Der erste Einsiedler war ein Deutscher - Geburtstagsfeier und Wallfahrt zur Kapelle Sant Onofre

Droben stehet die Kapelle,

Schauet still ins Tal hinab.

Drunten singt bei Wies´ und Quelle

Froh und hell der Hirtenknab´.


So hat Ludwig Uhland die Wurmlinger Kapelle unweit von Tübingen besungen. Die liebliche Kapelle ist für mich mit heimatlichen Gefühlen verbunden.

Der erste Vers des Gedichtes könnte auch für die abgebildete Kapelle gelten, obwohl die sie umgebene Landschaft und die Kapelle selbst anderen Charakter haben. Sie hat auch eigene Gedichte hervorgrufen:

 

Al replà d´una muntanya         Auf dem Absatz eines Gebirges

perfumada pels fruiters           vom Duft der Fruchtbäume um-

amb l´encis d´una fontana                                       geben  

rodejada de llorers,                 und dem Zauber einer Quelle, 

s´alça esbelta una Capella,      umstanden von Lorbeerbüschen

des de fa vuit centuries           erhebt sich eine Kapelle, 

veritable meravella                                          staunenswert,

afanys, de Fe i veluries.       -seit acht Jahrhunderten 

                                           wahrhaftig ein Wunder  

                                           menschlichen Strebens, des   

Amb el nom de Sant Onofre                     Glaubens und an Alter.

la vestiren els passats...        

                                            Mit dem Namen des Heiligen

                                            Onuphrius haben die Alten sie

                                                                          umkleidet.. 

 

Francisco Gallart Roure, Pfarrer von Palau Saverdera, 1936

 

Jeder, der in der Gegend von Roses lebt oder die Strassen nach Roses befahren hat, hat sie schon gesehen. Am steilen Berghang der Muntanya de Verdera, unterhalb der Burg San Salvador, über dem Dorf Palau Saverdera, auf einem Felsklotz leuchtet sie weiß herab. Viele wandern herauf und genießen von dort oben den Blick auf die Bucht von Roses, die Ebene des Empordà, den Kranz der der sie umgebenden Berge bis hin zu den Pyrenäen. Wenden sie den Blick nach oben, thronen auf steilem Fels die Reste der Burg. Von dort oben soll einst eine maurische Königin vor den christlichen Eroberern der Burg den Felsabsturz auf ihrem Pferd in die Tiefe gesprungen sein, Salt de la Reina Mora heißt der unerklimmbare Absturz. Auf dem Platz vor der Kapelle, auf den Mauerbänken, kann man in ihrem Schatten rasten. Den durstigen Wanderer erfrischt eine Quelle. An den Gartenanlagen unterhalb der Kapelle kann man erkennen, dass hier Menschen, dem felsigen Gelände Früchte abrangen. Einst lebten hier Einsiedler. Eine Überlieferung erzählt, dass der erste von ihnen, im 12. Jahrhundert, ein Deutscher war - doch davon später. Die heutige Kapelle läßt erkennen, dass sie aus späterer Zeit stammt, dem Stil nach aus dem 17. Jahrhundert. Meist sind die Besucher enttäuscht, dass sie keinen Blick in die Kapelle werfen können, denn sie ist heute verschlossen.

 

Doch jedes Jahr, zu Pfingsten, füllt sich der Vorplatz, die Kapelle und ihre angeschlossenen Wirtschafträume mit Menschen. Seit Jahrhunderten ziehen Menschen den steilen Weg aus Palau in einer "Romeria", in einer Wallfahrt, hinauf zum Heiligen, um für eine gute Ernte zu bitten.

 

Per pujar a la capella           Um zur Kapelle aufzusteigen

es passa per un cami           begeht man einen Weg

que n´està ple de ginesta    gesäumt mit Ginster, Zistrosen und

estepes i romani.                Rosmarin.       

 

En ser al mig de la plaça      Inmitten des Vorplatzes

quedes com encisa!             verharrst du, verzaubert!

en veura aquella planúria     du erblickst die Ebene

d´oliveres, vinyes i              bedeckt mit Olivenhainen, Wein- 

            camps de blat.       gärten und Weizenfeldern                                       

 

Ara tots dins l´eremita        Und nun in der Eremitenklause                a Sant Onofre venerar          - alle verehren den Heiligen

i demanem-li que ens doni                                Onuphrius

bones anyades i salut per     und bitten ihn, dass er uns gebe

                       treballar.    gute Ernten und Gesundheit für

                                                                    die Arbeit.

 

Heute hat die "Romeria" mehr den Charakter eines volktümlichen Festes der Palauencer, mit einem Gemeinschafts-Essen und Sardanes-Tanz. Aber eine Messe wird schon noch gefeiert.

 

Fortsetzung des Textes unter den Bildern . Wenn man die Bildergalerien anklickt, werden sie vergrößert und die Bildunterschrift erscheint

Dagmar und ich waren oft hier oben und lieben diesen Ort. Der Anblick auch dieser Kapelle löst bei mir so etwas wie heimatliche Gefühle aus. So kamen wir auf die Idee, meinen 74. Geburtstag hier zu feiern. Auf dem Rathaus in Palau Saverdera verspricht mir die freundliche Senyora Marissa am Montag, den 10. März, die Schlüssel auszuhändigen. Wir wollen die alte Fest- und Wallfahrts-Tradition aufnehmen und laden hiesige Freunde zu einem "Einsiedlerfrüstück" mit Andacht in der Kapelle ein. 

 

Der Sonntag, mein eigentlicher Geburtstag, ist mit Vorbereitungen gefüllt. Am Montag finden wir uns früh im Rathaus ein. Wir erhalten die Schlüssel und fahren über Vilajuïga die Bergstrasse Richtung Sant Pere de Rodes hinauf. In Mas Ventos biegen wir auf die holprige Piste nach der Kapelle ab, mit unserem Jeep kein Problem, obwohl die Achsen krachen. Teilweise gähnt ein Abgrund am Rande des manchmal engen

Weges.

 

An der Kapelle angekommen, laden wir aus. Wir öffnen die vielfach gesicherten Türen und betreten die Wirtschaftsräume, die sich an die Kapelle anschließen. Gleich am Anfang eine große Feuerstelle, dann die Küche mit Kamin, darunter ein Aufenthaltsraum mit Tisch, dahinter ein weiterer Raum, ursprünglich wohl der Schlafraum. Alles sehr urig, aber kalt. Hier lebten also die Einsiedler ihr einfaches Leben. Wir treten auf eine aus dem Felsen gehauene und ummauerte Terrasse heraus. Strahlender Sonnenschein und Wärme empfängt uns. Was haben wir für ein Glück mit dem Wetter! Senkrecht stürzt der Fels von der Terasse ab. Und was für ein toller Blick auf die Bucht von Roses und hoch hinauf auf den Mons Salvat.

 

Auf dem Tisch im Aufenthaltraum breitet Dagmar das ländliche Mahl aus: Kartoffel-Gemüsesuppe mit Einlage, ein riesiges selbst gebackenen Weissbrot, Hackbraten, Schinken, Wurst, Porréetorte, gekochte Eier, Oliven...Vi Negra, Rosat und Wasser stehen bereit. Zum Nachtisch gibt es Kaffee und einen leckeren Mandelkuchen. Kein Fastenmahl, aber heute gibt es ja auch ein Fest zu feiern!

 

11.00 Uhr und nun treffen die ersten Gäste ein. Unser "jüngstes" Paar ist von Palau aus hoch gewandert, die anderen haben in Mas Ventos geparkt und sind den leichteren Weg zu Kapelle gelaufen. Ins Schwitzen sind alle gekommen. Sie sind nun froh angelangt zu sein - wir sind ja alle nicht mehr die Jüngsten! Mit einem "Einsiedlertrunk" ( ein Glas Cava) und Tortilla-Spießchen werden die Ankommenden erfrischt.

Ankunft der ersten Gäste und "Pilger"

Ich habe mich derweil in eine Pilgerkutte geworfen und mache eine "Hausführung". Ein wenig darf vom Büfett stibitzt werden. Dann rufe ich zur "Erbauung mit Sant Onofre" in die Kapelle. Nach alter Pilgertradition erfolgt vor der leiblichen Speisung die geistliche, wenn auch nicht allzu streng (siehe vorher). Über dem Portal sehen wir eine Kachel mit dem Heiligen. Wir betreten den Raum, der nur von einer Rotunde in der Decke und einem Fenster an der Empore erhellt wird. Es ist sehr kalt. Auf den harten Bänken wird das schon zu einer asketischen Übung! In einer Nische hinter dem Altar empfängt uns Sant Onofre in Büßertracht, nur mit seinen Haaren bekleidet und mit dem ihm zugeschriebenen Insignien. Wir zünden die Kerzen an. Und dann wird von dem Heiligen erzählt, was ich in Erfahrung bringen konnte. Eine Betrachtung über den Weg der "Wüstenväter" zu Einkehr, Freiheit und Gottesnähe schließt sich an.

 

Erzählung und Predigt finden sich weiter unten.

 

Am Eingang erscheint Dagmar und mahnt mich, Schluß zu machen. Und nun - endlich - darf mit vollen Händen zugegriffen werden! Draußen auf der Terrasse findet jeder auf seinem Stuhl ein "Pilgersäckchen" mit der zum Essen nötigen Ausrüstung. Das "Pilgermahl" findet viel Anklang und Zuspruch und wird draußen bei strahlendem Sonnenschein und herrlichen Blick in die Umgebung verzehrt. Der Nachmittag vergeht unter angeregten Gesprächen schnell. Dann wird aufgeräumt und zusammengepackt, und wir "Pilger" machen uns wieder auf den Heimweg, von der Höhe ins Tal. Ein schöner Tag für mich und - wie uns versichert wird - auch für unsere Gäste.

 

Nach den Bildern geht´s mit der Predigt weiter!

 

 

Ikone mit Onophrios
Ikone mit Onophrios

 

Das Leben des Heiligen Onuphrius

 

Derzeit laufen in verschiedenen Ferseh-Programmen häufig Survival-Sendungen. Dagmar und ich schauen sie uns gerne an. Da begeben sich mutige Männer, und manchmal auch Frauen, in die Einsamkeit, in verlassene Gegenden, Wüsten, Urwälder, Gebirge, auf menschenleere Inseln. Sie schlagen sich mit wenigen Hilfsmitteln durch, leiden unter Hunger, Durst, Hitze, Regengüssen, sind von wilden Tieren, Schlangen, Insekten und Infektionen bedroht, Sie tun das alles, um in Extremsituationen ihre Stärke, Findigkeit und Durchhaltefähigkeit zu erproben. Wir bewundern das und manches kann man ja dabei auch lernen.

 

Der Heilige, dem diese Kapelle geweiht ist, Sant Onofre, war offenbar auch ein Survival-Künstler. Er übertraf sogar unsere Survival-Helden bei weitem, den er lebte nicht nur kurze Zeit allein in der Wüste unter großen Entbehrungen, sondern 60 oder 70 Jahre. Er hatte allerdings andere Motive als unsere Überlebens-Künstler, die ihn bewogen, in die Einsamkeit zu gehen und Entbehrungen auf sich zu nehmen.

 

Gehen wir in seine Zeit, in seine geographischen Verhältnisse zurück. Es ist das Ägypten des 4. nachchristlichen Jahrhunderts. Ägypten ist römische Provinz, wenn auch unter eigener Verwaltung – für die Römer ist das Land mit dem fruchtbaren Niltal und –delta die große Kornkammer. Von Alexandria aus laufen die Schiffe mit dem wertvollen Gut in andere Regionen des Reiches. Diejenigen, die davon profitieren, sind die griechischen Großgrundbesitzer. Die griechisch-römische Oberschicht lebt in Luxus, vor allem in der Metropole Alexandria, eine multikulturelle, multireligiöse, vielsprachige Stadt, in der die hellenistische Kultur blüht. Alexandria ist mit seinen Philosophenschulen, der riesigen Bibliothek, ein Zentrum der Gelehrsamkeit, auch der christlichen Theologie. Die einheimische Bevölkerung, die Kopten (= Ägypter) leben in Armut und Bedrückung. Die Ausbeutung durch die Großgrundbesitzer, die Zinslast, der Steuerdruck des Staates ist immens. Die schlecht bezahlten römischen Soldaten drangsalieren das Volk, Beduinen fallen immer wieder in das Land ein, Räuberbanden plündern Bauern aus.

 

Das Christentum hat seit langem in Ägypten Wurzeln geschlagen. Nach der Überlieferung hat der Evangelist Markus, Begleiter des Apostels Paulus, schon früh in Ägypten gewirkt. Nach den heftigen Verfolgungen unter Kaiser Diokletian kehrt unter Kaiser Konstantin Ruhe ein. Es gibt zwar noch Anhänger der ägyptischen und griechisch-römischen Religion, aber die Mehrheit der Kopten hat den christlichen Glauben mit der den Ägyptern eigenen religiösen Inbrunst aufgenommen. Das Bekenntnis zu dem einen Gott ersetzt die Vielgötterei, an die Stelle des Osiris tritt der Gottmensch Jesus Christus als Erlöser und Seelenführer. Unter Führung des Bischofs Athanasius wird Alexandria zeitweilig Mittelpunkt der christlichen Theologie, Brennpunkt der großen Auseinandersetzungen, der in den Reichkonzilien heftig verhandelten Auseinandersetzungen um die Person Christi.

 

Das Volk hält sich an ein einfaches, urchristliches, wörtlich-biblisches und asketisch bestimmte Christentum. Schon früh sind das Neue Testament und die Psalmen in das ägyptische (koptische) übersetzt worden. Durch Befolgung der urchristlichen Regeln und Lebensweise erhofft man, Sicherheit der Lebensführung, Vollkommenheit, Bestehen vor dem Richterstuhl Gottes und Eingang in das ewige Leben zu erlangen.

 

Es scheint fast eine Massenbewegung gewesen zu sein: junge, meist einfache Menschen, Männer, aber auch Frauen, ziehen in die Wüsten und bauen dort eine Alternativ-Szene auf. Nach alter biblischer Tradition sehen sie in der Wüste die Möglichkeit, zu Gott zu finden und ihre christlichen Ideale ungestört, unabgelenkt, konzentriert, in einem einfachen Leben, einzuüben und zu vervollkommen. Sie wollen das, was Jesus in der „Bergpredigt“ den Jüngern geboten hat, praktizieren und streben dem Wort Jesu nach: Ihr sollt vollkommen sein.

 

Die ersten klösterlichen Gemeinschaften und Siedlungen entstehen. Unter Leitung eines Apas (abbas), eines „geistlichen Vaters“, wie Antonius oder Pachomius, leben sie besitzlos, ehelos, unabhängig von familiären Bindungen, fastend, betend, psalmodierend in Hütten und Zelten (Kellions/Zellen). Schweigend gehen sie Tätigkeiten wie Körbeflechten und Seildrehen nach und kommen zu den Gottesdienstzeiten und Versammlungen zusammen. So suchen sie innere Einkehr, Ruhe, Freiheit und intensive Gottesnähe.

 

Manchen genügt dieses entbehrungsreiche Leben nicht. Sie ziehen als Einsiedler (Eremiten, Anachoreten) weiter in die Wüste, wohnen in Höhlen, Felsspalten oder verlassenen Gräbern, legen sich ein Gärtchen an und leben von Früchten und Kräutern. Sie kämpfen mit Anfechtungen und Versuchungen, die sie auf den Teufel und Dämonen zurückführen, in die sich die alten Götter verwandelt haben. Denn die Wüste ist der Raum Seths, des „bösen“, lebensfeindlichen Todesgottes und seiner Meute. Früher mied man die Wüstenzonen, nun stellt man sich ihren Herausforderungen in der Gewissheit des Sieges Christi über die „hindernden“ und feindlichen Mächte, im Vertrauen auf den Beistand und die Führung Gottes. Man greift aber auch auf die Seelenführung und den Rat bewährter „Väter“ zurück. Die Worte der „Wüstenväter“, die uns überliefert wurden, sind eine Quelle geistlicher Weisheit und Erfahrungen, auch heute noch lesens- und bedenkenswert.

 

In diesen Bereich gehört unser Onofre oder Onu(o)frius, wie er sonst genannt wird. Er hat sogar den Ehrennamen „Onufrius der Große“ erhalten. Eine der koptischen Erzählungen der „Altväter“ – geschrieben um 1000 - gibt Auskunft über sein Leben.

 

Gegen Ende des 4. Jahrhunderts zieht ein Mönch, vielleicht Abt, mit Namen Paphnutius aus seinem Kloster in der „Sketis“ (Wadi Natrun/ südwestlich vom Nildelta) in die Wüste. Er will dort die heroisch in der Einsamkeit kämpfenden Einsiedler kennen lernen und über sie seinen Brüdern berichten. Ohne Brot und Wasser wandert er tagelang in die innere Wüste. Er hat verschiedene Begegnungen mit Einsiedlern, deren Lebenserzählungen er wiedergibt. Wir erhalten hier Einblicke in das wechselvolle und durchaus nicht immer vollkommene Leben der Mönche und Einsiedler.

 

An einem Punkt der totalen Erschöpfung des Wanderers erscheint ein geheimnisvoller Mann, der ihn stärkt.

 

Höhepunkt und Mittelpunkt seines Berichtes ist die Begegnung mit einem in seinen Augen wahrhaft Heiligen: Er sieht in der Ferne eine schrecklich anzuschauende Gestalt, wie ein Tier über und über mit Haaren bedeckt, nur einen Lendenschurz von Blättern um den Leib. Paphnutius glaubt, ein Mann im Delirium komme auf ihn zu und flüchtet auf einen Berg. Da ruft ihn die ausgemergelte Gestalt an: „Komm herunter, Paphnutius, Freund Gottes, ich bin ein Mensch wie du und lebe in der Wüste wegen meiner Sünden.“ Paphnutius wirft sich vor ihm nieder, wird aufgerichtet und fragt ihn nach Namen und Geschichte.

 

Der Anachoret nennt sich „Onuphrios“ (griech. von ägyptisch: Wnn-nfr = das ewig gute Wesen - Beiname des Osiris) und lebt seit 60 Jahren hier, zieht mit den wilden Tieren durch die Berge und hat seither nie einen Menschen gesehen. Einst lebte er in einem Kloster, in dem die Brüder in Eintracht, Frieden und stiller Kontemplation unter Leitung eines engelgleichen Abtes zusammenlebten. Hier lernte er die „Regeln Gottes“ und hörte von Elia und Johannes, dem Täufer, die in der Wüste waren und in denen die Gotteskraft gewaltig lebte. So fragte er:

 

„Meine Väter! Sind diejenigen, die in der Wüste nicht leben, hervorragender als wir? Wir sehen uns jeden Tag, wir nehmen gemeinsam am Sakrament teil, wir haben zu essen und zu trinken, wir teilen alles und trösten uns gegenseitig. Aber die in der Wüste leiden Hunger und Durst, der böse Feind sucht sie zu Fall zu bringen. Aber sie verlassen sich ganz auf Gott und sein Versprechen im Psalm, dass er und seine Engel sie versorgen werde.“

 

So entstand in Onuphrios der Wunsch, es diesen Vollkommenen gleich zu tun. Er bricht aus seinem Kloster in die Wüste auf. Als er am Sinn seines Vorhabens zweifelt, bestärkt ihn eine Lichterscheinung und eine (innere) Stimme, die er als den Engel identifiziert, der ihm von Kindheit an zugeordnet ist. Dieser verspricht ihm, dass er in der Lage sein werde, seine Bestimmung zu erfüllen. Er trifft auf einen Einsiedler, der ihn als Schüler annimmt und im Anachoretendasein unterweist. Als dieser sieht, dass Onuphrius fähig ist, die Kämpfe in der Wüste zu bestehen, führt er ihn an einen Ort, wo Onuphrius bleiben soll, weil es der Ort ist, den Gott für ihn bestimmt hat. Eine Weile noch bleibt der Meister bei ihm, dann verlässt er ihn und Onuphrius sieht ihn erst auf dem Totenbett wieder und bei der Aufgabe, ihn zu bestatten.

 

Paphnutius befragt Onuphrius nach seinen Leiden. Onuphrius schildert seine Entbehrungen. Er bezeugt aber auch, dass ihm Gott, der seine Geduld und seine von Herzen kommenden asketischen Bemühungen sah, allabendlich einen Engel schickte, der ihm Brot brachte. Im übrigen lebt er von einem Palm-Baum, der jedes Jahr 12 Bündel mit Datteln trägt, für jeden Monat eines. Auch von den Kräutern der Wildnis ernährt er sich. Er führt es auf Gott zurück, dass sie ihm, wie in der Bibel verheißen, wie Honig schmeckten, denn „der Mensch lebt nicht vom Brot allein, sondern von einem jedem Wort, das aus dem Mund Gottes geht“.

 

Als kirchlich geprägter Gläubiger muss er auch den Priester und das heilige Abendmahl, nicht entbehren. Am Sabbat und Sonntag feiert mit ihm ein Engel die heilige Handlung. Wenn er niedergedrückt ist, wird er in den Himmel zu den „Heiligen“ entrückt, er findet sich getröstet in seinem Körper wieder und alle Leiden sind vergessen. Onuphrius belehrt seinen Besucher, dass dies alles denen widerfahren wird, die in der Einsamkeit solches ersehnen. Paphnutios fühlt sich bei diesen Erzählungen und Belehrungen an Leib und Seele gestärkt und dankt Onuphrius, dass er sein „heiliges Angesicht“ erblicken und seine „süßen Worte“ hören durfte.

 

Beide begeben sich zur Hütte des Einsiedlers. Dort verbringen sie betend und im Gespräch über die Größe Gottes die Zeit und dann die Nacht. Bei Sonnenuntergang finden sie einen Leib Brot und ein Gefäß mit Wasser vor. Erst nach starker Nötigung nimmt auch Onnuphrius etwas Wasser und Brot zu sich.

 

Am Morgen findet Paphnutios das Antlitz des Alten erschreckend verändert vor. Dieser spricht: „Fürchte dich nicht, Bruder in Gott, der Herr ruft mich zur ewigen Ruhe und dich hat er geschickt, um mich zu beerdigen“. Onuphrios hinterlässt Paphnutios ein Vermächtnis: Er soll die Erinnerung an den Heiligen wach halten und seinen Glaubensbrüdern von ihm berichten. Er werde nach seinem Heimgang in die himmlische Welt Fürbitte für alle die leisten, die sich seiner erinnern und ihn anrufen. Wer in seinem Namen ein „Opfer“ bringe, dem werde Jesus dazu verhelfen, in das ewige Leben einzugehen. Wer für ein Vermögensopfer zu arm sei, der solle einen Bedürftigen speisen. Wer auch dazu zu arm sei, der könne ein Weihrauchopfer in seinem Namen bringen. Wer aber auch hierfür keine Mittel aufbringen könne, der solle in seinem Namen drei Gebete sprechen.

 

Paphnutius drückt seine Überzeugung aus, dass Gott dem heiligen Mann keine Bitte abschlagen wird. Er will hier blieben und „die Arbeit“ des Einsiedlers fortsetzen. Der aber verweist ihm das; das sei nicht seine Bestimmung, er solle nach Ägypten zurückgehen und dort sein gutes Werk fortsetzen. Paphnutios erbittet den Segen des Sterbenden und erhält ihn. Der Alte erhebt sich, spricht unter „Seufzen und Tränen“ ein Gebet, legt sich dann nieder, gibt seinen Geist in die Hand Gottes und vollendet so seine „Dienerschaft“. Paphnutius hört bei seinem Tod Engel singen und spürt, dass große Freude im Himmel bei der Begegnung des „gesegneten Altvaters Onuphrius“ mit Gott herrscht. Er teilt sein Gewand und bestattet den Verstorbenen unter Gebet und weiterem Engelsgesang in einer Felsspalte. Die Palme, von der sich Onuphrius genährt hat, bricht zusammen, was Paphnutius als Zeichen nimmt, dass er hier nicht bleiben soll.

 

Wieder erscheint der geheimnisvolle Mann, diesmal in Begleitung von vier anderen. Es finden sich fünf frische Brote und weitere Speisen. Die Nacht wird unter Gebet und Gespräch verbracht und dann scheidet Paphnutios. Auch der geheimnisvolle Mann verwehrt ihm das Bleiben und verweist ihn an seine Bestimmung. Ihre Namen wollen die Männer nicht nennen: Gott wisse ihre Namen, er solle sich damit begnügen, sie im Gedächtnis zu behalten und im „Hause Gottes“ würden sie sich wieder sehen.

 

Paphnutius begegnet noch in einer paradiesischen Oase einer Schar junger Männer. Sie sind vornehmer Abstammung, haben die hellenistische Bildung durchlaufen und „alle Weisheit der Welt“ erlernt. Sie hätten aber beschlossen, ihre Heimatstadt zu verlassen und die „Gottesweisheit“ in der Einsamkeit zu lernen. Ein „heiliger Mann“ habe sie unterrichtet und nun gingen sie hier gemeinschaftlich und einzeln ihren spirituellen Bemühungen nach.

 

Am Ende seiner durchaus kunstvoll aufgebauten Erzählung kommt Paphnutius aus der Wüste heraus und schreibt seinen Bericht in einer klösterlichen Gemeinschaft nieder. „Du bist wahrhaftig eines großen Verdienstes würdig“ ist die Reaktion der Brüder.

 

Die Onuphrius–Legende kommt in den Westen

 

Die Onuphrius-Legende hat sich über den Orient verbreitet und wurde dabei weiter ausgeschmückt. So wird der Heilige überall da, wo sich Einsiedler niederließen, in Oberägypten, auf dem Sinai, in der Türkei, in Göreme, beheimatet und verehrt. Man erzählt, er sei – wie Buddha übrigens - ein Fürstensohn gewesen, der auf die Herrschaft verzichtet habe.

 

Bildlich wird er mit Attributen Haarkleid, Blätterlendenschurz, Krone, Kreuz, Krückstock, Büßerkette, Schriftrolle, Gebetsschnur, Engel, Kelch mit Hostie, Palme, Felsen/Berge/Höhle dargestellt. Manchmal mit einem Esel, weil sein Name an das griechische Wort für Esel anklingt.

 

Im Mittelalter verbreitete sich seine Verehrung auch im Westen Heinrich der Löwe erhält 1158 vom Papst eine Schädelreliquie, die er nach München bringt, später wird sie nach Braunschweig verbracht. So wird der Heilige der Patron Münchens, wo sich ein Denkmal und Abbilder von ihm finden.

 

Und von dort kommt Onuphrius zu unserem Ort in Katalonien! Ein Zettel an der Kapellenwand belehrt uns:

 

„Prinz Siegmund von Bayern, Erbe des königlichen Hauses der Wittelsbacher, dankt im 12. Jahrhundert von den politischen Geschäften und der Herrschaft ab und zog sich in diese Gegend zurück, nahe des Klosters Sant Pere des Rodes, unter dem Mont Salvat. An diesem Ort gründete er seine Eremitenklause, genannt Onofrio, nach dem Patron seiner Stadt München.

Der erste Heilige, der den Namen Onofrio trug, war ein abessinischer Prinz des IV. Jahrhunderts. Seine Reliquien wurden durch Heinrich den Löwen aus Afrika in deutsche Lande gebracht.

Hier in dieser Eremitage wurde der Bayer in der ganzen Umgebung verehrt wie ein Heiliger.“

 

Welche Überraschung für uns! Ob das nun Legende ist oder historische Tatsache: durch diese Verbindungen dürfen wir uns als Deutsche zu Recht hier ein wenig zu Hause fühlen!

 

Onuphrius wird von Menschen, die eremitische Neigungen haben, von Eremitenorden wie den Karthäusern, verehrt. Gelehrte Humanisten schätzten ihn wegen seines zurückgezogenen Lebens. Außer dem Bayern-Prinzen ließen sich in unserer Gegend auch andere Einsiedler - durch die Jahrhunderte hindurch - nieder, die ihn sich als Vorbild nahmen. So hieß das Cap Norfeu wohl ursprünglich Caput Onofreu. Die Anrufung des Onuphrius soll dank seiner Fürsprache zum „guten Leben“ verhelfen. So sagt man in München, wer sein Abbild morgens verehrt, wird an diesem Tag einen guten Tag haben und nicht sterben. Aber hauptsächlich verhilft er zum „guten“ Sterben und Eingang in das Leben bei Gott. Man kann ihn aber auch bei finanziellen und wirtschaftlichen Schwierigkeiten um Hilfe bitten. Für Bauern und Hirten schützt er das Vieh und die Ernte; witzigerweise ist er Patron der Weber.

 

Die „Wüstenväter“ als Wegweiser für uns?

 

Wir gedenken hier in seiner Kapelle seiner, wie er es dem Paphnutios auftrug. Aber was bringt uns das, außer der historischen Erinnerung? Für uns als weitgehend rational bestimmte Menschen erscheint uns seine Welt, seine Person fern, vollends, wenn wir evangelisch aufgewachsen und orientiert sind. Einer solchen von Gläubigkeit, Engeln und Wundern durchwalteten Welt gegenüber meldet sich Kritik. Und wer will schon so eremitisch und asketisch, so extrem leben? Wir haben, wenn überhaupt, andere Leitbilder und Ziele.

 

Aber es ist vielleicht kein Zufall, dass ich, wir, meinen Geburtstag hier feiern und uns mit Onufrius beschäftigen. Vielleicht kann uns der Ort und die hier verehrte Person – über das Historisch – Touristisch - Pittoreske – Festliche hinaus – zum Fragen und Nachdenken bringen. Ich gehöre als Theologe ja nicht zu denen, die ständig Antworten parat haben. Für mich ist wichtig, dass Religion Fragen und Nachdenken lebendig hält, in einer Welt der Äußerlichkeiten und Oberflächlichkeit. Ihr seid ja alle nicht fern von meinem Alter und da legt es sich nahe, über manches nachzudenken.

 

Ich sagte das Motto, unter der die „Wüstenväter“ antraten, war: Einkehr, Freiheit und Gottesnähe.

 

Einkehr. Ist es nicht spätestens in unserem Alter Zeit, einzukehren und sich zu fragen, was trägt denn eigentlich im Grunde mein Leben? Ist es die Erinnerung an meine Leistungen im früheren Leben, der Besitz, die Dinge und Aktivitäten, die ich mir jetzt im Alter leisten kann? Sind es Kinder, Enkel, Familie? Alles nicht schlecht, aber auch mit Unsicherheiten und Vergänglichkeit behaftet. Wird es im Laufe meines weiteren Älterwerdens Bestand haben? Bin ich in meinem bisherigen Leben dem nachgekommen, der ich eigentlich sein soll und was ich tun soll? Und was ist jetzt die Bestimmung meines Lebens, jetzt da deutlich zu sehen ist, dass ich nur begrenzte Zeit zur Verfügung haben werde? Wer in sich einkehrt, wird die richtigen Antworten und notwendigen Schritte finden. Man muss es dann aber auch wie die „Wüstenväter“ entschieden tun!

 

Freiheit. Bei der Beschäftigung mit den „Wüstenvätern“ kam mir so: Eigentlich müssen wir in unserem Alter gar nicht mehr in die „Wüste“ gehen, obwohl: hin und wieder so ein bisschen „Wüstenzeit“, die wir uns nehmen, kann auch gut sein. Also, uns wird doch vieles genommen, woran wir bisher hingen. Gesundheit, Kraft, Gedächtnis lassen nach, wir vertragen nicht mehr so viel, gesellschaftliche Achtung, Einfluss sinken, Beziehungen können versanden, Geld schmilzt dahin usw. Die „Wüste“ um uns und in uns nimmt zu, wir werden zum Verzicht gezwungen. Aber wenn ein Wüstenort bearbeitet wird, kann ein kleines Paradies daraus werden. Ist es nicht sinnvoll, wie die „Wüstenväter“ bewusst zu verzichten und frei zu werden? Statt sich an vergangene Dinge, vergangene Leistungen oder Versäumnisse, alten oder gegenwärtigen Ärger, Hass, Animositäten, Feindschaften, Strebungen, Fesselungen zu klammern, … loslassen, frei werden! Das Alte dahinten lassen, sich mit sich versöhnen, mit seinen Umständen und Mitmenschen, frei für die Gegenwart und was da ist zu sein, offen für neue Begegnungen und Erfahrungen, mit sich, Mitmenschen und der Umwelt. Dies im Vertrauen, das uns das Nötige schon gegeben wird, von der unerschöpflichen Quelle des sich immer wieder erneuerndes Lebens, die auch Gott genannt wird. Dann werden wir merken, wir brauchen viel weniger für ein erfülltes Leben, als wir meinen, haben und festhalten zu müssen.

 

Gottesnähe. Ich weiß, das Wort „Gott“ ist für viele belastet durch Erziehung, Erfahrungen und Vorstellungen. Aber ist es nicht eine Aufgabe im Alter, mit dieser Frage ins Reine zu kommen? Uns noch einmal auf die Suche nach dem Göttlichen zu machen, wenn es uns nicht geglückt ist, es in uns und um uns zu finden? Dazu die Erfahrung der Wüstenväter: um Gott zu finden, muss man sich ihm nähern, in der Ausrichtung des Wollens, des Fühlens, der Wahrnehmung, des Tuns, des Denkens. Hier ein Hinweis zum Bedenken und Meditieren:

 

„Es fragte einer den Apa Antonius, was er tun müsse, um Gott zu gefallen. Der Greis gab ihm folgende Antwort: Befolge, was ich dir auftrage! Wohin immer du gehst, habe überall Gott vor Augen. Was Du auch tust oder redest: Für alles suche ein Zeugnis in den Heiligen Schriften. Wenn du dich an einem Ort niederlässt, dann entferne dich nicht leicht. Diese drei Dinge beobachte und du wirst das Heil finden.“

 

Damit ist eine Orientierung, ein Weg gewiesen – aber es heißt ja in der Bibel: Wer sucht, der findet – und vielleicht wird er dabei gefunden!

 

Jusepe de Ribera (span. Barockmaler) Onuphrius, El Escorial
Jusepe de Ribera (span. Barockmaler) Onuphrius, El Escorial

Gebet

 

Gott

Quell des Lebens, das du immer wieder erneuerst

Auch in uns

Ich danke, dass wir hier meinen Geburtstag feiern können

Und eine schöne Zeit genießen

Wir danken für die Zeit, die uns bis hierher geschenkt wurde

Wir danken für all das Gute, was wir zeit unseres Lebens erfahren haben

Wir bitten, wandle das, was in unseren Augen nicht so gut war, in Gewinn, Gewinn an Erfahrung, Selbsterkenntnis, Wachstum, Reife

Wir bitten, wenn Du es uns gewähren willst, weitere Zeiten Der Gesundheit, Zufriedenheit, des Friedens

Und wenn es nicht so kommt, lass uns das in Geduld und Hoffnung ertragen

Lass uns das, was wir zum Leben brauchen, finden

Äußere und innere Gaben

Gewähre das allen Menschen, die dies ersehnen und erbitten

Wir bitten um Frieden und Gerechtigkeit für uns, das Land, in dem wir leben

Und alle Völker und Länder dieser Welt.

 

Lass uns mit deinem Diener Onuphrius, dessen wir hier gedenken,

Und all denen aus allen Zeiten, die auf dem Weg zu dir sind, in die Worte Jesu Christi einstimmen:

Dein Reich komme

Dein Wille geschehe

Wie im Himmel

So auf Erden.

Amen

 

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Kommentare: 1
  • #1

    Ingrid und Heinz (Dienstag, 18 März 2014 19:42)

    Schade, dass wir das jetzt erst lesen (gehört hatten wir davon!), dass dieser Tag Dein Geburtstag war, lieber Wolfram. Wenn auch verspätet, nimm unsere herzlichen Glück- und Gesundheitswünsche entgegen! So einen offensichtlich herrlichen Tag kann es nur einmal im Jahr geben! Wir wünschen Dir und Deiner Dagmar noch viele solcher gemeinsamen Tage!