Donnerstag, den 05. November 2015: Moderne Kunst und romanische Malereien / Besuch in Cervià de Ter - Museu Raset und Priorat Santa Maria

Blick auf Cervià de Ter
Blick auf Cervià de Ter

Cervià de Ter - etwas abseits von Girona gelegen - birgt einige bemerkenswürdige Sehenswürdigkeiten, die einen Besuch des Ortes verdienen.

 

Bei schönstem Sonnenschein fuhren wir über die N II Richtung Girona. Vor Medinyà geht die Straße nach Cervià ab. Am Ortsausgang biegt man beim Schild "Ajuntament / Monestir" links ab und fährt gleich rechts weiter nach dem Weiler Raset. In Raset de Baix liegt unser erstes Ziel, das Museu Raset. Es befindet sich in einem schönen alten Herrenhaus. Wir parken im Vorgarten und bewundern erst einmal den Bau im Gotik-Renaissancestil. Wir haben erfahren, dass es hier neuere und moderne Kunst zu sehen gibt, und das interessiert uns. Die Begegnung mit Kunstwerken aus alter und neuerer Zeit ist immer wieder Ziel unserer Exkursionen

Das alte Adelshaus, das das Museo Raset beherbergt
Das alte Adelshaus, das das Museo Raset beherbergt

Die schweizerisch-holländische Familie Bueler-Bernard hat eine große Sammlung Bilder moderner katalanischer, spanischer und holländischer Maler zusammengetragen. Um einen Teil der Öffentlichkeit zugänglich zu machen, haben sie den alten Adelssitz in Raset erworben, restaurieren ihn und zeigen darin Bilder ihrer Sammlung.

 

Wir werden im großen Tor des Hauses von Hilde Bueler-Bernat, Tony Bueler und ihrer Tochter Sandrine - sie ist die Konservatorin der Sammlung - sehr freundlich empfangen.

 

Und nun geht es in die Ausstellungsräume. Herr Bueler führte uns.

 

Die derzeitige Ausstellung zeigt  im 20. Jahrhundert gemalte "Stillleben" (spanisch: Bodegón oder "Naturaleza muerta") holländischer und spanischer Maler. Dieses Bildgenre hat eine alte und große Tradition, vor allem in den Niederlanden und in Spanien. Die  Bilder zeigen Produkte der Natur, Früchte, Blumen...,aber auch von Menschen hergestellte Dinge, Vasen, Musikinstrumente.... Gelegentlich taucht ein Totenkopf, ein totes Tier oder ein anderes Symbol der Vergänglichkeit auf. Die Gegenstände sind - meist locker - thematisch zusammengestellt, etwa die Bestandteile eines opulenten Mahls (daher spanisch: Bodegón=Wein-/Speiselokal).  Die Objekte befinden sich im Zustand der Ruhe und Bewegungslosigkeit, wirken manchmal geradezu starr und "tot" (daher die Bezeichnung der Bildgattung in den romanischen Sprachen). Vordergründig scheinen die Bilder Natur- oder Gegenstandsstudien zu sein, hintergründig bilden die Bildelemente aber ein Ensemble voller Anspielungen, Allegorik und Symbolik. Oft wollen sie den Betrachter an die Vergänglichkeit des Lebens mahnen (lat. "Vanitas"). Wir kennen vor allem Stilleben aus der Barockzeit, der Blütezeit des Stilllebens Die Ausstellung im Museu Raset zeigt, dass diese Bildgattung auch im 20. Jahrhundert weiterlebt und weiterentwickelt wurde.

 

Herr Bueler verstand es, uns die Bilder nahe zu bringen. Auf den ersten Blick sahen wir farbenprächtige Blumenarrangements oder auch nur an Gefäße erinnernde Formen. Doch Herr Bueler öffnete uns die Augen für die Verschiedenheiten, die Komplexität, die Tiefe und Hintergründe der Kompositionen.

 

Am Anfang des 20.Jahrhunderts und der Ausstellung stehen Bilder, bei denen das Gegenständliche, die damit verbundenen Farben und Formen im Vordergrund stehen. Und doch wird hier eine Tendenz sichtbar, die moderne Stillleben von den traditionellen Malwerken dieses Genre unterscheidet. Dies ist eine Tendenz, die der einführende Text am Anfang der Räume als "Dematerialisierung" bezeichnet: das Naturalistische, Illusionistische, die Perspektive tritt zugunsten der Flächen, der Formen, der Farbqualitäten und anderer Sichtweisen zurück. Dies geht dann bis dahin, wo Gegenstände nur noch angedeutet sind oder sich ganz in "abstrakte" Formen auflösen und die Farbgebung symbolischen Charakter gewinnt. Damit transzendieren die Stillleben die gegenständliche Welt und weisen auf eine geistige, "metaphysische" und spirituelle Wirklichkeit hin. Herr Bueler fand in diesen Bildern seiner Sammlung die Stufen des mystischen Aufstieg zum Göttlichen wieder, was er uns eindrücklich und anschaulich darlegte. Dabei mag eine Rolle spielen, dass bei der Auswahl der Bilder Interessen des Kunstsammlers und die von Malern und Bildqualitäten zusammenkamen. 

 

Die Ausstellung ist entsprechend dieser Konzeption geordnet. Am Anfang finden wir Stillleben, die die Tendenz zur "Dematerialisierung" repräsentieren. Andere Bilder stehen unter dem Stichwort "Expressionistische Geste". Die Kompositionen orientieren sich an herkömmlichen Arrangements, Formen und Farben werden aber durch persönlichen, gefühlsbetonten Ausdruck verändert.

 

In den weiteren Räumen finden wir Bilder - und das sind wohl die bemerkenswertesten - die unter den Kennzeichen " Kontemplation" und "Visual Impact" zusammengefasst werden. Mit oft innovativen Techniken, ungewöhnlichen Zusammenstellungen oder nicht figurativen Formen gestalten Künstler meditative "Manifestationen der Stille".  Visueller Impact meint Bilder, die durch ihre kräftigen Farben und impulsive Strichführung einen geradezu halluzinatorischen Eindruck machen können.

 

In der Führung erlebten wir zwei Stunden. die volle Konzentration erforderten, doch auch spannend waren. Es war eine eindrückliche Begegnung mit Kunstwerken, aber auch mit der Person eines Kunstsammlers und -kenners, dem man die Liebe und Leidenschaft für  "seine" Bilder und seine Tätigkeit abspürte. Wir freuen uns, dass wir das erleben durften.  

 

Erholsamen Ausgleich schuf dann der Gang durch den Garten und andere Räume des Hauses, zu dem uns Frau Bueler-Bernhard einlud. Die Wiederherstellung des Gebäudes ist noch nicht beendet. So gibt es einen großen Saal im unteren Bereich, der ursprünglich wohl die Wirtschaftsräume umfasste. Hier sollen weitere Ausstellungräume und ein Café entstehen. 

 

Wie schieden mit dem Vorsatz, nächstes Jahr wieder zu kommen, wenn eine neue thematische Ausstellung eröffnet wird. 


Die Bilder werden durch Anklicken vergrößert und es erscheint eine Beschriftung

 

Der Ort Cervià de Ter besitzt einen historischen Ortskern. Hervorhebenswert sind  das romanische Benediktinerpriorat mit Kreuzgang, eine alte Mauer, mittelalterlich wirkende Häuser in engen Gassen und eine Burgruine.

Wir legten den Schwerpunkt der Begehung auf das Kloster , in dessen Kirche sich romanische Malereien befinden, die vor nicht langer Zeit entdeckt und restauriert wurden.

Hier führte uns Katja - ich hoffe, ich habe den Namen richtig in Erinnerung - eine junge Frau von den "Amics de Cervià Antic", sehr freundlich und kompetent. 

 

Der erstaunlich große Kirchenraum mit auffällig weitem Transsept (Querarm) ist sehr schön mit seinen großen Bögen und dem Spiel von Dunkelheit und Helligkeit. Seine gute Akustik wird für Konzerte genutzt und machte uns Lust zum Singen.

 

Auf der linken Seite vom Portal finden wir einen Sarkophag. Die Inschrift weist ihn als  letzte Ruhestätte der 1333 gestorbenen Gattin eines der Ortsherren von Cervià aus. Das Priorat Santa Maria de Cervià wurde 1053 von dem Ortsherren Silvi Llobet gestiftet, auch als Grablege für sich und seine Nachfahren.

 

Wir bewegen uns zum Altarraum. Wir finden die Malereien im Querraum der Kirche

 

Ursprünglich waren wohl die die ganze Absis, die Wände des Transsept und Teile der Kirche  ausgemalt. Leider haben sich nur Spuren und einige erkennbare Malereien  an der Süd- und Nordwand des Transsept und an einer Säule erhalten. Unsachgemäße frühere Restaurierungen und die Feuchtigkeit haben den größten Teil der Malereien zerstört. (Die Wappenfarben der Grafen von Barcelona an den Säulen werden später als die romanischen Fresken datiert.) Die Fresken wurden - soweit möglich - ab 2002 vom "Zentrum für Restauration..." der Generalitat (CRBMC) konserviert und renoviert.


Erkennbar sind rechts am Ende des südlichen Querarms Reste eine Kreuzigungsszene. An einem großen Kreuz hängt Jesus mit leidend geneigtem Haupt und extrem weit ausgebreiteten Armen. Über ihm Medaillons mit einer Männerfigur, die die Sonne repräsentiert und einer Frauengestalt, die den Mond bezeichnet. Rechts und links oben wird die Szene von zwei Engeln flankiert. Auffallend sind die harmonisch verteilten Farben, die noch durch die Beschädigungen wirken und die leidende expressive Haltung Jesu. Dies weist auf den Übergang von der Romanik zur Gotik hin. So kann diese Malerei auf die Wende vom 12. zum 13. Jahrhundert datiert werden.

 

Die Malereien an der gegenüberliegenden Seite des Transsept sind nur in Andeutungen erhalten. Feststellbar ist, dass es sich um eine Majestas-Darstellung handelt. Entweder ist Christus als Weltenherrscher (Pantokrator) in der Mandorla dargestellt oder Maria als Himmelskönigin.

 

Dann treten wir in den Kreuzgang ein. Deutlich ist der kleine alte Teil von den Erweiterungen unterscheidbar. Früher meditierten hier die Benediktinermönche. Heute können ihn die Mitarbeiter des Rathauses in ihren Ruhepausen aufsuchen. Die Räume des Rathauses befinden sich in der oberen Etage der den Kreuzgang umgebenden Gebäude.

 

Wir verlassen die Klosteranlagen und machen einen Spaziergang durch den Ort, der jetzt in der Mittagzeit völlig verlassen erscheint. Durch ein großes Tor gelangen wir in den alten Teil des Ortes. Wir durchwandern eine von hohen alten Häusern umstandene Gasse. An einem der Gebäude fällt uns über dem mit einer hölzernen Tür verschlossenen Portal ein Steinrelief auf. Es zeigt drei archaisch skulptierte Figuren in Brustansicht: links eine männliche Gestalt mit Rosenkranz, eine unbekleidete weibliche Figur in der Mitte und rechts eine bekleidete Frau mit Häubchen und einer Schlange in den Händen. Eine Steintafel mit Inschrift belehrt uns, dass es sich bei dem Haus um das alte, vom "Konsistorium", dem Rat, eingerichtete "Hospital" handelt. Wir deuten die Figuren so: in der Mitte eine Kranke, rechts eine medizinisch bewanderte Pflegerin, die sich um die körperliche Heilung sorgt und links ein Geistlicher, der um das Seelenheil der Insassen besorgt ist.

 

Am Ende der "Hospitalgasse" öffnet sich ein Platz, den rechts ein Turm bewacht: der "Uhrenturm". Von hier aus führen steile Gassen zur Burgruine hinauf. Wir verzichten auf den Aufstieg, da die Ruine wegen Instandsetzungsarbeiten gesperrt ist.  Von oben hätte man einen umfassenden Ausblick auf das Dorf und die grüne vom Ter durchflossene

Aue ehabt. Wir gehen noch einige Schritte weiter zu den noch vorhandenen Teilen der Mauer, die früher das Dorf umgab.

Nun drängt aber die Zeit. Wir sind zum Mittagessen im Restaurant Can Llado in Viladasens verabredet. Das Lokal scheint die große Attraktion in dem kleinen Ort zu sein. Der Parkhof ist ziemlich besetzt und wir finden nur mühsam Parkmöglichkeiten. Mit uns eilen eine Menge Leute zum Restaurant. Der Hauptspeisesaal ist voll besetzt. Aber wir sind angemeldet, und man öffnet uns einen Nebenraum, in dem dann auch noch eine zahlreiche spanisch-katalanische Geburtstagsgesellschaft untergebracht wird. Die Kellnerin ist freundlich und äußerst flink - sie legt Wert darauf, uns ihre Englischkenntnisse zu demonstrieren - und bald steht das Essen auf dem Tisch. Das Menü schmeckt wohl allen und ist zudem äußerst preiswert. Wir machen uns bei der Geburtstagsrunde beliebt, indem wir der Jubilarin ein Ständchen bringen: "Happy Birthday to you..." Das trägt uns ein Gläschen Sekt für jeden ein. Ein schöner Abschluss des Ausflugs!