Zauberkräfte verleihen; als Frauenverführer, der Nonnen und Edeldamen raubt und auf seinem Schloss bis zu ihrer Niederkunft verborgen hält. Sogar die Schändung einer toten Nonne sagt man ihm nach.
Mit List gewinnt er sein Schloss und seine Ländereien nach einer Enteignung des Grafen von Barcelona wieder zurück. Er ist Feind Gottes und Freund des Teufels. Am Schluss holt ihn der Teufel und er wird zur verdammten Seele, die nächstens aus der Hölle steigt. Auf seinem nächtlichen Ritt wird er von blutrünstigen Hunden und Wölfen und anderen Verdammten begleitet und erschreckt die Menschen. Man muss sich bekreuzigen, wenn man ihm begegnet.
Wir folgen seinen Spuren weiter. In Sant Joan de les Abadesses besichtigen wir das Kloster mit seinen Kunstschätzen und dem idyllischen Kreuzgang. Hier also stieg er aus einer unterirdischen Mine hervor und besuchte die Äbtissin. Und ist diese vor dem dämonischen Verführer in die mystische Dunkelheit der Kirche geflüchtet ? Zu der hölzernen Skulpturengruppe des „Allerheiligsten Mysteriums“, einer viel verehrte Darstellung der Kreuzabnahme Jesu? Und dort steht auch die alabasterne „weiße Jungfrau Maria“, die uns an das „valga´m Deu, val!“, an die bei Gott und Maria Zuflucht suchende Witwe des Grafen erinnert.
Oder soll man sich – wie wohl Maragall - das Geschehen im Abtshaus, das ebenfalls einen reizvollen Kreuzgang besitzt, vorstellen? Egal, wir bewegen uns im Bereich der Sage und nicht der Historie. Phantasie und Vorstellungkraft sind angesagt.
Wir entschließen uns, im Abtshaus Verse von Maragall vorzutragen, deren Einfachheit und Wohlklang hier gut hineinpasst. Im anschließenden Laden finden wir Literatur, CDs und Souvenirs vom Grafen. Der wird in Sant Joan ganz schön vermarktet.
Bei unserem Gang durch die mittelalterlich wirkenden Gassen finden wir auch die Casa Maragall mit ihrem aus mächtigen Steinen zum Bogen gefügten Eingangsportal. Hier hat Maragall Ende des 19. Jahrhunderts Sommerzeiten verbracht und die Sage vom Grafen Arnau kennengelernt.
Von der Säule des Grafen, zu der wir uns dann begeben, haben wir schon gesprochen.
Von dort fahren wir weiter nach Ripoll. Nach den Untersuchungen von Josep Romeu i Figueras ( El comte Arnau, La formació d´un mite, Verlag Farell, 2003) liegt hier – in der Atmosphäre des Klosters, wo alte Überlieferungen und Lieder gesammelt wurden - der Ursprung der ersten Cançó vom Grafen Arnau.
Wir treten durch eine Seitentür ins Kloster in einen Vorraum ein, wo die Kasse ist und eine freundliche Dame sitzt. Das Volk hat hier den Eingang zur Cova del comte Arnau vermutet, einen Höhlengang, durch den er zum legendären Frauenkloster Sant Amanc gelangte. Nach dem Skandal in Sant Joan de les Abadesses sollen die Nonnen von dort in die Einsamkeit der Berge bei Gombrèn verbracht worden sein, wo sie aber weiter ihr lasterhaftes Leben führten.
Natürlich besichtigen wir das berühmte Bilderportal, die Kirche und den Kreuzgang dieser „Wiege Kataloniens“. Das Bilderportal zeigt uns das Weltbild des Mittelalters: vom göttlichen Bereich oben bis zu den dämonischen Untieren Daniels und den Verdammten unten. Auch Rittergestalten, wohl Ursprungsgrafen Kataloniens, finden wir.
Im Kreuzgang erblicken wir an den Kapitellen dämonische Figuren und versucherische weibliche Naturwesen, die die Phantasie des Volkes beschäftigt haben. Aber auch Engelgestalten, die den Blick nach oben lenken, sind zu sehen. Der Mensch zwischen Teufel und Gott, zwischen irdischen Leidenschaften und himmlischem Streben: wie in der Arnau-Geschichte.
Über Campdevanol fahren wir weiter nach Gombrèn. Das also sind die Berge und Klüfte, durch die der Graf nächtens und im Sturmgebraus reitet. Jetzt sehen sie eher lieblich in ihrem Grün aus. Es ist Sommer und heiß. Aber man kann sich vorstellen, dass es hier im Winter ungemütlich sein kann. In dem kleinen hübschen Dorf Gombrén wollen wir das Arnau- Museum besuchen. Aber es ist geschlossen und man muss sich vorher anmelden. Macht nichts, uns drängt es in die herrliche Natur hier.
Kurz nach Gombrén kommt ein Wegweiser, der uns auf eine kleine, asphaltierte Straße nach Montgrony führt. Am Bach Garfull entlang, an Felsgraten und Wäldern vorbei, geht es aufwärts. Wir machen Halt am Gorg del Banyuts.
Ehe wir dort hinabsteigen, wo sich der Eingang zum Inferno - nach dem Volksglauben - befindet, stärken wir uns durch ein Picknick auf einer kleinen Bachwiese. Eine Vielzahl von bunten Schmetterlingen und Libellen umgaukeln uns.
Dann steigen wir die Treppen hinab, vom hellen Sonnenschein in eine Schattenwelt. Ein Wasserfall stürzt die Felsen hinab und bildet unten einen kreisrunden, tiefen Kolk. Ein großer Felsbrocken mit einer teuflischen Fratze liegt unter dem Wasserfall.
Am liebsten würden wir baden, aber wir haben keine Badekleidung mit und wollen uns nicht so, wie Gott uns schuf, den Blicken der anderen Besucher aussetzen. Vielleicht wäre uns das Bad auch nicht gut bekommen, denn das ist ein verwunschener Ort, den die Hirten und Bauern früher mieden. Hier soll nämlich der Graf Arnau in der Dämmerung aus der Tiefe mit seinem Flammenross aufsteigen und seinen wilden Ritt beginnen; hier ruft ihn auch die „roca del Gall“, der Felsen des Hahns um Mitternacht wieder zurück in die Unterwelt. Hier soll der Graf auch sein Ende gefunden haben, ertränkt von seinem schwarzen Riesenkater oder einem dämonischen Bock, deren Brüder er umbrachte. Übrigens kommt der schwarze Bock manchmal hervor und schafft Verwirrung unter den vorbeiziehenden Herden , sodass sie in den Abgrund stürzen. Man kann die Begegnung mit Arnau vermeiden, indem man sich im Vorbeigehen in die Tiefe beugt und ruft: “On us van donar posada, Comte Arnau? Wohin hat man Euch gebracht, Graf Arnau?“ Bisweilen antwortet dann eine Stimme: „A l´infern me l´han donada…In die Hölle hat man mich gebracht…“
Wir fahren an einer schön renovierten Masia vorbei weiter, wohl die frühere Mühle des Grafen Arnau – hier soll er schwangere Geliebte versteckt gehalten haben. Tatsächlich: den idyllisch gelegenen Hof kann man sich gut als Liebesnest vorstellen. In Serpentinen schlängelt sich die Straße hoch und eröffnet plötzlich einen phantastischen Ausblick. Wir sehen, an einen Felsen geschmiegt, das der Mutter Gottes geweihte Heiligtum von Montgrony.
Wir stellen dort auf dem Parkplatz unseren Wagen ab und treten durch ein Tor in einen romantischen Hof. Vor uns erhebt sich das Gebäude der Hospederia, eine gut geführte Herberge mit Restaurant. Der Ausblick von der Hofterasse in die um -liegenden Täler und Berge – bis hin zum markanten Pedraforca-Massiv - ist beeindruckend.
Und nun steigen wir die steilen Treppen hinauf, die der Graf in den Fels schlagen ließ – es muss wirklich eine Schufterei gewesen sein. Man kann sich die ohnmächtige Wut der Arbeiter vorstellen, die der Graf um den versprochnen Lohn brachte. Er soll gesagt haben: „Paraula donada-mai mes recordada. I compte demanat - ja esta pagat – Gegebenes Wort – niemals erinnertes Wort. Und: Geforderte Abrechnung –ist schon längst bezahlt“. Grundsätze, nach dem auch heute noch mancher handelt!
Oben angekommen, empfängt uns eine kleine Kapelle. Wir treten in das dämmrige Licht in eine Atmosphäre ein, die zur Ruhe und Besinnung aufruft. Eine kleine dunkle Madonnenfigur in einer Nische. Ist das die Jungfrau von Montgrony, die mit dem Grafen in Verbindung gebracht wird? Vor der Muttergottes von Montgrony soll der Graf Arnau geschworen haben, die Bewohner der Gegend von einem schrecklichen Tribut zu befreien, den die Mauren ihnen auferlegt hatten. 100 Jungfrauen und Vieh verschiedener Art mussten ihnen jährlich entrichtet werden. Eine andere Tradition besagt, dass sich beim Einfall der Heiden die Erde öffnete, die Jungfrau verbarg und sie so vor der Entweihung schützte. Nachdem die Mauren vertrieben waren, wurde sie durch eine Kuh entdeckt und wieder an ihren angestammten Ort gebracht.
Von der Kapelle aus steigen wir auf zu einem Bergplateau, auf dem die romanische Kirche von Montgrony liegt, die Sankt Peter geweiht ist. Leider ist sie verschlossen – man kann aber den Schlüssel in der „Hostageria“ bekommen - und wir wandern weiter, um den „Forat de Sant Hou oder Ou“, ein 74 m tiefes Erdloch, zu finden. (Der Name leitet sich von einer volkstümlichen Bezeichnung für Sankt Eudald ab, der in Ripoll verehrt wird.) Durch dieses Loch im Felsen soll sich der Graf auf seine Streifzüge zu den Nonnenklöstern begeben haben. Bei der Entfernung zu St. Joan sicher ein mühsames Geschäft und es wundert einen, dass er offenbar noch fit dort angekommen ist. Uns jedenfalls ermattet schon die Hitze über Tage so, dass wir den Weg zu „Sant Ou“ abbrechen.
Was jetzt noch aussteht, ist der Spaziergang zur Burg Mataplana. Wenn man vom Heiligtum von Montgrony zurückfährt, kommt rechts eine Abzweigung, die zur Burg hinaufführt. Das ist der rechte Ort , um das Ursprungslied vom Erscheinen des Grafen bei seiner Witwe vorzutragen. Die Ruinen der Burg mit dem vor gelagerten Kirchlein bilden einen wunderschönen, romantischen Ort . Man kann sich gut vorstellen, dass hier auf der grünen Bergwiese bei der Kapelle – wie im Gedicht Maragalls- die Gräfin dem Grafen erscheint, vor dem Blau des Himmels, und auch die Hirtin, die das alte Lied neu singt und ihn erlöst.
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