Das größte Gemälde der katalanischen Malerei und eine alte Apotheke - Besuch im "Alten Hospital Santa Caterina" in Girona

Das riesige Gemälde (11,90x5,40 m) - lange verborgen - an seinem heutigen Platz
Das riesige Gemälde (11,90x5,40 m) - lange verborgen - an seinem heutigen Platz

Ein altes Gebäude modernisiert - heute Sitz einer Dependance der Generalitat

 

Wer länger hierzulande lebt und Girona besucht hat, kennt das große barocke Gebäude des Alten Hospitals Santa Caterina an der Plaça de Pompeu Fabra. Seit 2010 sind in ihm die Dienste der Generalitat für den Bereich Girona untergebracht. (Die „Generalitat“ ist die Regierung Kataloniens.). Das alte Gebäude wurde in einem langen Verfahren restauriert und neue moderne Teile für die Dienstellen der Generalitat angefügt.

 

Den modernen Teil haben viele Besucher kennen gelernt, sei es dass sie in der Buchhandlung der Generalitat waren, zur Polizei mussten oder sonst ein Anliegen an die Verwaltung hatten. Manch einer der Besucher hat auch in einen schönen Innenhof geblickt, der mit ockerfarbenen, mit Noucentisme-Ornamenten geschmückten Fassaden versehen ist und in dem große Magnolienbäume stehen. Im Hintergrund führt eine große Treppe zu einem weiten Barock-Portal hinauf. In den Hof kommt der Betrachter nicht, denn da versperrt ein Gatter den Zutritt und dass Unbefugte das Areal nicht betreten, dafür sorgen aufmerksame Wächter in einer Eingangsloge und zudem Videokamaras, die am Tor installiert sind.

 

Für uns „Kulturspaziergänger“ öffneten sich die verschlossenen Türen am 26.06.2014. Wir hatten die Gelegenheit, ins Innere des alten Hospitals zu blicken und einiges zu sehen, was sonst nicht ohne weiteres zugänglich ist.

 

Am Vormittag hatten wir die Ausstellung „ Ägyptische Mumien. Das Geheimnis des ewigen Lebens“ in der „Fontana d´Or“ besichtigt, eine interessante Ausstellung, in der freilich ohne spanische oder katalanische Sprachkenntnisse und fachkundige Erläuterungen vieles unverständlich bleiben wird. Dank einer früheren Tätigkeit des Leiters der Exkursion als Reiseleiter in Ägypten und der Sprachenkenntnisse der Teilnehmer gab es hier keine Schwierigkeiten. Wir erhielten einen anregenden Einblick in den Jenseitsglauben und Totenkult der alten Ägypter, der nicht ohne Auswirkungen auf das Christentum blieb.

 

Am Nachmittag empfing uns dann Filipo, ein Mitarbeiter des „Kunstmuseums“ von Girona, das für die Führungen in den historischen und für Besucher zugänglichen Teilen des Hospitals

 

Santa Caterina – ein Haus, in dem 350 Jahre geboren, gepflegt und gestorben wurde

 

In einem Ausstellungssaal wurde uns von der Geschichte des Hospitals erzählt. Es geht auf das 13. Jahrhundert zurück und wurde für Kranke und Pilger errichtet. Es war nicht das einzige Hospital in diesem vor den damaligen Mauern der Stadt liegenden Bereich, aber im Verlauf des Mittelalters entwickelte es sich zum bestausgestatteten und bedeutendsten.

 

Die Ausgrabungen beim Anlegen der Tiefgarage vor dem heutigen Hospital brachten die Grundrisse von Häusern des späteren Mittelalters zutage, in dem das alte Girona rechts vom Onyar-Fluss durch die Anlage eines neuen Teils der Stadt auf der anderen Seite des Flusses erweitert wurde. Heute noch heißt dieser Teil Gironas, der inzwischen von Gebäuden vor allem aus dem 19. Jahrhundert bedeckt ist, „Mercadal“. Das geht darauf zurück, dass im Mittelalter hier Handwerker, Händler und Gartenbesitzer lebten, die ihre Produkte an den Häusern „vermarkteten“. Ausstellungsstücke, wie Modelle, und Fundstücke, z. B. Keramiken, belegen diese Vorgänge.

 

1666 wurde das Hospital Santa Caterina an seinen heutigen Ort verlegt, weil man an seinem alten Ort Befestigungsanlagen anlegte. Ein neues großes Gebäude wurde im barocken Stil erbaut. Es diente bis 2004 als Krankenhaus für die Bewohner Gironas. Fotografien zeigen die Nutzung: Bett stand an Bett in großen Sälen, unterschiedslos für alle Klassen der Bevölkerung. Hier wurde geboren, gesund gepflegt und gestorben. Im Ausstellungsraum steht ein riesiger alter Schrank mit vielen Fächern. Er stand früher im Eingangsbereich des Hospitals. Ein Fach ist offen und birgt einige Rollen, „Patientenakten“ aus früheren Zeiten…

 

Wir durchschreiten den Magnolienhof. Einige Bäume tragen noch Blüten. Der weite Hof sorgte für einen angenehmen Empfang der Besucher der Patienten und gab diesen die Gelegenheit, sich zu erholen, wenn sie ihr Bett verlassen konnten.

 

Dann steigen wir die Treppe hinauf. Über dem Eingang erblicken wir die in die Wand gemalten Umrisse zweier Gestalten: eine weibliche Figur mit einem Rad darunter und eine männliche mit Pilgerhut und Muschel: Santa Katharina und Sant Jaume (Jakobus), die zwei himmlischen Patrone des Hospitals.

 

Katharina ist eine Märtyrerin aus Alexandrien, die anfangs des 4. Jahrhunderts enthauptet wurde. Die schöne und gebildete Jungfrau bezeugte vor dem römischen Kaiser unerschrocken ihren christlichen Glauben. Auch die Drohung, von vier gegenläufigen Rädern zerrissen zu werden, konnte sie nicht schrecken. Der Legende nach trugen Engel ihre Gebeine auf den Katharinenberg im Sinai. „Aus ihren Gebeinen fließt Öl ohne Unterlaß, das heilt die Glieder aller, die krank und schwach sind“, heißt es in der „Legenda Aurea“. So wurde sie zur Heiligen der Spitäler und sollte den Kranken Vorbild sein, ihr Leiden im christlichen Geist zu ertragen.

 

Wir kommen in den großen Empfangsraum des Hospitals. Die farbigen Kacheln an den Wänden blieben erhalten – Dekoration und hygienische Maßnahme. Am einen Ende des Saales befindet sich eine Glastür, an der der später unter Franco ermordete Präsident Kataloniens, Luis Companys, mit seiner Begleitung zu einem Krankenbesuch hereinkommt – auf einer großen Fotografie.

 

Das Riesengemälde „ El Gran Día de Girona“

 

(Quelle: Wikipedia /google Art)
(Quelle: Wikipedia /google Art)

Dann werden wir in die ehemalige Kapelle des Hospitals geführt. Heute die „Sala Josep Irla“, genannt nach dem Präsidenten des katalanischen Parlaments in der 2. Republik und späterem Exilpräsidenten Kataloniens. Der Raum wurde modernisiert, er wird als Vortrags, Konferenz und Konzertsaal genutzt. Am einem Ende des Saales befindet sich eine Bühne.

 

Doch was sofort alle Blicke auf sich zieht, ist das riesige Gemälde, das die der Eingangstür gegenüber liegende Wand bedeckt. Es ist 11, 90 m lang und 5,40 m hoch, bedeckt eine Fläche von über 64 m² und wiegt  ca. 70 kg.

 

Bewegte Szenen spielen sich auf dem Bild ab. Im Hintergrund unter dunklen Gewölk die Ruinen der Mauern Gironas. Über ihnen ragen die Türme der Kathedrale und der Kirche Sant Feliu auf. Rechts von der in Feuer und Dampf gehüllten Stadt Flusstal und die Berge hinter Girona, unberührt vom Geschehen, blau, das sich in den Himmel hinein fortsetzt. Links unter einem schwarzen Banner und einer Fahne mit den spanischen Farben drängen die bewaffneten Bürger Gironas heran, Männer und Frauen. Am Rande des Mittelpunktes wendet sich ihnen eine in blau-weiße Uniform gekleidete Gestalt zu. In unerschütterlicher Haltung und siegreicher Pose weist sein rechter Arm nach außen, wo fliehende Soldaten abziehen. Hinter ihm eine Gruppe von Soldaten, die auf die Fliehenden mit ihren Waffen zielen. Ein Mönch kniet vor ihnen und wendet sich einem Gefallenen zu. Unterhalb des Kommandanten, ganz zentral, beleuchtet, eine Frau mit roter Armbinde, sie hilft Verwundeten auf. Rechts von ihr eine Gruppe vor einem Felsen, eine Frau (oder junger Mann?) mit weißer Bluse und roter Kappe, zwei Männer in dunkler Tracht. Sie betrachten mit empor gehaltenen Waffen ruhig das Geschehen. Im Vordergrund Tote und Verwundete.

 

Das Bild beeindruckt nicht nur durch seine Ausmaße und viele Szenen, sondern auch durch seine Gestaltung: unterschiedliche Gruppen, einzelne und Massen, skizzierte und ausgeführte Personen, Bewegung und Ruhe, gefüllte und freie Räume, hell und dunkel, gegensätzliche und entsprechende Farben, Realismus und Phantasie ( nicht alles entspricht der Realität!) …

 

Das Bild stellt eine Episode der Belagerung Gironas durch die napoleonischen Truppen dar, den 19. September 1809, an dem die Bürger Gironas, katalanische Freiwillige und spanische Truppen einen Sturm-Angriff der Franzosen zurückschlugen, der „Große Tag von Girona“ – „El Gran Día de Girona“. Der Kommandant ist der General Alvarez de Castro, nach der Eroberung Gironas gefangen genommen und auf der Festung San Ferran in Figueres gestorben. Sein Grabmonument befindet sich in der Narcissus-Kapelle der Basilica Sant Feliu. Die Frauen sind die Mitglieder der „Kompanie Santa Barbara“ – auch sie haben ein Monument in derselben Kapelle und Kirche.

 

Der Maler des Bildes ist Ramon Marti Alsina (1826-1894),

geboren in Barcelona, ein bedeutender katalanischer Maler. Sonst ist er durch Landschafts- und Porträtmalerei bekannt geworden. In Paris lernte er den „romantischen Realismus“ und die Historienmalerei von Delacroix, Vernet und Courbet kennen.

 

Ihn muss der Ehrgeiz ergriffen haben, die großen Historiengemälde seines in Spanien und international erfolgreichen jüngeren Malerkollegen Marià Fortuny zu übertrumpfen (ab 1863: La Batalla de Tetuán). Nationale Geschichtsmalerei war en vogue! Auf den großen Nationalausstellungen winkte der Erfolg. So begann Alsina sein Riesengemälde 1864. Es beschäftigte ihn bis zu seinem Tode. Die Kosten – die er mit Hilfe eines Darlehens bewältigen wollte – ruinierten ihn wirtschaftlich. Nicht nur das Material, Schiffsleinwand, Farben, waren kostspielig, sondern auch die Modelle, die er brauchte, die Sammlung von Uniformen, Kleidung, Waffen (bis hin zu Geschützen), die er anlegte, die Miete der Werkstätten, ganz abgesehen von Vorbereitungen, Studien, Skizzen, Reisen und der Zeit, die das Werk verschlang. Auch der Verkauf von kleineren „Nebenbildern“ aus derselben Thematik rettete ihn nicht vor der wirtschaftlichen Misere, in der er am Ende seines Lebens stand.

 

Das Bild wurde von den Erben Alsinas durch einen privaten Kunstsammler erworben und 1929 der Stadt Barcelona übergeben. Es ging in die Bestände des „Museo Municipal de Bellas Artes“ und dann in des „Museo de Arte de Catalunya“ – heute „Nationales Kunstmuseum von Katalonien“ (MNAC) - in Barcelona ein. Wegen seiner Größe wurde es nur wenige Male öffentlich ausgestellt und lag 70 Jahre im Fundus.

 

Restauration des Bildes (Quelle: Generalitat de Catalunya / gencat.cat)
Restauration des Bildes (Quelle: Generalitat de Catalunya / gencat.cat)

Das Bild wurde durch die Bombardierungen im Bürgerkrieg schwer beschädigt. 2009/2010 wurde es in einer Werkstatt der Generalität in einem aufwendigen und kostspieligen Verfahren – mit finanzieller Hilfe der „Caixa Girona“ - restauriert und fand dann seinen heutigen Platz in der „Sala Irla“ der Generalitat. Das Interesse der Generalität ist verständlich: es handelt sich nicht nur um die Darstellung eines geschichtlichen Ereignises von nationaler Bedeutung, sondern auch um ein Zeugnis der nationalen Kunst Kataloniens.

 

Unser Führer Filipo bemüht sich sehr, uns das Werk nahe zu bringen, doch uns drängt es zur Apotheke, deren Besichtigung schon lange der Wunsch einiger von uns ist. Der Eingang zu ihr befindet sich links unterhalb vom großen Treppenaufgang.

 

Quelle: Generalitat... / gencat.cat
Quelle: Generalitat... / gencat.cat

Eine Apotheke der Naturheilmittel

 

Die Apotheke aus dem Ende des 17. Jahrhunderts präsentiert sich uns mit vielen dunklen Schränken an den Wänden und einem Übergabetisch am Ende des Raumes. In den Schränken befinden sich viele weiße Keramikgefäße (es sollen 350 sein), auf die in blau die lateinische Bezeichnung der Heilmittel aufgemalt ist. Es gibt aber auch kleinere braune Holzgefäße.

 

Die Medizinpflanzen kommen aus aller Welt. Auf der Decke fällt ein Gemälde auf, das eine nordafrikanische Landschaft mit Kamelen zeigt. Sonst zeigen die Deckengemälde (aus dem 19. Jahrhundert) Kräuter sammelnde und verarbeitende Frauen. unter großen Bäumen. Auch eine Büchersammlung und medizinische Instrumente aus früheren Zeiten sind ausgestellt.

 

Unsere Neugierde ist groß, zu gern würden wir in eine der Töpfe hinein schauen, aber ein weiblicher Zerberus, der uns begleitet, verhindert mit strengem Blick jede Berührung der Gegenstände.

 

Bei Besichtigung dieser Apotheke wird einem bewusst, dass die Medizin und Pharmazie bis ins 19. Jahrhundert hinein Naturheilkunde und Naturheilmittelzubereitung war. Sicher, der Heilung waren manche Grenzen gesetzt, aber es kann doch nicht sein, dass diese Heilweise und ihre Mittel nutzlos sind, wie manche Ärzte heute erklären.

 

An die Apotheke schließt sich das Laboratorium an. Hier wurden die Heilmittel zusammengestellt, in das richtige Verhältnis gebracht, gewogen, gemischt, portioniert, angerührt…Da war der Apotheker noch selbst kundiger Arzneimittelhersteller, nicht nur wie heute Verkäufer und allenfalls Berater. Die Diktatur und Übermacht der Pharmaindustrie gab es nicht.

 

So ist der Besuch in dem Alten Hospital Santa Caterina ein lohnender Ausflug in vergangene Zeiten, der zum Nachdenken anregen kann.

 

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