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28.10.15: Fahrt mit dem "Roten Zug" von Rivesaltes nach Axat

01.10.2015: Barcelona - Hospital de Santa Creu i Pau und Markthalle El Born

24.09.2015: Ramon Muntaner und Perelada... siehe unter Blog "Szenen aus der Geschichte Kataloniens"

25.06.2015: Zum Fuße des Bassegoda...Bildergalerie

11.06.2015:  Zwei Häuser Gaudís in Barcelona - Torre Bellesguard und Palau Güell

07.05.2015: Katharerburgen, Urzeitmenschen und eine grandiose Schlucht - Fahrt nach Tautavel, zur Burg Peyrepertuse und durch die Gorges de Galamus

7.04.2015: "Kunstreise" - Begegnung mit moderner katalanischer Kunst ...

09.04.2015: So erlebten wir die Zubereitung eines typischen Fischergerichtes: Suquet de Peix - Schaukochen im MARAM, L´Escala

Donnerstag, den 28.Oktober 2015: Fahrt mit dem "Roten Zug" von Rivesaltes nach Axat

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Der Zug
Der Zug
Die Bahnlinie
Die Bahnlinie

Aus einer aufgegebenen Bahnstrecke wird eine Touristenattraktion

 

Die Stilllegung von unrentablen Bahnstrecken hat zu einer interessanten Erscheinung geführt - auf den meist landschaftlich schönen Strecken werden Touristenzüge eingesetzt. Verfallene Bahnhöfe, alte Waggons, antiquitierte Lokomotiven, die die Reisenden im Normalverkehr abgeschreckt haben, werden nun mit Begeisterung auf "Museumsfahrten" angenommen. So ist das mit dem "Gelben Zug" der Fall, der von Villefranche-de-Conflent in die Pyrenäen hinauf nach Bourg-Madame fährt. (Er war schon Ziel unserer "Kulturfahrten".)

 

Weniger bekannt ist der "Train Rouge - Train de Pays Cathare et du Fenoullèdes". Er bewegt sich von Rivesaltes bei Perpignan durch das Tal des Flusses Agly bis nach Axat im Corbières-Gebirge. Ursprünglich verband die 1901 bis 1904 gebaute Bahnlinie von Quillan nach Rivesaltes Carcassonne mit Perpignan. Auf ihr wurden Personen und Güter befördert. Die Strecke Quillan - Rivesaltes wurde 1934 für den Personenverkehr aufgegeben und bis 2001 nur noch für Wirtschaftgüter benutzt. 2001 begann eine neue Ära der Linie: ein erster Touristenzug rollte über die Schienen. Das Syndikat TPCF übernahm die Regie von Eisenbahngesellschaft SNCF. Sukkzessive wurden ältere Lokomotiven, Triebwagen und Waggons übernommen und für den touristischen Zweck hergerichtet und eingesetzt. Der Wirtschaftsverkehr spielt nur noch am Rande eine Rolle. 

 

Natürlich verkehren die Touristenzüge fast nur in den touristischen Zeiten, von Juni bis Oktober und neuerdings auch Weihnachten. Dabei gibt es verschiedene "Parcours", d. h. Streckenabschnitte mit unterschiedlichen Schwerpunkten, teilweise mit Busfahrten zu Sehenswürdigkeiten der Region. Wir haben den "Grand Parcours" von Rivesaltes bis Axat gewählt, der zum letzten Mal in dieser Saison am 28. Oktober befahren wurde. (Genau gesagt fährt der Zug noch 8 km über den Bahnhof Axat hinaus, um den Interessenten ein Mittagsmenü im feinen Restaurant "Le Rébenty" zu ermöglichen.)

 

Die Strecke beträgt ca. 53 km. die in knapp 2,5 Stunden bewältigt wird, mit Halt auf den Bahnstationen und an pittoresken Punkten. Die Zugbegleiterin kommentiert die Sehenswürdigkeiten der Strecke. Die Strecke führt über 6 Viadukte und durch 4 Tunnel. Sie steigt von 29 m in Rivesaltes bis zum Col de Campérie auf 514 m an, um dann wieder abwärts in das Tal der Aude bei Axat auf ca. 460 m zu sinken.

 

Durch Gärten und Weinberge - von Rivesaltes nach  Estagel

 

Dass der "Train Rouge" zu einer touristischen Attraktion geworden ist, zeigte sich, als wir den Zug in Rivesaltes bestiegen. Er war ausgebucht und es war gut, dass wir die Karten im Internet gekauft hatten

(www.tpcf.fr). Die Plätze für unsere Gruppe hatte man freundlicherweise zusammenhängend gekennzeichnet.

 

Einige von uns hatten Teile der Strecke schon bei einer Fahrt mit dem Pkw befahren und die Schönheiten der Landschaft kennengelernt. Nun freuen wir uns auf die geruhsame Betrachtung durch die Zugfenster.

 

Die Fahrt geht zuerst durch die liebliche Landschaft des Fenouillèdes; Weinberge, Gärten, Olivenhaine, Baumgruppen und der mäandernde Flusslauf des Agly bestimme den Eindruck. Das Wetter hatte sich gut entwickelt und die herbstlichen Farben leuchteten in den Sonnenstrahlen. An den Rändern der Talaue Hügel, deren Kalksteinfelsen weiß schimmern. Der Zug rollt an Schlösschen, Weingütern, Kapellen und Türmen auf den Anhöhen vorbei, Dörfer ziehen sich auf Erhebungen hinauf - eine sehr mediterrane Landschaft. Die Berge steigen langsam an - rechts die Corbières, links die  Vorberge der Pyrenäen, die in der Ferne vom Gipfel des Canigou überragt werden.

 

Von Estagel nach Lapradelle - Katharerburgen in Sicht

 

Vor dem Bahnhof Maury passieren wir eine Schranke. Auf diesem Übergang war es wohl, wo sich 1932 ein großes Unglück ereignete. Bei schlechtem Wetter hatte ein Kaufmann mit seinem Fahrzeug die geschlossenen Schranke durchbrochen und war auf den Gleisen liegen geblieben. Die Versuche, den aus dem Bahnhof von Maury auslaufenden Zug zu stoppen, scheiterten. Der von zwei Lokomotiven gezogene Zug mit Passagieren und Gütern prallte unter heftigem Bremsen des ersten Lokführers auf das Automobil. Der zweite Lokführer hatte die Situation nicht erkannt und weiter Dampf gegeben. Lokomotiven und Wagen entgleisten, stürzten um und schoben sich übereinander. Es gab 7 Tote und 22 Verletzte.

 

Nun, wir hatten bestes Wetter, unser Zug fuhr sehr langsam, und so hatten wir nichts zu befürchten.

 

Über Maury erblicken über steilem Felsen die Burg Quéribus - wie ein erhobener Finger ragt ihr Turm in den Himmel. Die Burg war letzte Zufluchtsstätte der Katharer im Languedoc - aufgenommen von einem katharerfreundlichen Adligen, der die Burg für den König von Aragon verteidigte. 1255 musste er sie - durch Verrat - dem Abgesandten des französischen Königs mit dessen Truppen übergeben.

 

Saint Paul de Fenouillet - von der Kuppel einer Bischofskirche überragt - ist die "Metropole" der Region. Wieder fallen  - wie in Maury - eine Menge Winzereien auf. Die Weinproduktion ist wohl das wirtschaftliche Rückrat dieser Gegend. Fabrikanlagen sieht man nur wenige - hier ein Werk, in dem Felspat abtranspotiert wurde ( wird?).

 

Einige Fahrgäste steigen hier aus. Sie wollen wahrscheinlich zu den "Gorges de Galamus". Diese phantastische Felsenschlucht, durch die sich der Agly zwängt, hatten wir im Frühjahr besucht (siehe Bericht vom 7.5.15). 

 

Bei Caudiés erblicken wir über dem Bergmassive die Spitze des Pic de Bugarach, mit 1230 m die höchste Erhebung der Corbières. Zu ihm pilgern "Esoteriker", er gilt als Landeplatz und "Garage" für Außerirdische mit ihren UFOs. 2012 erlebte das Dorf Bugarach eine Invasion von Leuten aus aller Welt, die meinten, dies sei der einzige Ort, an dem sie dem - nach dem Maya Kalender - für dieses Jahr vorausgesagten Weltuntergang entgehen könnten. Ja nun, die Welt arbeitet immer noch an ihrem Untergang.

 

Über dem Dorf Lapradelle mit seiner wohl neoromanischen Kirche erhebt sich - breit auf einem Bergrücken hingelagert - die Burg Puilaurens. Auch sie schützte Katharer, spielte aber nach ihrer französischen Eroberung hauptsächlich eine Rolle als Grenzbefestigung gegen Aragon/Spanien. 

Axat und zurück


Nach Lapradelle rücken die Berge zusammen. Wir fahren über Viadukte und Tunnel. Rechts und links steile Berghänge mit herbstlich gefärbten Wäldern. Wir kommen an einem Hüttchen vorbei, in dem Papa Noel zu Weihnachten Quartier nimmt ( es gibt Sonderzüge zu Weihnachten, in denen der französische "Weihnachtsmann" die Kinder beschenkt). Der Zug umrundet das in einem Talkessel liegende Dorf mit der auf einem Hügel liegenden Bergruine, an dem sich Häuser hochziehen, bekrönt von einer Kirche. Es geht durch eine Tunnelgalerie und dann hält der Zug. Die Gäste, die zum Restaurant "Le Rebenty" wollen, steigen aus.


Der Zug fährt wieder zurück und wir erreichen den Bahnhof von Axat.

Nun steigen auch wir aus und laufen die Rue Departamentale entlang, die sich an der rauschenden Aude entlangzieht. Der Ort ist ziemlich ausgestorben. Nur ein Lokal hat auf, das Bistrot "Le Central". Ein Teil von uns lässt sich dort nieder, um zu speisen. Einige wandern weiter, überqueren eine Brücke und wandern enge Gassen Richtung Kirche hinauf. Es gibt kein weiteres Lokal und wir kehren zurück. Eine " "Biscotterie" ist geöffnet und wir treten ein, in der Hoffnung einen Kaffee zu bekommen. Unverständlicherweise gibt es den nicht, aber wir kaufen einige handgefertigte Kekse. Mit ihnen und anderem Mitgebrachten lassen wir uns auf Bänken und Tischen an der Aude nieder. Es ist ein nettes Picknickplätzchen mit Blick auf eine alte Steinbrücke, die alten Häuser und die umliegenden Berge und Felsen.

Axat liegt landschaftlich reizvoll, aber sonst bietet das Örtchen wohl nichts Besonderes.


Inzwischen naht die Abfahrtszeit und wir kehren zum Bahnhof zurück.

Die Fahrgäste trudeln nacheinander im Wartesaal ein, wo wir dann auch zu einem Kaffee kommen.


Auf der Rückfahrt findet die Landschaft natürlich nicht mehr die Aufmerksamkeit wie bei der Herfahrt, dafür wird die Gelegenheit für Gespräche genutzt. Der Blick nach draußen zeigt aber doch einige neue Perspektiven, vor allem jetzt, da Wolken und Regen aufziehen. In Rivesaltes angekommen, sind wir einig, es war eine schöne Fahrt.


Donnerstag, 1. Okt. 2015: Fahrt nach Barcelona -Ein historisches Krankenhaus im katalanischen Jugendstil: Hospital de Santa Creu i Sant Pau und eine alte Markthalle, die katalanische Geschichte enthüllt: El Born

 

 

Wieder fuhren wir bequem mit dem Zug nach Barcelona, stiegen in Clot d´Aragó aus, dann ging´s im „Untergrund“ Barcelonas weiter mit der Metro bis  zur Station „Hospital Sant Pau“.

 

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Das Hospital Santa Creu i Sant Pau - vom Armenkrankenhaus zum Weltkulturerbe

 

Nach einigen Schritten lag das eindrucksvolle, reich verzierte Empfangsgebäude vor uns. Wie zwei ausgebreitete Arme empfangen die Gebäudeflügel den Ankommenden. Rechts und links hinter dem gusseisernen Tor erheben sich zwei Säulen mit einem Kreuz und einer Statue des Apostels Paulus. Auf den Treppen zum dreiportaligen säulengestützten Haupteingang ein Brunnen, über dem sich die Statue eine (schnauz-)bärtigen Mannes erhebt  - es ist der Hauptmäzen des Hospitals -, zu dessen Füssen eine Frau sitzt - Verkörperung der "Caritas" - die mit ihren Armen einen Alten und ein Kind umfängt Über dem Portal vier Figuren, die die christlichen Haupttugenden darstellen: Glaube, Liebe, Hoffnung und mitten unter ihnen eine weitere Tugend: Obra – die Arbeit.

 

2014 wurde das traditionsreiche Krankenhaus Santa Creu i Sant Pau als „Recinte Modernista Sant Pau“ für den öffentlichen Besuch freigegeben. (Ein Teil der Gebäude dient anderen Zwecken und Einrichtungen.)

 

Der von dem Architekten Lluís Domènech i Montaner (1815-1923) entworfene und von 1902 bis 1930 gebaute Komplex – nach dem Tode Domènechs i Montaner führte sein Sohn Pere Domènech i Roura die Arbeiten weiter - wurde umfassend von den im Laufe der Zeit zugefügten "Modernisierungen" befreit und präsentiert sich heute in den renovierten Teilen weitgehend im Originalzustand. Der Bau des "neuen" Krankenhauses ersetzte das alte gotische Hospital Santa Creu (1401) im Raval und wurde durch eine großzügige testamentarische Stiftung (1892) des in Barcelona geborenen und in Paris lebenden Bankiers und Unternehmers Pau Gil (1816-1896) möglich. (Überall im ganzen Komplex finden wir ein verschlungenes „G“, die Kürzel für Gil!)  Nach dem Willen des Stifters erhielt das neue Hospital zusätzlich die Bezeichnung "Sant Pau"  - nach seinem Namenspatron Paulus (katalanisch: Pau).


Bemerkenswert ist, dass der Krankenhauskomplex - wie der nahe Sühnetempel" Sagrada Familia - in einem Außenviertel Barcelonas errichtet wurde. In die Außenviertel der sich ausbreitenden Stadt zogen ärmere Bevölkerungsteile, auch viele Industriearbeiter. Die medizinische Versorgung der ärmeren Bevölkerung war unzureichend. Pau Gil wollte dem abhelfen - er nennt ausdrücklich in seinem Testament die "Armen" (Pobres) Barcelonas als Zielgruppe. Gil wollte in erster Linie den Bau einen "civilen" Krankenhauses stiften. Aber nachdem die Verhandlungen mit dem Rat der Stadt an der Kostenfrage scheiterten, beschlossen die Nachlassverwalter, die Trägerschaft dem Leitungsgremium des alten Hospitals Santa Creu anzutragen. Dieses war mit dem Kapitel der Kathedrale verbunden. Es ist an der Gestaltung des Hospitals ersichtlich,  dass der Architekt, Nachlassverwalter, nachfolgende Stifter und die Betreiber die Absicht hatten, nicht nur die körperliche Gesundheit zu fördern, sondern auch den Patienten religiös-geistliche Orientierung zu bieten. Unverkennbar eine konservative, die bürgerliche Gesellschaft stützende Religion!

 

Pau Gil (rechts) macht 1892 in Paris sein Testament. Mosaik an einer Seitenfront des Administrationsgebäudes
Pau Gil (rechts) macht 1892 in Paris sein Testament. Mosaik an einer Seitenfront des Administrationsgebäudes

Einst ein modernes Konzept - stilvoll angelegt

 

Passiert der Besucher das Hauptgebäude, dann gelangt er über unterirdische Gänge – die die einzelnen Häuser verbinden – in eine planmäßig angelegte „Stadt in der Stadt“. Man tritt in ein außergewöhnliches „Krankenhaus“ ein. An Plätzen und Parkanlagen liegen 27 „Pavillons“ für die verschiedenen Zwecke der Krankenpflege und medizinische Behandlung, zweckmäßig gestaltet und doch voller Ästhetik. Die Anlage mit Einzelhäusern und „Erholungsflächen“ ist für die damalige Zeit eine Neuheit! Der Stifter hatte gefordert, dass das Krankenhaus nach modernsten baulichen, medizinischen und hygienischen Gesichtspunkten errichtet werden sollte.

 

Der verspielte Jugendstil (katalanisch „Modernisme“) kann mit seinen architektonischen Elementen, den Fenstern, Farben, Malereien, Ornamenten (Muster, Pflanzen, Blumen, Tiere) und Figuren (Heilige, Engel) eine „ablenkende“, positive, anregende, „therapeutische“ Wirkung ausüben! Wenn man so will, ein "Ganzheitskonzept"! Keine sterile, unpersönliche Atmosphäre und punktuelle Behandlung wie meist in heutigen Krankenhäusern! Den "armen" Leidenden und ihren Besuchern sollte in der "Krankenhausstadt" ein großzügiger und abgehobener Raum der Gesundung, Tröstung und Erbauung zur Verfügung stehen. Die Einrichtung sollte aber auch repräsentativ für die florierende Metropole sein.

 

Die andere Seite ist freilich, dass unter den verspielten und verzierten Fassaden auch Elend, Folgen der Armut und eventuelle medizinische oder pflegerische Missstände verdeckt wurden! (Heute bemerkt der Besucher fast nur die ästhetische Seite der Anlage, die man auch als überladen empfinden kann!)

Blick in den Innenbereich des Recinte Sant Pau mit Übersichtstafel zur derzeit begehbaren Fläche. Nur eine der Krankenhallen (Sant Rafael - 5. Gebäude rechts) kann besichtigt werden.
Blick in den Innenbereich des Recinte Sant Pau mit Übersichtstafel zur derzeit begehbaren Fläche. Nur eine der Krankenhallen (Sant Rafael - 5. Gebäude rechts) kann besichtigt werden.

Der Besucher muss also nicht fürchten,  in ein bestehendes Krankenhaus mit seinen oft traurigen Anblicken geführt zu werden. Wer sich aber nicht nur vom architektonischen Glanz blenden lässt, erhält aber doch einen gewissen Einblick in die Krankenpflege und Medizin einer vergangenen Zeit. (Das heutige, 2009 eröffnete, moderne Krankenhaus - verbunden mit medizinischer Fakultät- befindet sich außerhalb des „Recinte Modernista“ - vor allem im seinerzeit unbebauten Norden des Komplexes). 

 

Männer und Frauen getrennt - unter dem Schutz von heiligen Patronen und Matronen

 

Die „Krankensäle“ liegen hinter dem Empfangsgebäude rechts und links an einer breiten Straße, in deren jetzigen Mittelpunkt das Chirurgiehaus steht. Das Ende der Straße bildet heute der breit hingelagerte Trakt des „Convents“, der Apotheke und der Küche. Im Konvent lebten die "Germanes Hospitalàries de la Santa Creu", die Pflegeschwestern. Gil hatte verfügt, dass ein Schwesternorden die Pflege übernehmen sollte, aber im alten Hospital Santa Creu gab es eine Kongregation von Männern, die "Germans de la Caritat", und eine von Schwestern, die dann beide auch im neuen Hospital tätig wurden. Ursprünglich war das Heim der Schwestern als Mittelpunkt der ganzen Anlage und als inneres Gegenstück zum Empfangs- und Verwaltungsgebäude gedacht. Die Pflege im christlichen Geiste sollte das Zentrum des "Betriebes" bilden! Das architektonische Konzept Domènechs spiegelt nicht nur das medizinisch-pflegerische, sondern auch das geistig-geistliche Konzept wider! Leider wird das bei der derzeit begehbaren, reduzierten Anlage des "Recinte" dem Besucher kaum deutlich. Auch die große Kirche, die zu einem solchen Konzept gehört, liegt außerhalb des gegenwärtigen musealen Bereichs und bleibt dem Besucher verschlossen. (Allerdings ist die Renovierung der gesamten Anlage noch nicht abgeschlossen.)

 

Nach dem Willen des Stifters sollten Frauen und Männer getrennten Zugang und separate Unterbringung haben, wohl aus Gründen der traditionellen Moral. Die Krankensäle rechts waren für Männer bestimmt, die links für Frauen. Dementsprechend finden wir an den Gebäuden rechts nach dem „Salvator“ (Christus) Figuren von Heiligen. Es sind Namenpatrone von Stiftern, z. B. „Sant Leopold“, nach Leopoldo Gil, einem Neffen des Hauptmäzens (Sant Leopold ist wohl die einzige Heiligenfigur, die wie  sein Stifter einen damals modischen französischen Schnauzbart trägt! - Die Mäzene haben sich unter der frommen Fassade ein eigenes Denkmal gesetzt.) Wohl in Ermangelung weiblicher Stifter sehen wir an den Frauenstationen Figuren der verschiedenen Erscheinungsformen der „Mutter Gottes“ (Maria), Mercé, Carme… Das kleine Gebäude Santa Apollonia macht da eine Ausnahme. Die Märtyrerin und Patronin der Zahnärzte weist wohl darauf hin, dass in Santa Creu auch Zahnschmerzen behandelt wurden.

 

Frauenstation mit Statue der "Purissima" ("allerreinste" Jungfrau Maria)
Frauenstation mit Statue der "Purissima" ("allerreinste" Jungfrau Maria)

Krankensäle - "Massenlager", aber ansprechend gestaltet

 

Im „Pavillon Sant Rafael“ (gestiftet von Rafael Rabell) sehen wir, wie ein Krankensaal innen ursprünglich aussah - ein lang gestreckter, an den Wänden weiß gefliester (Hygiene!) hoher Raum, in dem – noch in mittelalterlicher Tradition - viele Betten standen. (Man merkt hier, dass das Krankenhaus für Arme errichtet wurde, die reichen Barcelonesen hätten sich nicht in solche Massensäle gelegt!). Trotzdem: die Architektur mit den Bögen, die Farben, die Ornamente, die (ursprünglich) großen Fenster schufen eine angenehme, heilsame Atmosphäre!  Am Pavillon Sant Rafael können wir auch den Aufbau der Krankenstationen sehen: vorne seitlich ein runder Turm mit aufgesetzter Kuppel: in dem durch große Fenster erhellten Raum konnten sich Besucher und Genesende aufhalten, dahinter die Krankenhalle.

 

Beachtung sollte auch der Chirurgiepavillon finden. Seine herausgehobene Stellung in der Anlage zeigt, welche Rolle man der aufblühenden Chirurgie in der damaligen Zeit zumaß. Auf der Rückseite befindet sich ein gläserner und somit heller Schaupavillon, in dem die Operationen stattfanden. An der Vorderfront viel Figuren: Engel; auf der Spitze des Gebäudes erhebt einer seine Arme hilfeflehend in den Himmel (auch Chirurgen brauchen den himmlischen Beistand!) Wappen mit Löwen symbolisieren das königliche Hospital de la Santa Creu und die Stadt Barcelona. Außerdem die Bilder der Medizinheiligen und Märtyer Kosmas und Damian. Sie sind die Patrone der Ärzte, Chirurgen und Apotheker, verbanden Heilung mit christlicher Mission und behandelten kostenlos (!).

Es gibt viel Symbolik und mancherlei Anklänge in der Anlage, sowohl insgesamt wie im einzelnen. Die Hauptstraßen von Süd nach Nord und Ost nach West bilden ein Kreuz - mit dem "Konvent" im geplanten Mittelpunkt (!) - vier Längsstraßen bilden die vier Streifen des Wappens der Krone Aragons und Kataloniens ab. Überall taucht das Zeichen des Kreuzes auf, Hinweis auf  Christus und seine erlösende Passion, in dem sich der Kranke und seine Pfleger(innen) wieder finden können. Die Dreizahl – etwa an Fenstern - ist häufig, sie symbolisiert die göttliche Dreieinigkeit. Pflanzen-, Blumen- und Tiermosaike weisen auf Gedeihen und Vitalität hin, aber auch Werden und Vergehen. Allenthalben sieht man Schutzengel. Architektonisch finden sich viele Übernahmen aus der traditionellen katalanischen Bauweise, der Romanik, der Gotik, der Renaissance, dem byzantinischen und dem arabischen (Mudejar-) Stil. 

So sah die ursprüngliche Planung des Hospitals Santa Creu i Sant Pau aus.  Ganz vorne das Empfangsgebäude,  auf der Hauptstraße kommt dann die Chirurgie, in der Mitte der Konvent. Der hintere nördliche Teil des Komplexes wurde nicht fertiggestellt.
So sah die ursprüngliche Planung des Hospitals Santa Creu i Sant Pau aus. Ganz vorne das Empfangsgebäude, auf der Hauptstraße kommt dann die Chirurgie, in der Mitte der Konvent. Der hintere nördliche Teil des Komplexes wurde nicht fertiggestellt.
Heutiger Plan des Recinte und des Hospitals Santa Creu - grün im weißen Feld: die begehbaren (Ursprungs-)Teile des Recinte, gelb: (noch) nicht zu besichtigen (Esglesia= die alte Kirche), rot: das moderne Krankenhaus (Bild: amadalvarez/ wiki).
Heutiger Plan des Recinte und des Hospitals Santa Creu - grün im weißen Feld: die begehbaren (Ursprungs-)Teile des Recinte, gelb: (noch) nicht zu besichtigen (Esglesia= die alte Kirche), rot: das moderne Krankenhaus (Bild: amadalvarez/ wiki).
Empfangs- und Verwaltungsgebäude  (Rückfront)
Empfangs- und Verwaltungsgebäude (Rückfront)

Das Empfangs- und Verwaltungsgebäude - ein Repräsentationsbau

 

Erlebt man dieses Gebäude allein, so würde man nicht denken, dass es zu einem "Armenkrankenhaus" gehört. Hier feiert sich die großbürgerliche Gesellschaft der Stifter und honorigen "Aufsichtsräte" selbst - nicht ohne an die ruhmreiche Tradition Barcelonas und Kataloniens anzuspielen.

 

Das "Administrationsgebäude" wird durch eine Eingangshalle (Vestibül) mit Marmorsäulen (Medizinpflanzen an den Kapitellen!), Kuppeln und Treppenaufgängen betreten. Beim Eintritt  grüßt ein in den Boden eingelegtes lateinisches „Salve“ (Ob das die "Armen" verstanden haben?). In der Kuppel über dem Treppenhaus leuchtet ein farbiges Bleiglasfenster. (Licht und Farbe sind wichtige Elemente des Modernisme - man denke an den  ebenfalls von Domènech erbauten „Musikpalast“ in Barcelona!) An den Bögen der Kuppeln Medaillons mit Wappen. Zentral: die Wappen von Barcelona, Katalonien, das „Tatzenkreuz“ der Kathedrale, Georgskreuz. Alle diese Elemente befinden sich im Wappen des Krankenhauses Santa Creu. Wir finden auch Medaillons mit der Aufschrift „Gil", den Wappen von Barcelona, seiner Geburtsstadt, und Paris (Schiff, Lilie) als dem Lebensort Gils. Das Siegel der „Banca Gil“ als der finanziellen Quelle der Stiftung darf nicht fehlen (mit Löwe und Aufschrift „La dicha en la honrez“/ „Glück in der Ehrlichkeit") Außerdem sind das Wappen der zusammengelegten Hospitäler Barcelonas und die Eckdaten der Errichtung des Gebäudes (1905 mit Alpha und 1910 mit Omega) zu sehen.

Für den normalen Besucher ist außer dem Vestibül nur der Westflügel des Gebäudes zugänglich. Eine kleine Treppe führt in einen hellen Flur mit schönen großen Glasfenstern, auf der anderen Seite großzügige Arbeits- und Büroräume. Ein Portal, das zum Untergeschoss führt, zeigt den heiligen Martin von Tours - Verkörperung der christlichen "Caritas" -flankiert von einer Schwester und einem Bruder der im Hospital tätigen Kongregationen. Im oberen Geschoss, in das man über einen hochherrschaftlichen Treppenaufgang gelangt, befinden sich das ehemalige Archiv und die "Sala d´Actes", der Versammlungssaal. In einem Teil der Archivhalle fällt besonders die zu einem kunstvollen Sternengeflecht gestaltete Decke auf. Die Sala d´Actes ist das Zentrum des Gebäudes und entfaltet eine besondere Pracht. Hier spielten sich die wichtigen „Meetings“ der Einrichtung ab. Der Raum ist in der Art eines mittelalterlichen Thronsaales gestaltet, mit Galerien, Skulpturen, Wappen und einem riesigen Bild, das die feierliche Überführung der Reliquien der Stadtheiligen Santa Eulalia zeigt. Die Stützen des Geländers der Umgangsgalerie bilden eine verschlungene Weiheinschrift:

 

„Schütze, Herr, die Wohltäter und die Insassen dieses Heiligen Hauses sowohl im Himmel wie auf Erden und inspiriere darin Gefühle der Liebe. Amen.“ („Ampareu Senyor, als benefactors y als asilats d´aquesta Santa Casa aixa en la terra com en lo Cel y inspireu sentiments de caritat envers d´ella. Amen”)

Blick vom Gang zur Sala d´Actes auf Avinguda Gaudi und Sagrada Familia
Blick vom Gang zur Sala d´Actes auf Avinguda Gaudi und Sagrada Familia

Im Pavillon Sant Jordi - einem ehemaligen Aufnahmegebäude - befindet sich eine instruktive Ausstellung zur Renovierung der Anlage und ihrer einzelnen Gebäude.

 

Rings um das Hauptgebäude ziehen sich Mosaikbilder zur Geschichte des alten und modernistischen Hospitals.

Nach einer Mittagspause in den Restaurants auf der Avenida Gaudi ging es weiter (wieder mit der Metro) zur 1876 im Stahlbaustil errichteten Markthalle El Born. Nach langem Nichtgebrauch und vielen öffentlichen Diskussionen wurde diese wieder als Kultur-und Geschichtszentrum eröffnet. 

El Born - ein (anderes) Kapitel der Geschichte Barcelonas

 

Betritt man die große Halle, fällt der Blick sofort auf die Ausgrabungen im Zentrum.

 

Hier hat man die Fundamente eines ganzen Stadtteils ausgegraben, der 1716 dem Bau der Zitadelle weichen musste. Nach der Eroberung Barcelonas 1714 durch die Truppen des bourbonischen Königs von Spanien, Philipp V., errichtete man auf dem Gelände des Stadtteils Ribera eine Festung, die „Zitadelle“, die die widerspenstige Bevölkerung im Zaum halten sollte. Die vor der geplanten Zitadelle liegenden Teile des blühenden Stadtteils wurde dem Erdboden gleich gemacht und die Bevölkerung umgesiedelt. In der Folge verlor Katalonien seine althergebrachten Rechte. Der Tag der Kapitulation Barcelonas am 14. September (2014) wurde zum katalanischen Nationalfeiertag, der Diada, erklärt.

Aus Häusern wurden Ruinen
Aus Häusern wurden Ruinen

Man spaziert um die Ausgrabungen. Tafeln erläutern die Ausgrabungen und die geschichtlichen Vorgänge. Wie die Einwohner in der heutigen Trümmerstätte lebten, zeigt eine Ausstellung: „Barcelona 1700 – von seinen Steinen zu den Leuten“. Hier werden sehr viele Fundstücke des damaligen täglichen Lebens gezeigt. Großflächige Bilder illustrieren Alltag und Lebensgewohnheiten und machen deutlich, was hier zerstört wurde.

Eine weitere Ausstellung „Bis wir siegen! Die Belagerung 1714“ stellt detailliert in Zeitzeugnissen und multimedial dar, wie die Belagerung verlief. 


Es lohnt sich, die Bilder anzuklicken, größer zu machen und die Erklärungen zu lesen!

Durch den Besuch der archäologischen Stätte und der Ausstellungen erhält man einen starken Eindruck von einem Kapitel katalanischer Geschichte, der tiefe Wunden im kollektiven Gedächtnis hinterließ. Sie wirken in den gegenwärtigen Unabhängigkeitsbestrebungen weiter und waren deshalb für uns deutsche Besucher aufschlussreich. El Born ist heute für Katalanen ein symbolhafter (Erinnerungs-)Ort und wurde als solcher auch gestaltet.

Der katalanische Ministerpräsident Artur Mas und die führenden Köpfe der Liste "Junts pel Si" feiern ihren Wahlsieg am 17. September 2015 in El Born (Bild: EFE/Quique García)
Der katalanische Ministerpräsident Artur Mas und die führenden Köpfe der Liste "Junts pel Si" feiern ihren Wahlsieg am 17. September 2015 in El Born (Bild: EFE/Quique García)

25.06.2015: Zum Fuße des Bassegoda in der Alta Garrotxa - Bildergalerie

11.06.2015: Zwei Häuser Gaudís in Barcelona - Torre Bellesguard und Palau Güell

Antoni Gaudí (1852-1926)
Antoni Gaudí (1852-1926)

Auf dem Passeig Grácia

 

Wir steigen am Bahnhof Grácia aus und treten auf den Passeig Grácia. Gleich gegenüber werfen wir einen Blick auf die „ Mançana de la Discòrdia“, den „Zankapfel“ oder die „Bauten der Zwietracht“: drei berühmte Modernisme-Gebäude. Ganz links an einer Ecke – unverkennbar mit aufgesetztem Türmchen – die Casa Leó Morera, 1902 bis 1906 von Luís Domènech i Montaner gebaut, dann die Casa Amattler, 1998 bis 1900 von Josep Puig i Cadafalch entworfen und schließlich die Casa Battló 1904 bis 1907 von  Antoni Gaudí errichtet. Da haben wir die drei berühmtesten Baumeister des katalanischen Modernisme mit ganz verschiedenen Bauten. Vor allem die zwei letzten Häuser fallen durch ihren unterschiedlichen Stil auf: die Casa Amattler mit geraden Linien, inspiriert von niederländischen und norddeutschen Bürgerhäusern, neogotische Elemente; die Casa Battló, organische Formen, rund, geschwungen – typischer Gaudí-Stil, wie wir meinen, natürlich hochsymbolisch mit dem Drachendach,  dem Türmchen mit Kreuz…Wir nehmen das Gaudi-Gebäude in unsere Erinnerung auf, denn wir wollen heute zwei andere Gaudi-Häuser besuchen, und da ist der Vergleich interessant.

 

 

Casa Amattler und Casa Battló ( Bild: ChristianSchd wiki )
Casa Amattler und Casa Battló ( Bild: ChristianSchd wiki )

Dann streben wir zur Metro-Station „Provença“, von dort wollen wir zur Avenida Tibidabo fahren, denn die Villa Bellesguard befindet sich im Stadtteil Sant Gervasi, unterhalb der Bergkette Collserola, auf der sich auch der Tibidabo befindet. Unterwegs schauen wir noch am Gebäude der Antoni Tapiès-Stiftung zur Skulptur „Wolke und Stuhl“ hinauf. Das Gebäude ist von Domenèch i Montaner entworfen und beherbergte ursprünglich das Verlagshaus Montaner i Simon.


An der Avenida Tibidabo angekommen, besteigen wir den Bus 196. Mit uns eine Menge Touristen, die zum Vergnügungspark auf dem Tibidabo wollen. Die Deutschen unter ihnen hören aufmerksam zu, als ich unsere Gruppe auf die Jugendstilvillen an der Straße aufmerksam mache. An der Drahtseilbahnstation zum Tibidabo wird der Bus leer. Wir fahren weiter, kommen am Friedhof Sant Gervasi vorbei, überqueren die Schnellstraße Ronda d´Alt und steigen an der Haltestelle Bellesguard aus.

 

Baugeschichte - schon im Mittelalter eine Residenz

 

Der Empfang an der Kasse ist freundlich – wir sind angemeldet – der Eintritt ist für über 65-jährige preiswert – im Gegensatz zur Casa Battlò. Und auch im Gegensatz zu dieser Villa stehen hier keine Warteschlangen vor der Kasse. Man kann einen Audioguide in verschiedenen Sprachen – nicht in Deutsch – erhalten. Aber er ist lästig, denn er verhindert das Schauen. Unsere Gruppe braucht ihn nicht, denn ich habe ihn bei einem Vorbesuch abgehört und kann das Notwendige erzählen. Wir treten in einen Park ein. Durch die Bäume sehen wir die Villa. Schon von der Ferne erkennen wir, sie sieht ganz anders aus als die Casa Battlò. Eine Art Märchenschloss erhebt sich in den Himmel, mit geraden Linien, schmalen gotischen Fenstern und einem Türmchen.  Auf dem Türmchen ein Kreuz auf einer Krone, darunter windet sich ein Band mit den katalanisch-aragonesischen Farben Gelb-Rot.

 

Wir wenden uns aber erstmal massigen Mauern auf der linken Seite zu, einer Art von Burg. Durch ein Tor geht es hinein. Über dem Tor das Wappen der Könige von Aragon. Innen kommen wir in einen Hof. Um uns so etwas wie eine halbfertige Burg mit Umgängen und Zinnen. Die Steine sehen alt aus, aber das Ganze stammt kaum aus dem Mittelalter. 

Der Audioguide verrät, dass auf dem Gelände des Torre Bellesguard eine königliche Sommerresidenz stand, die des Königs Martí des „Humanen“ (1356-1410). Gaudí hat auf den verbliebenen Ruinen die Burganlage historisierend in Teilen rekonstruiert. Er will also deutlich machen: das hier ist ein Ort mit alter Geschichte. Das Gelände war im Besitz  des Bischofs von Astorga, der sein Vermögen karitativen Zwecken zuführte und hier eine Schule für arme Schüler aufmachen wollte. Gaudí – katalanischer Patriot – wollte erreichen, dass der historische Ort als solcher erhalten blieb. Er musste einen Gönner finden, der auf seine Pläne einging. Er fand ihn in dem Barceloneser Mehl- und Lebensmittelhändler Jaume Figueras, mit dem er befreundet war. Gaudí wollte für ihn hier oben  eine Residenz  bauen, hoch über der Stadt und in damals noch naturnaher Umgebung – wo auch andere der reichen Barcelonesen ihre Villen errichteten. Figueras starb aber und so kaufte Gaudí das Gelände treuhänderisch für dessen Witwe Doña Maria Sagués Molins. Er begann mit dem Bau, der sich lange hinzog, von 1902 bis 1908, und dann immer noch nicht ganz fertig war. (Ein anderer Architekt führte das Werk weiter.) Die Witwe soll über die architektonischen Tüfteleien Gaudís und die Kosten schier verzweifelt sein und verkaufte das Haus. Im spanischen Bürgerkrieg wurde es von Republikanern enteignet und als Waisenhaus benutzt. Das Mobiliar und Holzteile wurden zum Heizen verwendet. 1944 erwarb es der Arzt Guilera Molas, der darin eine Klinik einrichtete. Mancher Barcelonese wurde darin geboren. Dann wurde das Gebäude Wohnhaus seiner Familie, die darin bis heute wohnt. 2013 wurde der Torre Bellesguard für die Öffentlichkeit geöffnet.

Martin, der Humane – der Erbauer von Bell Esguard

 

Doch zurück zu Martin, dem Humanen (wohl so genannt, weil er ein Freund der Künste und der Wissenschaften war). Er residierte in mehreren Schlössern, die er umbauen ließ, in Barcelona selbst im Grafenpalast, in Zaragossa in der Alfería, dem ehemaligen Palast des Maurenkönigs, auch im Kloster Poblet hatte er ein Schloss errichten lassen. 1408 ließ er sich die Sommerresidenz „Bell Esguard“ – „Zur schönen Aussicht“ – am Fuße der Collserola bauen.


Es heißt, er habe einen Hirsch vierteilen lassen und die Teile ausgelegt. Nach einiger Zeit schaute man nach dem Zustand der Teile. Dort, wo das Fleisch am besten erhalten war, wurde dann mit dem Bau angefangen, weil man annahm, dass dies der „gesündeste“ Ort sei. Sicher suchte der König in Bell Esguard die reine, gesunde Luft hier oben und Ruhe vor dem Getriebe in der Stadt und in seinem Stadtpalast, wohl auch Abstand von den Konflikten, die seine Regierung belasteten. Hier oben konnte er das Einlaufen seiner Flotte sehen, die das Mittelmeer beherrschte. Er war nicht nur Graf von Barcelona und König von Aragon, sondern auch König von Mallorca, Valencia, Sizilien, Korsika und Sardinien. Wohl auch hier oben erhielt er die Mitteilung, dass sein einziger Sohn und Thronfolger Martí, el Joven, 1409 in Sizilien der Malaria erlegen war.

 

So machte der verwitwete 53-jährige den Versuch, noch einmal einen Thronfolger zu bekommen. Im selben Jahr heiratete er die 21-jährige schöne und gebildete Margarita von Prades (geb.1387 im Schloss von Falset, gest.1429) – Hofdame seiner verstorbenen Gattin. Sie stammte aus einer Nebenlinie des königlichen Hauses.  Die Hochzeit fand im Beisein des schismatischen, aber von dem König unterstützten Papst Benedikt XIII. in Bell Esguard statt. Die Bemühungen des Königs waren vergeblich, er starb 1410 im nahe gelegenen Zisterzienserinnenkloster Valldonzella, ohne einen Thronfolger zu hinterlassen, (Auch seine Witwe zog sich später mit einem Sohn aus zweiter - heimlicher!- Ehe in dieses Kloster zurück und starb als Äbtissin eines anderen Klosters.) Martins Nachfolger wurde durch den Vertrag von Caspe (1412) der von Katalanen wenig geschätzte Ferdinand I. von Antequera aus dem kastilianischen Königshaus.

 

Mit Martin dem Humanen endete die Linie des alten Grafenhauses von Barcelona nach 530 Jahren Herrschaft. Ich berichte das alles ausführlich, weil sich in Gaudís Bauwerk viele Bezüge zu dieser Geschichte entdecken lassen. 

 

 

Von der „Burg“ Martins gelangen wir in den Hof vor der Villa. In dessen Mittelpunkt finden wir einen Brunnen, der halbkreisförmig von gemauerten, mit bunten Kacheln und „trencadís“ (Kachelscherben) bedeckten Bänken umgeben ist. In der Mitte der Bänke ist jeweils ein Wappen der Krone Aragons eingelegt. Auch vor dem Hausseingang sehen wir mit Trencadís verzierte Bänke. Auf beiden Bänken ist ein Fisch abgebildet, in den ein verschlungenen M eingefügt ist, darüber eine goldene Krone. Das bezieht sich natürlich auf  König Martin, die das Mittelmeer beherrschende katalanisch-aragonesische Flotte und die Herrschaft der Krone Aragons über die Mittelmeerinseln und –länder. Tatsächlich findet sich im Wappen Aragons auch gelegentlich ein Fisch. Vielleicht hat es auch einen Hintersinn, wenn die Fische an den Blauhai erinnern, denn die katalanisch-aragonesischen Eroberungszüge verliefen nicht friedlich. An der linken Seite des Hauses finden wir eine weitere Bank. Auf ihr ist eine hinter Bergen (der Monserrat?) untergehende Sonne zu sehen. Das bezieht auf das Ende der alten Grafendynastie. Die Schriftzüge können wir nicht recht deuten, außer dem MA... (Martin).

Das kunstvolle Tor mit schmiedeeisernem Gitter trägt eine Widmung an die Jungfrau Maria, "ohne Sünde empfangen hat". Der zölibatär lebende Gaudí verehrte sie hoch. Zum Gebäudekomplex gehört auch eine separate höhlenartige Kapelle, in der eine  - sicher nicht originale - Marienfigur steht. Die schmiedeeisernen Gitter an den Fenstern des Hauses enden wie schon das Eingangstor in Haken. Das soll sicher Einbrüche verhindern, könnte aber auch auf die Enterhaken der katalanischen Flotte hindeuten. Bei unserem Rundgang um das Haus können wir verschiedene Techniken Gaudís beobachten. Im Prinzip ist das Haus aus grauen Schieferbruchsteinen der Umgebung errichtet worden. Es finden sich aber immer wieder Teile, bei denen kleine Steinchen in Trencadís-Weise auf Mörtel eingelegt wurden. Manchmal hat Gaudí auf diese Weise gleichmäßige Steinformen an den Wänden geschaffen.

 

Nun wird das Haus für uns geöffnet. Wir treten in das Vestibül ein. Hier hat man einen ganz anderen Eindruck als bei der Außengestaltung. Ein lichtes Treppenhaus öffnet sich weit nach oben, kunstvoll blau bemalte Kacheln bedecken die Wände, die darüber weiß gekalkt sind. Eine bunte Lampe hängt von der Decke herab. Man glaubt sich in ein orientalisches Anwesen versetzt. Hier hat sich Gaudí vom arabisch-christlichen Mudéjar-Stil inspirieren lassen. Besonders prachtvoll ist das Glasfenster über der Eingangstür, das uns schon außen aufgefallen ist. Bunt bricht das Tageslicht hier in die Eingangshalle ein. Wir erkennen in der Fenstergestaltung ein sternförmiges Gebilde, das sich vom Zentrum her ausfächert. Es symbolisiert die Venus, die Göttin, den „Stern der Liebe“. Natürlich bezieht sich das auf die Verbindung  König Martins mit Margarita von Prades, aber auch auf  Maria, den „Meerstern“, deren Name ja auch die Bauherrin trug.  Auf diese Weise mag  die Doña Maria Sagués ein solches Eingangsemblem wohl ertragen haben, denn ein „Liebesnest“ wie das Schloss König Martins war ihr Witwensitz sicher nicht! Auch die Kacheln mit ihren pflanzlichen Ornamenten und den Löwen weisen in ihrer Symbolik auf die Königin hin.

 

Wir steigen die steilen Treppen hinauf – nicht sehr bequem für Bewohner – und gelangen in das Dachgeschoss. Auf der einen Seite befindet sich ein lichter, fast leerer Saal mit schöner Aussicht – ein ehemaliger Repräsentationsraum? Auf der anderen Seite treten wir in ein Wunderwerk ein: eine Säulenhalle aus Backsteinen, äußerst kompliziert gebaut mit seinen Bögen, Pfeilern und Streben. Man fragt sich, wie das die schwere Last des Daches hält, ohne zusammenzubrechen! Auch hier ist die Mudéjar-Inspiration deutlich erkennbar. Die Halle erinnert an das Innere einer Moschee. Ursprünglich war sie als Musiksaal gedacht. Wie gut die Akustik ist, hören wir bei einer Video-Aufnahme, die uns am Schluss des Besuches im „Pferdestall“ an der Rückseite des Hauses vorgeführt wird.

Und nun geht es auf das Dach hinaus. Ein quadratischer Umgang führt um das Dachgeschoss herum. Darüber erhebt sich noch einmal eine Aussichtsplattform. Wir bemerken die für Gaudi typischen „Türmchen“, die als Schornsteine oder Entlüftungsschächte fungieren. Beim Umgang blickt uns plötzlich ein „Drachengesicht“ entgegen, gebildet durch die Dachhaube mit ihren Fenstern und Ausbuchtungen. Auch hier – wie in beim Dach des Casa Battló - konnte es Gaudí nicht lassen, an den Schutzheiligen Kataloniens Sankt Georg und den von ihm getöteten Drachen anzuspielen. Das hat hier aber auch seinen historischen Bezug. Denn unter Martin, dem Humanen, verbreitete sich die Verehrung der Heilige Georg stark in den Ländern der Krone Aragons.

Eine großartige Aussicht

 

 Die Aussicht hier oben ist einmalig und wir verstehen, wie es zu dem Namen Bellesguard. kam. Nach Norden hin blicken wir auf die Collserola-Berge hinauf, erst auf den Fernsehturm des Architekten Norman Foster, dann auf den Tibidabo mit dem Kuppelbau einer Sternwarte und darüber der Kitsch-Kirche und dem Riesenrad des Vergnügungsparkes. (Tibidabo lat. „ Ich werde dir geben…“ bezieht sich auf die Versuchung  Jesu auf einem Berg durch den Teufel, der ihm alle Länder geben will, wenn er ihn verehrt.). Auf der anderen Seite liegt uns Barcelona zu Füßen, mit seinen Straßenschluchten, Kirchen und Hochhäusern, die Türme der Sagrada Familia blicken hinter einer Anhöhe hervor, auch die „Schornsteine“ des Palau Güell kann man ausmachen, darüber hinaus erblickt man die Hafenanlagen, das Kolumbusdenkmal, den Turm der Schwebebahn, den Montjuic mit seinen Anlagen…nach Osten hin fallen unter den Gebäuden das neogotische Zisterzienserkloster Valldonzella und das große modernistische Gebäude des Wissenschaftsmuseum CosmoCaixa auf, nach Westen ragen ein Krankenhaus – früher Kloster –  zwischen den Häusern empor, ganz hinten der Turm des Klosters Pedralbes, in das sich Königin Elisenda von Montcada im 14. Jahrhundert als Witwe von Jaume II. zurückgezogen hat.

Mittagspause im Museum CosmoCaixa

 

Beeindruckt steigen wir hinunter. Nun ist es Zeit zur Mittagpause. Mit der Eintrittskarte zum Torre Bellesguard ist der freie Eintritt in das Museum CosmoCaixa verbunden. Wir wandern den kurzen Weg dorthin hinüber. Im Museumsrestaurant stärken wir uns, während Scharen von Schulkindern sich in den Höfen gelagert haben und  ihr mitgebrachtes „Vesperbrot“ verzehren Viel Zeit zum Besuch haben wir nicht. Das baulich und von seinen Thematiken her hoch interessante, auch didaktisch gut aufbereitete Museum ist riesig und man bringt am besten einen ganzen Tag mit, um alles zu besichtigen. Ich habe mir nur den Amazonas-Regenwald mit seinen Pflanzen, Bäumen, Fischen, Schlangen und anderen Tieren angeschaut. Erstaunlich, was hier angelegt wurde!

 

Der Palau Güell

 

Wir fahren in die Stadt hinunter. Der Palau Güell befindet sich in einer Seitenstrasse der Rambla, im Viertel Raval, eingeklemmt zwischen anderen Gebäuden. Gaudi hatte wenig Platz für das Stadthaus, das er an dieser Stelle für seinen Freund und Gönner, den reichen, einflussreichen und eben geadelten Fabrikanten Eusebi Güell errichten sollte. So müssen wir an der Eingangsfront hoch hinaufblicken, um über vielen Fensterreihen die Dachtürmchen zu sehen.

 

Der Palau ist eines der ersten Werke Gaudís und zeigt außen nur an den beiden Eingangtoren die geschwungen Formen des späteren Gaudí. Es ist aber großartig, wie er die Baumassen abwechlungsreich strukturiert. Sein Vorbild sind hier offenbar venezianische Adelspaläste. Der Eindruck ist nicht wie bei Bellesguard „märchenhaft“, sondern repräsentativ.

Das beginnt schon bei den zwei parabelförmigen Eingangstoren mit kunstvollem Schmiedegittern, durch die Kutschen einfahren konnten. Zwischen den Toren begegnen wir wieder – in einer schmiedeeisernen Gestaltung, die den „Helm“  des König Pere  III. („El Ceremonioso“) darstellen soll  – dem katalanischen Wappen und Drachen, aber hier nicht verspielt, sondern ziemlich martialisch.

Dementsprechend weitläufig ist auch die Eingangshalle, von der es in die Pferdeställe hinuntergeht. Säulen, Marmor, Treppen erwecken den Einruck von Kostbarkeit und Vornehmheit. Unten in den Pferdesställen finden wir die Backsteinsäulen und Bögen von Bellesguard (Dachboden) wieder, nur viel wuchtiger – sie wirken wie dicke Bäume, Eichen. Auf Zierlichkeit kam es hier ja auch nicht an – sie haben eine große last zu tragen.

Auf breiten Treppen geht es in das erste Stockwerk. Eine zentrale Halle, der „Salon“, bildet den Mittelpunkt, von der sich Fenster, Türen zu säulengestützten Gemächern öffnen. Kostbare Glasfenster erhellen Halle und Räume. Wir blicken nach oben – hoch über uns eine Kuppel, firmamentartig, die Sonne im Mittelpunkt, von Sternen umkreist. Gaudi hat hier den bayzantinisch-arabischen Kuppelbau übernommen, wie wir ihn in Moscheen finden. Hier fanden Empfänge, Feste, Lesungen und Konzerte statt, die die Güells veranstalteten. Für Gottesdienste konnte eine breite Tür zu einer Kapelle geöffnet werden. Eine Orgel unterstützte die Liturgie.

 

Wir wandern durch andere Salons und Räume, manche sind noch mit den Originalmöbeln und Dekor ausgestattet, die Handwerker und Künstler in Zusammenarbeit mit Gaudi entworfen haben. Bei den Salons mit vorgeblendeten Säulen, die Parabelbögen bilden, fallen die kunstvollen Holzdecken im Mudéjarstil auf.  Die Parabelbögen nehmen im Inneren die Bögen der zwei Eingangstore der Außenfront auf. Alles ist sehr stilvoll, vornehm, kostbar, die offenen Räume lassen wenig Intimität zu, ich möchte in dieser kalten Pracht nicht gewohnt haben.

Schließlich gelangen wir auf das Dach, auch hier wie auf der Casa Mila oder in Bellesguard „Schornsteine“, sehr viele, unterschiedliche, mit bunten Mosaiken verziert, trotz des nützlichen Zwecks jedes ein Kunstwerk. Und auch hier eine beeindruckende Aussicht, nun im Stadtbereich, auf die Kathedrale, den Kontrapunkt der Sagrada Familia, den tropfenförmigen Torre Agbar mit seiner bunt schillernden Aluminiumhaut, von der „Wassergesellschaft Barcelonas“ als Bürohochhaus errichtet (Aigua de Barcelona= Agbar). Der Architekt Jean Nouvel hat ihn als eine Huldigung an Gaudí gedacht! In der Form hat er Gaudís Parabelbogen aufgenommen!

Und in Richtung Berge können wir das Türmchen von Bellesguard erkennen. Ein Stadtbild – von Gaudí mitgeprägt!

07.05.2015: Katharerburgen, Urzeitmenschen und eine grandiose Schlucht - Fahrt nach Tautavel, zur Burg Peyrepertuse und durch die Gorges de Galamus

 

Diese Fahrt nordwestlich von Perpignan/Rivesaltes führte in eine der sehenswertesten Landschaften des Languedoc. Weinberge, schroffe Felsen, Burgen,  wilde Schluchten säumen den Weg.

 

Die erstes Ziel war das Dörfchen Tautavel, weltbekannt durch den Fund des Urzeitmenschen von Tautavel. Unweit vom Dorf, in einem Seitental, in der Höhle Arago, wurde sein Schädel gefunden. 450 000 Jahre ist es her, dass er und seine Sippe hier lebte.

 

Diese Menschen gehörten zur Gattung "Homo erectus", der "aufrecht gehende Mensch". Allerdings sind schon vor ihm menschenähnliche Wesen (Hominiden) und Menschengattungen aufrecht gegangen. Der Homo erectus war in dieser Zeit bereits weit entwickelt, hatte ein großes Gehirnvolumen, stellte behauene Steinwerkzeuge her, suchte nicht nur Höhlen auf, sondern baute einfache Hütten und kannte das Feuer (in der Höhle Arago fand man aber keine Feuerspuren). Funde auf ostasiatischen Inseln zeigen, dass er Flöße oder Boote bauen konnte. Entwicklungsmäßig ist er auf dem Weg zum "Homo sapiens", dem Neanderthaler und dem heutigen Menschen. Er lebte von der Jagd und sammelte sicher auch Kräuter und Früchte. Die Knochen der ca. 20 Individuen, die man in der Höhle ab 1971 fand, zeigen Schabspuren, die darauf hindeuten, dass das Fleisch entfernt worden war. Waren diese Menschen Opfer eines kannibalistischen Mahls geworden, wurden ihre Knochen in der Höhle kultisch bestattet oder war beides verbunden gewesen? Wir wissen es nicht.

 

Nicht nur diesem Urmenschen hat die Gegend des Fundortes gefallen, sondern auch uns. Ein Flüsschen strömt aus einer engen unzugänglichen Schlucht, an deren Beginn eine alte Mühle steht. Rechts erhebt sich der Kalk-Felsklotz, in dem sich hoch oben die Höhle befindet. Rings umher steile Berge. Der Weg, der sich zur Höhle hinauf schlängelt, ist von grüner und blühender Mittelmeervegetation umgeben, in der die Nachtigallen sangen.

 

Vor der Mühle breitete eine junge Archäologin Funde aus der Höhle aus, Steinabschläge und Schaber, sorgfältig geordnet und nach Fundstelle bezeichnet.

 

Leider schloss das Frühgeschichte-Museum in Tautavel gerade zur Mittagspause als wir ankamen, so dass wir den Besuch auf ein andermal verschieben mussten. Dafür gewannen wir Zeit für die weiteren Unternehmungen des Tages.

 

Von der Urzeit des Menschen begaben wir uns in das Mittelalter. Wir sind im Land der Katharer, jener Ketzer des 12. und 13. Jahrhunderts, deren Bewegung weite Kreise des Languedoc erfasste. Ihre Verbreitung löste eine große Verfolgung durch Papst, Kirche und den französischen König aus, die Kreuzzüge gegen die Katharer und die Adligen, die sie unterstützten.  Die Adligen, die Widerstand leisteten, zogen sich in Burgen zurück, wo sie Katharern Unterschlupf gewährten. Die Kreuzritterheere machten auch vor den nördlich der Pyrenäen gelegenen Gebieten des Königs von Aragon nicht Halt, wo wir uns befinden.

 

Wir kommen an der Burg Quéribus vorbei, die auf einem schroffen Felsgipfel liegt. Nach dem Fall des Montségur (1244) war die unter dem Kommando des Ritters Chabert de Barbeira ( Jaspert de Barberà) stehende Burg letzter befestigter Fluchtort von Katharern, auch des Katharerbischofs von Razès, Benoit de Termes. Der zum französischen König übergegangene, aus einer kathererfreundlichen Familie stammende Olivier de Termes stellte seinem früheren Freund und Mitkämpfer Chabert eine Falle und erreichte so die Übergabe des unbezwinglich erscheinenden Horstes. Im Vertrag von Corbeil (1258) trat der König von Aragon, Jaume I. ("der Eroberer"), diese und die benachbarten Festungen an den französischen König Ludwig IX. ( den "Heiligen") ab. Quéribus und Peirepertuse wurden französisch-königliche Festungen zur Sicherung der Grenze zum aragonesischen Königreich hin. Mit dem "Pyrenäenfrieden" (1659), durch den die Grenze auf den Pyrenäenkamm verlegt wurde, verloren diese Festungen ihre Bedeutung.

 

Ausführlich besichtigten die, die den Aufstieg wagten, eine der größten und bemerkenswertesten Burgen der Gegend, Peyrepertuse. Die Doppelburg liegt auf einem steilen Felsmassiv, 800m hoch, fast unter dem Himmel. Der Fels, der sie trägt erinnert an ein gewaltiges Schiff, das von Westen nach Osten fährt. Die Aushöhlungen im Felsen haben wohl zum Namen geführt: "Petra pertusa", der "durchbrochene Fels". Die Festungsanlage, deren Areal größer als die Cité von Carcassonne ist, wird auch "das himmlische Carcassonne" genannt. Von Carcassonne aus befehligt, ist sie eine der fünf "Töchter Carcassonnes", wie die umliegenden Grenzburgen genannt wurden. Obwohl sie unzugänglich erscheint, kann man mit dem Pkw bis nahe an ihre Pforten fahren, hat dann allerdings zum Burgeingang noch einige Steigung und Treppen zu bewältigen.

 

Hier begehrten flüchtige Katharer und Widerstand leistende enteignete Adlige ("Faidits") Einlass und Schutz, auch der junge Olivier de Termes mit seiner Familie (dabei sein Onkel, der katharische Geistliche Benoit de Termes), nachdem die Burg Termes 1210 von dem Führer des Kreuzzugsheeres, Simon von Montfort, erobert worden war und der Vater Oliviers in Gefangenschaft geriet. Guillaume de Peyrepertuse unterwirft sich zwar 1217 Simon de Montfort, nimmt aber den Kampf wieder auf. Er bietet  dem jungen Trenceval von Carcasonne mit seinen Rittern Unterschlupf, die einen vergeblichen Versuch gemacht hatten, Carcassonne, das Erbe Trencavals, zurück zu erobern. Obwohl sein Lehnsherr, der König Jaume von Aragon, die Burg an den französischen König verkauft hatte, verteidigt Guillaume die Festung bis 1240. Dann muss er sich den französischen Truppen ergeben. Peyrepertuse wird als französischen Grenzfestung ausgebaut.

 

Der Gang durch die langgezogene Anlage der "alten Burg" ("Vieux Donjon") mit seinen Wehrgängen, Türmen, Aussichtsfenstern, Zisternen, Mannschaftsräumen, dem Donjon (Burgfried) und der angeschlossenen Kirche Saint Marie lässt eine Art Militärstadt erkennen. Man fragt sich, wie das, was zum Leben und Kämpfen notwendig war, den steilen Berg und den schmalen, steinigen Zugangsweg hinauf kam.

 

Die obere Burg, die dem heiligen Georg (Jordi) gewidmet war, wurde auf Veranlassung Ludwigs des Heiligen angelegt. Eine lange, steile Treppe, die nach dem König genannt wird, führt auf die  schwindelerregende Höhe der Kapelle Sant Jordi. Von hier hat man eine fantastische Aussicht auf die umliegenden Berge und Burgen, überragt vom schneebedeckten Canigó im Süden.

 

Weiter geht die Fahrt über Berg und Tal. Weinberge, in denen der kräftige Corbière-Wein wächst,  säumen die Straße. In dem idyllischen Dörfchen Rouffiac-de-Corbière machen wir in einem netten Café Halt. Die junge Wirtin scheint ziemlich überrascht über den plötzlichen Einfall so vieler Gäste zu sein, doch bald steht der schmackhafte Café au Lait vor uns. Die Pause wird benutzt, um etwas über Leben und Lehre der Katharer zu erfahren.

 

Der katharische "Mythus" erzählt vom Fall des Engels Luzifer und vieler von ihm verführter Mitengel aus dem Himmel des "Guten Gottes". Luzifer alias Satan schafft eine Gegenwelt zur himmlischen Schöpfung des Guten Gottes, die materielle, "böse" irdische Welt. Er schließt die gefallenen Engel-Seelen in Körper ein, in denen sie von Wiedergeburt zu Wiedergeburt wandern. Sie können aber erlöst werden, wenn sie sich an ihre himmlische Heimat erinnern und ihre Seele sich mit ihrem im Himmel verbliebenen "Geist" wieder vereinigt. Die katharische Lehre weist den Weg der Erlösung. Er besteht darin, der "bösen" irdischen Welt zu entsagen und einfach, asketisch, nach Regeln des Evangeliums zu leben: nicht lügen, nicht schwören, nicht richten, nicht töten, kein Fleischgenuss, sexuelle Enthaltsamkeit, Armut, Liebe zum Mitmenschen, Frieden halten, vollkommen sein...  Jesus ist ein vom Guten Gott geschickte Engel, der die Menschen diesen Weg zurück zum Guten Gott gelehrt hat. Der "vollkommene" Katharer lebt nach den Geboten, die Jesus seinen Jüngern gegeben hat und ist somit erlöst, wenn auch auf Erden erst Engel "im Wartestand".

 

Nicht alle können so leben wie die "Vollkommenen", aber wenn einer die "Bonshommes" - wie die vollkommenen Katharer sich nannten - verehrt, ihren Segen (das "Melioramentum" /"Besserung") empfängt und ihre Predigten hört, kann er hoffen, dermaleinst zu ihnen zu gehören und erlöst zu werden. Lässt er sich auf dem Totenbett das "Consolamentum", die "Tröstung", die "Geisttaufe", von einem Vollkommenen geben, dann kehrt er erlöst in die Welt des Guten Gottes zurück.

 

Der Katharer braucht keine steinerne Kirche und auch nicht die Sakramente der katholischen Kirche. Er lehnt den Luxus, den Pomp, die Zeremonien dieser Kirche als nicht evangeliumsgemäß ab. Er zahlt auch - wenn es geht - keine Abgaben mehr an die katholische Kirche, was besonders den Adligen recht war.  

 

Es ist klar, dass die katholische Kirche sich im Tiefsten angegriffen fühlte, zum Kreuzzug aufrief und mit der Einrichtung der "Inquisition" die "Ketzer" aufspürte - das Wort "Ketzer" kommt von den "Katharern" (griech. die "Reinen", ein Ausdruck der Inquisition!).

 

Kreuzzüge, die Soldaten des französischen Königs und die Inquisition haben die Bewegung der Katarer und die Selbständigkeit Okzitaniens vernichtet. Es ist aber die Frage, ob eine Religion, die Welt und Körperlichkeit derart negativ bewertet, auf die Dauer eine Zukunft gehabt hätte.

 

Den Abschluss der Exkursion bildete die Fahrt auf enger Straße durch die Galamus-Schlucht. Riesig ragen die Kalk-Felsen auf, unendlich tief unten rauscht der Wildbach, dessen Werk das grandiose Naturschauspiel ist. Am Ende der aufregenden Fahrt wird man auf einem Parkplatz mit dem Blick auf die in den Felsen gebaute Einsiedelei Saint Antoine noch einmal belohnt. Man kann es gut verstehen, dass sich früher die Menschen, ehe sie durch die Schlucht zogen, in der Kapelle den himmlischen Beistand erbaten.

 

Es war eine lange Fahrt, die wir auf uns genommen hatten, doch die Corbières entschädigen mit reizvollen Landschaften und Dörfern, Sehenswürdigkeiten und Naturdenkmälern. 

 

 

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17.04.2015: "KUNSTREISE" - Begegnung mit moderner katalanischer Kunst: Fundació Perramon (Ventalló) und Fundació Cuixart (Palafrugell)

Ventalló – ein Ort mit Geschichte

 

Ventalló ist ein Dorf mit altertümlichen Steinhäusern, manche deutlich als Herrenhäuser aus dem 16. Jahrhundert erkennbar. Ein Bummel durch die Gassen scheint einen in vergangene Zeiten zu versetzen, zumal das Dorf wie ausgestorben wirkt. Kaum Verkehr, wenige Bewohner, meist ältere Menschen auf den Straßen - mit Ausnahme der Zeiten, wenn Autos zum Kindergarten am Ortseingang anrollen – wohl meist aus den umliegenden Ortschaften -und Eltern ihre Kinder abholen. Die teilweise schön renovierten Häuser mit geschlossenen Fensterläden deuten darauf hin, dass die jetzigen Besitzer nur am Wochenende kommen, aus Girona, Barcelona… Viel Landwirtschaft umgibt den Ort, vor allem die Ölbäume fallen auf. So finden wir auch Ölmühlen im Ort und das Dorf füllt sich, wenn das Ölfest im Herbst stattfindet. Die Landwirtschaft dürfte früher den Reichtum des Dorfes und der Grundbesitzer ausgemacht haben, die es sich leisten konnten, prächtige „Casas pairals“ – so der katalanische Ausdruck für alte Herrenhäuser – zu errichten. In der katalanischen Geschichte bekannte Familien residierten hier und beherrschten den Ort: die Requesens, die Caramanys und Perramons.

 

Aber immerhin: wir finden eine Orts-Bar, das Restaurant „El Teatret“, dessen Name darauf hinweist, dass es einmal ein Theater war. Und wir werfen einen Blick in die älteste Metzgerei Kataloniens mit ihren Schinken und Würsten. Hier sehen wir denn auch einige Einwohner beim Einkauf und Plausch. Natürlich ist so ein alter Ort auch mit manchen Erzählungen verbunden: so erinnern wir uns auf dem Kirchplatz und der Plaça Major an die „Gräfin von Molins“, jene sagenhafte Räuberhauptfrau, die Anfang des 19. Jahrhunderts ihren Unterschlupf auf der Burg Quermanço hatte und hier ihren treuen Begleiter und Verehrer beim Tanz fand, den „Gegant  von Ventalló“ ( ihre Geschichte kann man hier im „Blog“ unter „Legenden, Mythen, Erzählungen“ nachlesen). Wenn die Steine der Gassen und der Häuser reden könnten, würden sie noch manch andere Geschichte erzählen, die wir nicht kennen, das Brunnenhaus zum Beispiel…über dem Portal der Kirche redet eine Reliefbild: der Erzengel Michael kämpft gegen den „Drachen“, der die Züge des Teufels trägt.

 

Wir kommen an einer großen schlossartigen Masia mit Spuren einer Befestigung vorbei, Garten- und Mauer umgeben. Über einem Tor mit tiefen Rinnen in den Grundsteinen, die die einfahrenden Wagen hinterlassen haben, sehen wir ein Adelswappen: es ist das Wappen derer von Perramon. Es zeigt einen Zinnen bewehrten Turm, der sich sich über einem Steinberg erhebt, umgeben von vier Bäumen. Auf dem Turm steht ein Tier, das wir erst als Wolf oder Hund identifizieren, davon kommen wir aber auf Grund des Wappentieres auf dem Schild der „Fundació Perramon“ ab. Das Tier trägt eine Kugel  auf dem Rücken, die von einem Streifen durchkreuzt wird, darüber schwingt ein Arm eine Hellebarde. Das Wappenfeld wird von einem Ritterhelm bekrönt. Welche Geschichten mögen sich hinter diesem Wappen und seinen Zeichen verbergen?

 

Später finde ich m Internet finde etwas über Haus und Wappen heraus. Das Can Perramon geht wohl auf das Jahr 1587 zurück. 1573 ist ein Rafael Perramon als „Herr“ von Ventallo und Vallveralla dokumentiert, 1683 ein Joan Perramon, der mit Wolle handelt. Das Wappen wurde 1791 vom König Carlos IV. in Madrid dem „Ehrenbürger“ von Barcelona und Bürger Gironas, Don José Perramón, verliehen. Der Turm ist golden, der Hund – es handelt sich also doch um einen Hund - silbern, die „Weltkugel“ blau mit einem goldenen Streifen, Arm und Spieß silbern.

Ich meine, ich kann das Wappen nun deuten: Der Baum umstandene Wehrturm auf dem Berg weist auf die befestigte Casa Perramon als Landsitz hin, der Hund auf „Perra“, span. „Hündin“, und die Kugel auf seinem Rücken kommt von katalanisch „Món“ „Welt“. Die übrigen Zeichen weisen auf  die Wehrhaftigkeit und den Adelsstand der Familie hin, wahrscheinlich fanden sich unter ihnen Offiziere.

Don Carlos de Aguilera und der Maler Miguel Rasero (Quelle: Blog Claudi Puchades)
Don Carlos de Aguilera und der Maler Miguel Rasero (Quelle: Blog Claudi Puchades)

Fundació Perramon – eine repräsentative Sammlung moderner katalanischer Kunst

 

Hinter den Mauern wohnt Don Carlos de Aguilera y de Foncuberta, Graf von Fuenrubia. Der alte Herr war im Immobilien- und Kunsthandel tätig und ist ein großer Kunstfreund und –sammler. Auf seine Initiative geht die „Fundació Perramon“ zurück, eine „private Stiftung“, in der die Bildersammlungen des Grafen und eines Verwandten, des Geschäftsmannes Francisco Daurella, zusammengeführt wurden. Außerdem stifteten einige Künstler bzw. deren Angehörige Werke, die in ihren Depots lagerten. Auf dem Gelände des Grafen wurde ein modernes Museum mit einem Skulpturengarten errichtet und 2013 eröffnet. Die Sammlung umfasst Werke bekannter katalanischer Künstler mit Bezug zum Empordà, die ab den 60ziger Jahren entstanden. So hat das verschlafene Ventalló eine große Attraktion erhalten, denn Sammlung und Museum sind wirklich sehenswert. Zudem ist der Eintritt frei. (Info: www.fundacioperramondeventallo.com )

 

Am Eingang stoßen wir wieder auf das Wappen, das wir am alten Portal der Casa Perramon gesehen haben. Aber nun ist aus dem Hund ein Pferd geworden! (Vermutlich war Nachfahren von  José Perramón der Hund zu gewöhnlich und so hat man ihn mit dem ritterlichen Pferd vertauscht.)

 

Wir betreten ein Nebengebäude gleich hinter dem Eingang – ein älteres renoviertes Haus. Über der Tür steht „Espai Miguel Rasero“. Hier sind Bilder und Materialkunst des 1955 in Andalusien geborenen Malers versammelt, der heute in Barcelona lebt und arbeitet. Don Aguilera war sein Kunsthändler und scheint ihn besonders zu schätzen, sonst hätte er ihm ja keinen einen eigenen Raum zur Verfügung gestellt. Auch uns gefallen seine farbenfrohen Bilder: Stilleben, Tiere, Naturdarstellungen, Adaptionen von Werken früherer Maler, alles sehr eigenständig und unkonventionell verarbeitet, oft kollagenartig auf Papier vorgemalt, und dann in ein erweitertes Bild-Gefüge integriert. Durch Zerknitterung des Papiers bekommen die gemalten Figuren einen plastischen und verfremdeten Ausdruck.

Im Skulpturenhof und –garten bilden  Plastiken zusammen mit Natur und Architektur (meist) eine harmonische Einheit. Eine Plastik  Josep Maria Subirachs (1927-2014), des bedeutenden katalanischen Bildhauers, fällt uns besonders auf: eine Flucht von stilisierten grauen Gesichtern bzw. Köpfen auf einem schwarzen Sockel. Subirachs – sein bekanntestes Werk ist die „Passionswand“ an der Familia Sagrada in Barcelona – hat eine eigene Abteilung mit Bildern und Plastiken im Hauptgebäude des Museum  erhalten.

 

Auch der im Garten stehende, in abstrahierten Formen schwungvoll und elegant gestaltete Metallstier zieht unsere Augen auf sich. Besser gefällt uns aber die Stierplastik im Inneren: Der Matador mit seiner Capa und sein äußeres  Gegenüber - ein Frauenkopf mit ausgestreckter Hand - scheinen sich geradezu schützend über das menschengesichtige Tier und dessen Gegenüber, einen maskenhafter Stierkopf, zu beugen. Blickt man genauer hin, entdeckt man in dem verschlungenen Gemenge eine beziehungsreiche und spannungsvolle Mann-Frau-, Tier-Mensch- und vielleicht auch Kampf-Frieden-Symbolik. Ein Meisterwerk! Stiere – das ist ein Thema der spanischen Kunst – und es ist interessant, verschiedene Gestaltungen zu sehen.

Wir kommen in den Hauptausstellungsraum, ein weitläufiges Gebäude mit vielen Abteilungen. Gleich am Anfang Bilder von Modest Cuixart, dessen Haus und Werkstatt wir noch besuchen wollen, aus „informellen“ oder „abstrakten“ Phasen. Aber der Ausdruck „abstrakt“ für Bilder ohne naturalistische Abbildungen ist irreführend, denn diese Bilder wollen meist nicht von der grob sichtbaren Realität „abstrahieren“, sondern eine „andere“, emotionale, ideelle oder auch materielle „verborgene“ Realität zeigen, nicht abbildhaft, sondern zeichenhaft. 

So standen wir einige Zeitlang vor einem von Alfonso Alzamora 2006 gemalten Bild, das rote Farbfelder auf schwarzem Grund zeigt. Es trägt den Titel „Damero“ („Damespiel“). Auf den ersten Blick scheint es wenig Aussage kräftig zu sein, eine Variation der aus Amerika kommenden eintönigen „Farbfelder“-Malerei. Bei näherer Betrachtung fällt uns auf, die Farbfelder sind in Bewegung, und schließlich entdecken wir, im schwarzen Grund geheimnisvollen Inschriften. Das gibt doch zu denken! Was ist das Geheimnis dieses Spiels? Meint es das verdeckte „Spiel einer Dame“?

 

Doch nicht nur „informelle“ Bilder sind zu sehen und zu entschlüsseln. Es gibt ganz „realistisch“ gemalte Bilder, oder solche mit erkennbaren Figuren und Naturformen, aber hier in dieser Sammlung nie naiv, naturalistisch, sondern mit Stilmitteln der „modernen“ Kunst gestaltet, impressionistisch, expressionistisch, surrealistisch, symbolistisch oder comicartig.

Man kann auch gut die Übergänge von figürlicher Malerei zu abstrahierender Gestaltung bis hin zur „gegenstandsloser“ Malerei beobachten. Und schließlich gibt es Bildwerke, die wieder konkrete Gegenstände oder Figuren in ein Farbfeld integrieren. Die Kollektion  Perramon ist nicht nur eine repräsentative Sammlung moderner katalanisch-spanischer Kunst, sondern gibt auch Einblick in die Entwicklung der Kunst nach dem Zweiten Weltkrieg überhaupt. Nicht umsonst ist ein Teil der Künstler international bekannt und in vielen Sammlungen der Welt vertreten.

 

Blicke in die Ausstellungsräume und auf einige Bilder der Sammlung

Wir haben den Gang durch die Bilder unter der Aufgabenstellung gemacht, ein „Lieblingsbild“ oder ein besonders eindrückliches Werk zu finden und die Mit-Teilnehmer dann dahin zu führen. So haben wir einige Bilder intensiv betrachtet und uns über sie ausgetauscht. Dabei machten wir die Erfahrung, dass durch die wechselseitige Betrachtung und den Austausch darüber viel über Kunstwerke herausgefunden werden kann. Das Bild, das am meisten Aufmerksamkeit fand, ist hier abgebildet (Gino Rubert: Estrella por una noche - 2004 / "Stern für eine Nacht"):

Wir haben uns gefragt: was zeigt das Bild? Ein reales Vorkommnis mit  südamerikanischem Hintergrund (der Maler ist in Mexiko geboren!)? Oder einen Traum? Wird hier von den Nonnen eine Art inquisitorischer Verbrennung von männlichen „Abtrünnigen“ unter dem nächtlichen Sternenhimmel praktiziert?  Diesmal werden Männer verbrannt und nicht wie oft früher Frauen!? Aber sind es denn Nonnen? Die Frau, die auf dem Dach des in Kreuzform angelegten Hauses sitzt und den Vorgang absegnet, sicher. Aber die anderen: sie könnten auch Bardamen oder Hausfrauen sein, wenn auch in nonnenhafter Kleidung. Und die Gesichter der Männer sehen gar nicht verzweifelt aus. Sie brennen. Warum? Für die Frauen? Ein Bild über das Verhältnis von Frauen und Männern? „Frauenpower“? Zeigt es die Überlegenheit der Frauen angesichts der Begierde der Männer? Drückt es aus, was passiert kann, wenn Frauen sich zusammenschließen? Oder geschieht das alles im Namen "des Kreuzes", der Kirche, deren Moral sich die Frauen unterordnen?

 

Ein surrealistisches, aber realistisch gemaltes und vieldeutiges Bild!

Retro-Look in "La Bòbila", Corça

 

Von Ventalló aus machten wir uns auf den Weg nach Corça, in der Nähe von La Bisbal. Hier machten wir in La Bòbila Halt. Früher war das eine Ziegelei. Die Brennöfen stehen noch in den Hallen, aber in diesen werden keine Ziegel mehr gestapelt, sondern Antiquitäten, Mode. Möbel und andere Einrichtungsgegenstände im Retro-Look. Das meiste wird von der Designerin Miryam Quatrecasas aufgearbeitet – oft chic und stilvoll, aber nicht gerade billig. Das Restaurant, in dem wir einige Kleinigkeiten aßen, ist ansprechend gestaltet -Spezialität: Sushis – die Bedienung freundlich, die  Teller schön angerichtet, aber so richtig satt wurden wir von den Portionen nicht.

 

Für das hübsche, altertümliche Dörfchen Corça hatten wir keine Zeit, denn wir waren am Nachmittag in der „Fundació Cuixart“ in Palafrugell verabredet.

 

Es war nicht so ganz einfach, zum „Parquing Can Mario“ im Stadtzentrum zu finden. Während der größte Teil der Gruppe auf die noch nicht Angekommenen warteten, hatten die Wartenden die Gelegenheit, auf der großzügig angelegten „Plaça Can Mario“ einen Blick auf Plastiken des „Museums für zeitgenössische Skulpturen“, die ehemalige Korkfabrik (heute „Korkmuseum“) und ihren hoch aufragenden stählernen Wasserturm zu werfen. Wie wir später erfuhren, steht die Korkfabrik durchaus in der Verbindung mit der Fundació Cuixart. Die Korkfabrik wurde 1900/1901 von Joan Miquel Avellí (mit dem Beinamen „Mario“) und den Deutschen Enric Vinke Wischmeyer und Paul Meyer Unmack gegründet.

 

Der Meister neben seinem Bild "Marbrina" (2002)-Foto: El Mundo/EFE
Der Meister neben seinem Bild "Marbrina" (2002)-Foto: El Mundo/EFE

Besuch in Haus und Werkstatt Modest Cuixarts

 

Wir begeben uns in die nahe liegende Calle „Miquel Vincke i Meyer“, Nr. 12. Das ist der Sitz der privaten „Stiftung Cuixart“ – ein großes und hohes Jugendstilhaus. Wir werden aber nicht durch das große schmiedeeiserne Tor eingelassen – das ist immer verschlossen – sondern durch den „Hinterhofeingang“. Eine freundliche junge Frau empfängt uns – Sílvia Arnau. Auch ein junger Mann begrüßt mich als Leiter der Gruppe – unverkennbar ein Sohn Cuixarts, Joan.

Sílvia und ihr Mann Joan wohnen im Haus und verwalten das Erbe des Malers Modest Cuixart i Tàpies (1925-2007). Sie bringen Besuchern und Öffentlichkeit  das Werk Cuixarts und sein Umfeld nahe, veranstalten Führungen und Workshops für Maler, Kunststudenten, andere Interessierte und Schulklassen. Im großen Garten der Villa finden im Sommer Konzerte und Festivitäten statt (Information: www.fundaciocuixart.com).

 

Sílvia führt uns in das Haus. Auch im Inneren hat es die Merkmale des katalanischen Jugendstils, des Modernisme, bewahrt, bunt bemalte Glasscheiben, Verzierungen, Kacheln…

Wir betreten das Wohnzimmer, holzgetäfelte Wände, dunkle Eichenmöbel, die alte Einrichtung offenbar. Überall Bilder, Fotographien, Kunstgegenstände … Zeugnisse aus dem Leben Cuixarts. Auf den Fotographien sehen wir den Maler mit Zeitgenossen, den König, mit Künstlern, Schauspielern… eine große Fotografie zeigt eine schöne junge Frau, Victoria, seine zweite Frau. Cuixart muss ein sehr kontaktfreudiger Mensch gewesen sein, mit vielen Beziehungen und Freunden. Der gut aussehende und elegante Künstler liebte auch die Frauen und zog sie an.

 

Sílvia erzählt uns aus dem Leben des Malers. 1925 in Barcelona geboren, sollte er erst Medizin studieren. Er widmete sich dann aber ganz der Malerei. 1948 gründete er mit katalanischen Malern, Schriftstellern, Philosophen die Gruppe „Dau al Set“ („Würfel, der eine sieben zeigt“). Auch sein Maler-Cousin Antoni Tàpies ist dabei. Schon der ungewöhnliche Name zeigt an, dass die Künstler vom Surrealismus beeinflusst waren. Sílvia zeigt uns eine Sammelmappe der gleichnamigen Zeitschrift, die die Gruppe herausbrachte (mit katalanischen Texten!). Die Gruppe wendet sich gegen die Staatskunst und das eingeengte Denken im Spanien Francos und will Kreativität, Phantasie und Magie in Malerei und Poesie wieder beleben. Wir erinnern uns an eines der „magisch-informellen“ Bilder Cuixarts in der Fundació Perramon aus dem Jahre 1948 mit dem Titel „Dau al Set“, das deutlich von Klee und Max Ernst beeinflusst ist. Die Gruppe hatte großen Einfluss auf die Nachkriegsmalerei in Spanien und verschaffte der katalanischen Kunst wieder den Anschluss an die internationale Kunstentwicklung. 

 

Cuixart lebte zeitweilig in Paris, Lyon und Amerika, stellte in aller Welt aus (auch auf der Documenta in Kassel), ist in vielen großen Museen zu finden und erhielt internationale und nationale Preise. Es ist verwunderlich, dass er in Deutschland wenig bekannt ist und dort im Schatten seiner Landsleute Dalí, Miró und seines Vetters Antoni Tàpies steht.

 

1970 nimmt er seinen ständigen Wohnsitz in Palafrugell. Sílvia erzählte uns manche Anekdote aus seinem Leben. Eine davon war, wie er zu dem Haus in der Calle Miguel Vinke i Meyer kam. In einem Restaurant, in dem sich damals Künstler und Schauspieler trafen, sagte der Wirt dem wohnungssuchenden Cuixart und seiner Victoria, er wüsste eine geeignete Wohnung für sie, eben das ehemalige Haus des Fabrikanten Miquel. Die beiden sehen sich das Haus an. Auf den Lederstühlen entdecken sie die verschlungene Abkürzung M.V.M. (Miquel, Vinke i Meyer) – Sílvia zeigt auf einen Stuhl – und deuten sie als „Modest“ und „Victoria“ – dass gibt den Ausschlag, dass sie das Haus kaufen.

 

Sílvia führt uns in das Depot, in dem unvollendete Werke Cuixart lagern und dann in die „Werkstatt“ des Malers. Rings umher Tische, Bilder, Malutensilien…die Werkstatt ist noch so, wie der Maler sie benutzte. Eine große Rollstaffelei fällt uns auf – Cuixart hat die Konstruktion von Dali übernommen, in dessen Haus in Portligat sie zu finden ist. Auf der Staffelei ein Bild Victorias, wie sie jetzt, im Alter aussieht, Eindruck: eine starke Frau! Die Werkstatt ist auch nach ihr benannt. Sílvia packt eine Kartonschachtel aus. Auf ihr ein handschriftlicher Vermerk des Malers, dass hierin seine Pinsel aufbewahrt seien. Die Pinsel seien seine „Freunde“, die achtungsvoll behandelt werden sollen. Sein Wille war, dass sie würdig bestattet werden sollten. Dies unterblieb. Sílvia öffnet den „Schatz“. Da liegen sie, die Freunde des Künstlers, mit denen er gearbeitet hat, abgenutzt, mit Farbresten. Eine bewegende Szene! Während wir umherwandern und schauen, ertönt Jazz-Musik im Hintergrund – der Maler hat immer mit Musik gearbeitet.

 

Im anschließenden Raum sehen wir Bilder Cuixarts aus verschiedenen Epochen, Frauenbilder, informelle Gemälde, alle mit leuchtenden, manchmal dunklen Farben, ausdrucksstark, geheimnisvoll. Die Frauenbilder sind die Werke, mit denen Cuixart am bekanntesten geworden ist. Hier drückt sich aus, welche Anziehungskraft Frauen auf ihn hatten, aber auch mitunter eine anatomische, medizinische Perspektive, die ihm als angehenden Arzt wohl geblieben war. Sílvia ist anzumerken, dass sie die informellen Bilder für wichtiger hält. Sie versteht es, uns diese nahe zu bringen. Wir sehen Linien, Kreise, geometrische Formen, manchmal Figuren auf dem farbigen Grund…Cuixart war wissenschaftlich, philosophisch interessiert: will er den „Mikrokosmos“ sichtbar machen, verborgene, atomare, molekulare Strukturen der Realität, das „was die Welt (und das Leben) im Innersten zusammenhält“ und bewegt? Ein Video, in dem er seine Malweise und Kunsttheorie erklärt, bestätigt diese Vermutungen. Im Atelier sehen wir verschiedene Steinbrocken vulkanischen Ursprungs. Sie zeigen Formelemente und Strukturen, die in seinen Bildern wieder auftauchen.

 

Wir haben durch die Führung Sílvias einen sehr persönlichen Eindruck vom Leben und Werk Cuixarts erhalten. Wir konnten manches sehen und erfahren, was wohl nicht jeder Besuchergruppe mitgeteilt und gezeigt wird. Aber eben dies gehört zu den „Kulturspaziergängen“, dass den Teilnehmern besondere Einblicke und Einsichten eröffnet werden, die sonst nicht leicht zu finden sind. 

9.4.2015 - So erlebten wir die Zubereitung eines typischen Fischergerichtes: Suquet de Peix - Schaukochen im MARAM, L´Escala

Hier geht´s ins MARAM - Bilder zum Schaukochen unter dem Text
Hier geht´s ins MARAM - Bilder zum Schaukochen unter dem Text

Die zugelassene Zahl an Teilnehmern war erreicht. Erwartungsvoll saßen wir im Ausstellungsraum des MARAM. Das ist eine Einrichtung der „Confraria de Pescadors“, der Fischervereinigung im Fischereihafen von L´Escala. MARAM soll als „Interpretationszentrum“ der Öffentlichkeit die Welt der heimischen Fische und der Fischerei nahe bringen. Der Ausstellungsraum zeigt in Schautafeln die mediterrane Meeresfauna und die hiesigen Fischfangmethoden.

 

Unsere Blicke waren aber vorerst auf das gerichtet, was sich im Küchenraum vorne abspielte.

Dort war Françesc Prat beschäftigt, der Koch des Restaurants Mas Concas in Cinclaus. Auf der Küchenbar standen Schüsseln und die Zutaten für die Zubereitung der Mahlzeit.

 

In einem Gefäß lagen Anxovas, Sardellen. Kopf und Innereien waren entfernt, die Fische gereinigt worden und dann hatten sie drei Tagen in Essig gelegen, wie uns Senor Prat erklärte. Nun konnten sie geteilt und die Gräten leicht herausgezogen werden. Um die „Boquerones“ zu beträufeln, wurde eine Schale mit Olivenöl, gehackter Petersilie und zerkleinertem Knoblauch zubereitet. Das ergab die Vorspeise: pescado marinado, marinierte Boquerones.

 

Eine der Schüsseln auf dem Tisch war mit Gemüsebrühe gefüllt, eine kleinere mit „Picada“, einer Mischung von klein gehackten „Gewürzmitteln“: Tomaten, Knoblauch,  Zwiebeln, Petersilie usw.(Diese Picada wurde dann in Öl angebraten.) Eine große flache Kasserolle war innen mit Öl bedeckt. Weiter sahen wir einige Doraden, kleine Tintenfische, Kartoffeln, Paprikaschoten. Alles dies sollte der Zubereitung des Hauptgerichtes, eines „Suquets“ dienen.

 

Françesc Prat erklärte uns, dass diese Mahlzeit ein typisches Gericht der hiesigen Fischer sei, die sie auf dem Schiff zubereiten. Es gäbe sehr viele Variationen mit unterschiedlichen Zutaten. Dies erkläre auch unterschiedliche Preise in Restaurants. Sein Rezept sei einfach und preiswert, er habe es von seinem Großvater, der Fischer war, übenommen.  

 

Dann ging´s los. Die Kartoffeln wurden geschält, in Stücke geschnitten und sie begannen in der Kasserolle im Öl  zu garen. Die Gemüsebrühe und die Picada wurden zugefügt. Françesc Prat sagte uns, dass das Gericht ursprünglich nicht gesalzen, sondern mit Meerwasser aufgefüllt wurde. Das empfiehlt sich heute aus hygienischen Gründen nicht mehr, aber im Laden des MARAM gibt es gereinigtes Meerwasser zu kaufen. Und davon wurde etwas in die Kasserolle gegossen.  Inzwischen hackte der Koch die Doraden mit den Gräten in Scheiben. Er erklärte uns, dass die Gräten in den Fischstücken bleiben sollten, weil so der Geschmack intensiver ist. Doradenscheiben, Tintenfischstücke und Paprikateile wurden oben auf die Kartoffeln gelegt. Das ganze köchelte nun vor sich hin.

 

Nun wurde das Dessert angerichtet: Coulant de Chocolate. Dies besteht aus Eiern, Butter und Zucker, die miteinander geschlagen werden. Die Mischung wird mit Mehl und dann mit flüssiger Schokolade zu einer Masse verrührt. Der Teig wird in kleine Förmchen abgefüllt und gebacken. Das ergibt ein lockeres Gebäck, ähnlich wie Muffins.

 

Ich habe hier die Zubereitung der Speisen aufgeschrieben, soweit ich sie in Erinnerung habe.  Das ersetzt aber nicht genaue Rezepte: Einzelheiten, Mengen, Feinheiten, die uns der Koch mitteilte, gebe ich hier nicht wieder. Dieser Bericht soll ja nicht die Teilnahme an einem Zubereitungs-Kurs ersetzen!

 

Inzwischen war es Mittag geworden und eine Hafenführung stand an. Die freundliche Tànja aus dem Laden und dem Büro führte uns. Sie zeigte uns verschiedene Fischerschiffe und beschrieb die damit verbundenen Fischfangmethoden. Die Fischer in L´Escala benutzen keine großen Schleppnetze, mit denen nicht „selektiv“ und „nachhaltig“ gefischt wird. Sie arbeiten mit traditionellen und „schonenderen“ Methoden. Eine dieser „arts de pesca“ ist die „Palangre“, eine lange Leine mit Unterleinen, an denen viele Haken hängen. Sie wird allerdings in L´Escala kaum verwendet. Tanja zeigte uns eine kleine Barke, die für das „Tremall“ – Fischen verwendet wird. Dabei werden Stellnetze mit verschiedener Maschengrößen eingesetzt, die hintereinander im Wasser aufgestellt werden. Die Fische schwimmen durch ein Netz mit großen Maschen und verfangen sich dann in Netzen mit kleineren Maschen. Ein größeres Schiff arbeitet mit der „Teranyina“ – Methode. Es wird bei der nächtlichen Ausfahrt von kleinen Booten begleitet. Diese locken mit ihren Lampen Fische an, z. B. Sardinen. Der Schwarm wird dann mit einem großen Netz umstellt, das zugezogen wird. Die Fische werden mit einem kleineren Netzkorb aus dem großen Netz „geschöpft“ und gleich auf Eis und in Kisten gelegt. So kommen sie dann zur Versteigerung. Hier arbeitet man im Team, jeder hat seine Aufgabe, die auch unterschiedlich bezahlt wird.

 

Nach der Hafenführung war die Zeit zum Essen gekommen. Die Vorspeise, die marinierten Sardinen, wurden mit der Salsa übergossen, verteilt und mit Weißbrot genossen. So frisch schmeckten sie deutlich besser, als das, was man als „Boquerones“ in den meisten Restaurants bekommt. Das Suquet  mit seinem Fischgeschmack war herrlich würzig und mundete allen. Dazu ist es sättigend. Zum Suquet wurde Weißwein getrunken. Einen süßen Abschluss bildete das köstliche Schokoladengebäck.

 

Zum Abschluss erlebten wir noch die nachmittägliche Fischversteigerung im Hafen. Gegenüber der vormittäglichen Versteigerung ist das Angebot an Fischen gering. Aber es war doch interessant, die Fische zu sehen und auch, wie die Versteigerung vor sich geht. Diese läuft über Bildschirme, die das Fangschiff, die Fischart, den Kilopreis und den Käufer anzeigen. Der Auktionator gibt einen Preis vor und dann fällt dieser, bis der Zuschlag kommt (den kann man übrigens auch im Internet tätigen). Die Interessenten – vor allem Fischgroßhändler – hielten kleine Geräte in der Hand, mit denen sie den Zuschlag übermittelten. Die Fischer können den Verkauf stoppen, wenn der Preis des angebotenen Fangs zu sehr sinkt, was in unserem Beisein einmal bei einem großen Tintenfisch geschah.

Auffällig war, wie niedrig die Fischpreise hier gegenüber den Preisen in den Läden sind. Die Fischer bekommen für ihre harte Arbeit nur wenig und der Handel macht den großen Gewinn.

 

Es war  eine lohnende und interessante Veranstaltung. Sicher wird es bei einigen Teilnehmern demnächst Suquet und vielleicht auch noch das Drumherum geben. Möge alles gelingen! 

Schaukochen - Bilder können durch anklicken vergrößert werden

Hafenführung und Fischversteigerung