Nicht wenige der hier lebenden oder zu Besuch weilenden Deutschen fahren gerne in die Kooperative von Garriguella (nahe Figueres). Man kauft dort gut Wein und andere Produkte der hiesigen Landwirtschaft ein. Auch der angeschlossene Gastraum erfreut sich großer Beliebtheit, vor allem unter Franzosen, die hier fröhlich dem Wein und den Tapas zusprechen.
Ein fast vergessener Gedenkstein...
Doch kaum einer weiß, dass sich ganz in der Nähe 1939 ein Drama „dantesken“ Ausmaßes abspielte, wie ein Augenzeuge berichtet. Davon zeugt ein unscheinbarer Gedenkstein, den man links an der Straße zwischen den Orten Vilajuiga und Garriguella finden kann. Auf diesem Stein liest man:
„Hier fiel am 6.2.1939 im Kampf für ein nationales Spanien
Friedrich Windemuth. Geb. 27.5. 1915 in Leipzig.“
Der Stein wurde von Barbaren beschädigt. Das militärische Kreuz oben auf dem Monolith ist zerschlagen, die Stirnseite mit schwarzen Längsstrichen besudelt worden. Wie es heißt, soll eine radikale Gruppe den Stein als „faschistisches Denkmal“ auf eine Liste zu beseitigender Monumente gesetzt haben. Dabei ist der Stein ein wichtiges Zeugnis, das die Erinnerung an Geschehnisse wach hält, die nicht vergessen werden sollten.
Der letzte Flugplatz der Republikaner
Was hat es mit dem Stein auf sich? In einiger Distanz von dem Stein, da wo sich heute Weinfelder befinden, hatte die republikanische Armee in den letzten Zeiten ihres Kampfes gegen die anrückenden Truppen Francos und ihre deutschen und italienischen Unterstützer einen Flugplatz - mit einer Landebahn - errichtet. (Das dazu nötige Land wurde enteignet.) Noch heute kann man die dazu gehörigen Unterstände in den Feldern und bei zwei Bauernhöfen finden. ( Die Häuser wurden als Unterkünfte verwendet.)
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Den republikanischen Truppen war nach der Eroberung Barcelonas durch die Truppen Francos nur noch ein schmaler Streifen im Empordà geblieben, wohin sie sich zurückgezogen hatten.
Am 5.2. 1939 hatte die italienische „Aviazione Legionaria“ Stadt und Flugplatz in Figueres (zwischen Cabanes und Vilabertran) bombardiert. Ein spanischer Überläufer hatte den faschistischen Truppen die Rückzugsorte der republikanischen Flugzeuge verraten.
Die Bombardierung
Die Reste der Luftflotte sammelte sich in Vilajuiga. Es waren 30 bis 35 Maschinen, meist Jagdflugzeuge des Typs Polykarpov I-15, genannt „Chato“ (=Stumpfnase) und I-16, „Mosca“ (=Fliege), von den Gegnern „Ratas“ („Ratten“) genannt. Die Flugzeuge, offene „Doppeldecker“, waren in Russland entwickelt worden.
Man erwartete weitere Flugzeuge auf dem Flugplatz.
Am Morgen des 6.2. machten sich die Piloten zum Abflug ins französische Exil bereit. Ein Großteil der Mechaniker und medizinischen Kräfte hatten den Flugplatz schon Richtung Frankreich verlassen. Die Bewaffnung der Flugzeuge war zum Teil entfernt worden. Viele der Piloten saßen bereits in ihren Kabinen. Der Kommandant der Truppen war dabei, die Maschinen eigenhändig aufzutanken. Leichte Nebelfelder behinderten die Sicht.
Da tauchten am Horizont, vom Meer, von Roses kommend, am Horizont Flugzeuge auf.
„Sind es die erwarteten Moscas? Nein, es sind „Messers"!"
6 oder 9 - die Angaben schwanken - „Messerschmitt Bf 109 E1 / E3“ waren im Anflug, wohl aus Barcelona (Sabadell?) kommend. Es waren Jäger des Geschwader J/88 der „Legion Condor“, jener Freiwilligentruppe der deutschen Wehrmacht, die entscheidend dazu beigetragen hat, dass Franco die republikanischen Kräfte besiegen konnte. Diese geschlossenen Tiefdecker-Flugzeuge waren den Chatos und Moscas technisch überlegen und schneller als die Chatos. Die Jagdflugzeuge wurden von einem Aufklärungsflugzeug begleitet, einer Dornier 17, die das Geschehen fotografierte.
Binnen kurzem waren die deutschen Jäger über dem Flugplatz und beschossen im Tiefflug die dort am Boden befindlichen Fluggeräte der Republikaner. Ein Inferno entstand. In die Unterstände flüchtende Mannschaften, die ohne viel Erfolg mit Pistolen auf die angreifenden „Messers“ schossen, schreiende Verwundete, tote und verletzte Piloten in den Kabinen, explodierende, brennende, rauchende Flugzeuge.
Nach den Tagebuchaufzeichnungen Wolframs von Richthofen, des Chefs der Legion Condor, wurden 31 „rote“ Jäger zerstört.
Nur vier republikanischen Flugzeugen gelang der Aufstieg und nur zweien die Flucht nach Frankreich. Zwei Flugzeuge der Deutschen zerschellten am Boden, wohl abgeschossen. Ob im Luftkampf, durch Schüsse vom Boden aus, oder durch – wie in einem Fall – gewagte Manöver, ist umstritten. Nach deutschen Aufzeichnungen ist der Pilot Friedrich Windemuth abgeschossen worden und umgekommen, wohl im Flugzeug verbrannt. Nach spanischen Augenzeugen ein weiterer Pilot, Hans Nirminger. Nach spanischen Aussagen wurde er schwer verletzt am Boden erschossen.
Die Flugzeuge Windemuths und Nirmingers trugen die Kennnummern 6-98 und 6-96. Von einer in zwei Teilen zerbrochenen Messerschmitt mit der Nr. 6-98 existiert eine Fotografie (wohl mit deutschen Uniformierten), wobei diese Aufnahme manche Fragen aufwirft. (Es wird in den Berichten von keiner zerbrochenen Messerschmitt berichtet. Der Ort des zerbrochenen Flugzeuges stimmt auch nicht mit der mutmaßlichen Absturzstelle Windemuths - bei seinem Stein - überein.)
Bild unter: Falcon´s Messerschmitt Bf109 Hangar, Foto ID 4134
José Falcós Bericht
Die Berichte über „den letzten Luftkampf“ des Bürgerkrieges sind unterschiedlich und widersprüchlich. Alle Aussagen sind aus der Erinnerung und - bis auf einen deutschen Bericht - viel später gemacht worden.
Am verbreitetsten ist die Version eines „Asses“ der republikanischen Luftwaffe, José Falcó, genannt „el Murciélago“, die „Fledermaus“, nach einem Emblem auf seinen Flugzeugen. Zum Zeitpunkt des Angriffes auf den Flugplatz Vilajuiga war er 22 Jahre alt, Leutnant und Kommandant des Nachtschwadrons der republikanischen Flieger. Er starb im Alter von 97 Jahren vor kurzem in Toulouse.
In einem Interview mit der Zeitung „La Vanguardia“ (8.2.2009) und einer Biographie (nicht von ihm geschrieben) schildert er die Vorkommnisse folgendermaßen:
Ohne Befehle abzuwarten, hatte er beim Nahen der deutschen Flugzeuge seine „Chato“ bestiegen und war gestartet. Er wandte sich den Messerschmitts entgegen. Nach einem heftigen Schusswechsel hatte er die Gewissheit, einen der Jäger „erledigt“ zu haben („haber dado a uno de los pilotos“). Er wandte sich Richtung Frankreich, da sah er wie eines der deutschen Flugzeuge einen republikanischen „Grumman“ bedrängte. Dieser war unbewaffnet und schon fast zu Boden gegangen. Falcó wendete und heftete sich an den Schwanz des gegnerischen Flugzeugs – der wohl sein Kommen nicht bemerkt hatte - und hörte nicht auf zu feuern, bis er es diesem „gegeben“ hatte. Er konnte aber seinen Fliegerkameraden nicht mehr retten. Dessen Flugzeug war zu Boden gegangen und in Brand geraten.
Falcó hatte sein Flugzeug hochreißen müssen, um einen Zusammenstoß mit dem Gegner zu vermeiden. Dadurch war die Treibstoffzufuhr unterbrochen worden und er musste in einem Feld zwischen Pau und Palau Saverdera notlanden. Von dort aus schlug er sich zum Flugplatz durch, den er nach mehreren Stunden erreichte. Er fand ihn verlassen und mit rauchenden Trümmern vor. Ein deutsches Flugzeug lag auf dem Boden. Falcó fand darin den Fallschirm mit der Fallschirmkarte, Notapotheke, Tasche und die Papiere des Fliegers. Sie lauteten auf den Namen: Hans Nirminger. Fallschirmkarte, Tasche und Papiere händigte er später seinem Vorgesetzten aus. Es existiert ein Foto der Fallschirmkarte mit dem beigefügten Namenszug „Nirminger“. (Ob die Fallschirmkarte wirklich Nirminger zuzurechnen ist, wurde aber bestritten.).
Falcó ist der Auffassung, dass er mit dem ersten Flugzeug Windemuth abgeschossen hat, mit dem zweiten Nirminger. Seinen Nachforschungen zufolge wurde der Leichnam Nirmingers von Unbekannten aus dem Flugzeug geholt und auf dem Friedhof in Vilajuiga in einer Nische bestattet, ohne Namensangabe. Er will erfahren haben, dass der verwundete Nirminger von Antonio Arias, dem Chef des 4. Mosca-Schwadrons mit einem Kopfschuss getötet wurde, aus „Euthanasie“ wie er wohlmeinend hinzufügte. Ein anderer Augenzeuge berichtet, man habe Nirminger zum Tode „verurteilt“.
Als die Deutschen später kamen, hätten sich die Leute aus Vilajuiga aus Angst vor Repressalien nicht getraut, über Nirminger Auskunft zu geben. So blieb für die Deutschen das Schicksal Nirmingers offen.
Falcó wurde in den französischen Konzentrationslagern für die Republikaner in Boulou/ Argéles und Gurs interniert. Von dort aus gelang ihm die Flucht nach Oran/Algerien. Aus Oran musste er wegen des antifranzösischen Aufstandes wieder fliehen. Bis zu seinem Tode wohnte er in Toulouse.
1963 wagte er sich wieder nach Spanien und suchte nach den Spuren des Luftkampfes. Ein Bauer machte ihn auf den Stein für Windemuth aufmerksam. Nun sah er Namen und Alter des Abgeschossenen. Er stellte fest, dass dieser seinerzeit nahezu dasselbe Alter hatte wie er.
„Wir begegneten uns von Angesicht zu Angesicht, er starb, doch das hätte auch ich sein können.“
Von da an besuchte er in Abständen das Erinnerungmal, säuberte es und legte Blumen nieder.
Der Besitzer der Weinfelder, Sohn eines „roten“ Kommisars, pflanzte eine Zypresse neben der Stätte. Dessen Vater war 5 Jahre in franquistischer Haft gewesen und wollte, dass der Stein beseitigt werde:
„Ich verhinderte es. Es ist kein faschistisches Denkmal, sondern der Stein eines im Kriege gefallenen Soldaten. Wir Roten haben Beweise geliefert, dass wir keine Revanchisten sind, sondern die Versöhnung wollen.“
Lange meinte man, Nazis oder Nationale hätten die Blumen niedergelegt. Bis Falcó 2009 bekannte, dass er es gewesen sei.
Andere Berichte
José Maria Bravo, zweiter Chef der Esquadrilla der Moscas, schildert den Tod eines der abgeschossenen Deutschen (auch in der La Vanguardia vom 8.2.2009), wobei er nicht weiß, ob es sich um Windemuth oder Nirminger handelte. Bringt man die Schilderung mit dem Bericht Falcós zusammen, müsste es sich um Nirminger gehandelt haben.
Demnach zogen die deutschen Jäger bis auf einen ab. Dieser feuerte weiter, „machte sich lustig“ mit Loopings und allerlei Kapriolen. Sei es nun, dass Falcó oder ein Bodenschuss ihn getroffen hatte oder aus Fehlberechnung; er berührte mit „dem Bauch“ den Boden und blieb liegen. Der Motor hatte sich nach vorne geschoben und die Beine des Piloten eingeklemmt oder „sektioniert“. Nach dieser Schilderung wäre also Nirminger - wenn er der Pilot war - durch Leichtsinn und Überheblichkeit zum Absturz gekommen.
Nach Bravo – der Deutsch verstand – habe der Pilot gebeten: „Holt mich aus der Maschine oder erschießt mich!“ („Sacadme del aparato o pegatme un tiro!“). Andere Zeugen haben nur Unverständliches gehört. Man versuchte den Verblutenden aus dem Flugzeug zu ziehen, was nicht gelang. Da man in dem Chaos anderes zu tun hatte, als ihn zu retten, und es auch keine medizinische Hilfskräfte gab, beließ man ihn im Flugzeug. Schließlich erschoss ihn „einer“ – so Bravo, der bestreitet, dass es Arias war.
Offenbar forderte später das Franco-Spanien die Auslieferung von Arias und anderen Beteiligten aus dem französischen Exil, weil sie den „letzten Deutschen“ der Legion Condor getötet hätten. Der nach Russland geflüchtete Bravo wurde in Abwesenheit zum Tode, seine Mutter zu 5 Jahre Gefängnis verurteilt.
Dass Falcó zwei Messerschmitt abgeschossen habe, wird von manchen, selbst von republikanischen Augenzeugen, bestritten. Die vereinzelte Aussage, dass keines der republikanischen Flugzeuge bei dem Überraschungsangriff in der Luft gewesen sei, Falcó später gestartet sei und selbst abgeschossen wurde, ist als tendenziös zu werten und bei Prüfung aller Berichte unwahrscheinlich. Falcó ist nach seinen Angaben vor der Ankunft der deutschen Flieger aufgestiegen und man mag das in dem Wirrwarr gar nicht bemerkt haben.
Andere haben bezweifelt, dass es Falcó möglich gewesen sei mit seiner veralteten Chato zwei der viel schnelleren Messerschmitt zu erreichen und diese abzuschießen. Demgegenüber ist zu sagen, dass Abschüsse von tatsächlich viel moderner konstruierten und ausgerüsteten Messerschmitt Bf 109 durch die sehr wendige Polykarpov-Maschine belegt sind. Falcó war trotz seiner jungen Jahre ein trainierter und erfolgreicher Jagdflieger mit mehreren Abschüssen. Die Unteroffiziere Windemuth und Nirminger scheinen weniger erfahrene Kampflieger gewesen sein. Die deutschen Unterlagen schreiben ihnen jeweils einen Luftsieg zu, wobei wohl Abschüsse in Vilajuiga gemeint sind. Bei den Diskussionen um diese Fragen ist bei republikanischen Fliegerkollegen Falcós Missgunst und bei anderen ein politischer, d.h. national-franquistischer Hintergrund spürbar.
Der Abschuss und Tod Windemuths wird auch in den deutschen Aufzeichnungen bestätigt (in einer nicht offiziellen Personalliste im „Lexikon der Wehrmacht“ taucht er - irrtümlich? - als „Heinrich“ Windemuth auf!). Nicht hingegen der Tod Nirmingers in Viljuiga.
In einem etwas wirren und lückenhaften Bericht über die Aktion, der in (späterer?) spanischer Übersetzung vorliegt (im Archiv des spanischen Verteidigungsministeriums), wird von einer brennenden „Me“ berichtet, wobei der Berichterstatter annimmt, dass es das Flugzeug Windemuths gewesen sei ( er wird „W…“ genannt). Vorher habe dieser „Ratas“ attackiert und sich einen „blutigen“ Kampf geliefert (ein indirekter Hinweis auf Falcós Aktion?), der mit einem Abschuss endete (wohl die erwähnte „Grumman“). „W… wird als Einzelgänger und „wagemutig“ bezeichnet („hombre emprenador“). Er habe es wohl zu weit getrieben („lo fuera demasiado“). „ So brillant das Ergebnis ist, es fehlt nun einer der unsrigen, der nicht zurückgekehrt ist."
Hier der Bericht ( Quelle: www.network54.com/). Unterstreichungen nicht Original.
Inzwischen habe ich den deutschen Originalbericht gefunden - dank der Vermittlung eines Freundes und "Kulturspaziergängers". Er ist in einer Propagandaschrift der "Legion Condor" enthalten,
die 1939 in Berlin erschienen ist. In dem Bericht schildert ein Fliegerkamerad Windemuths und Augenzeuge den gesamten Verlauf des Luftkampfes aus seiner Sicht. Es ist übrigens die
einzige Schilderung in der Schrift, die genauer über einen Verlust der Legion berichtet. Es ergibt sich, dass die spanische Übersetzung ziemlich genau ist. Die Schilderung ist
auch deswegen interessant, weil sie über die Mentalität der deutschen Flieger Aufschluss gibt.
Der Bericht ist, was die Einzelheiten der Geschehnisse betrifft, wenig verlässlich, da das Bestreben unverkennbar ist, die männlich-kämpferische „Heldenhaftigkeit“ Windemuths hervorzuheben und die „Roten“ herabzusetzen. Windemuth kämpft auf sich gestellt und direkt. Im weiteren Fortgang des Textes beklagt der Autor, dass die "Roten" dem direkten Kampf auswichen. Das entspricht der Sicht des Gegners und dem Selbstverständnis, das man in der "Legion" pflegte. Da passt das Verhalten Falcós nicht ins Konzept.
Auffälligerweise wird Nirminger nicht erwähnt.
Nach offizieller deutscher Darstellung ist Nirminger im darauf folgenden Mai bei einer Übung über Leon abgestürzt. Dort gab es eine feierliche Beisetzung für ihn und es wurde auch ein Stein für ihn gesetzt. (Dieser Stein ist heute verschwunden.) Falcó vermutet, dass man auf deutscher Seite nicht zugeben wollte, dass der Pilot einer obsoleten Chato in wenigen Minuten zwei der sechs Messerschmitt-Piloten abgechossen habe. In der Tat konnte das dem Mythos von der siegreichen Legion Condor Abbruch tun.
Unter dem 10.2.39 findet sich in dem Tagebuch von Richthofens der Eintrag:
„v.R. landet auf noch nicht von Weißen (d.h. Franco-Truppen) besetzten Platz Vilajuiga. 31 rote Jäger verbrannt.“
Über deutsche Verluste kein Wort!
(Das Tagebuch von Richthofens befindet sich im Friedensmuseum von Gernika und eine Maschinenabschrift im Bundesarchiv-Militärarchiv.)
Eine Geschichte mit vielen Unklarheiten
Vermutlich hat man die beiden abgeschossenen Messerschmitts gefunden, wobei nur der Tod Windemuths bestätigt werden konnte, die Nachforschungen nach dem Verbleib Nirmingers aber vergeblich waren. Sollte man den Leichnam Nirmingers doch noch gefunden haben, so wäre es im Sinne der Propaganda wenig zweckdienlich gewesen, seinen Tod bekannt zu geben, nachdem schon militärische Prominenz und Presse am Ort des Geschehen war. So gab man den Auftrag, einen Gedenkstein (über dem Grab oder der Abschussstelle von Windemuth?) zu setzen, beschloss aber, Nirminger anderweitig und weniger abträglich für den Ruf der Legion Condor umkommen zu lassen. Anders lautende Eintragungen könnten getilgt worden sein. Da die offiziellen Akten der Legion Condor bei Kriegsende vernichtet worden sind, sind eventuelle Spuren einer solchen Fälschung nicht nachweisbar
Aber von Richthofen ist eine solche Inszenierung sehr wohl zuzutrauen. Auch im Falle von Gernika hat er zur propagandistischen Irreführung der Weltöffentlichkeit beigetragen. Die Historikerin Stefanie Schüler-Springorum legt in ihrem Buch über die Legion Condor "Krieg und Fliegen" einen Brief von Richthofens vor, in dem er von "heißer Mühe" redet, die es gekostet habe, die Verantwortung für die Zerstörung Gernikas von der "Legion" auf die "Roten" abzuwälzen.
Es gibt Hinweise, dass Kriegsberichterstatter den Ort des Geschehens in Vilajuiga besucht haben. Man könnte sich veranlasst gesehen haben, manches für die deutsche und sonstige Öffentlichkeit „ins rechte Licht“ zu rücken.
Es bleibt einiges an dieser Geschichte offen und umstritten. So könnte nach dem Verhalten, das der zitierte deutsche Bericht Windemuth zuschreibt, auch dieser der am Boden erschossene Pilot gewesen sein. Fakt ist aber: eine sicher nicht kleine Zahl von meist anonym gebliebenen Soldaten, die die rechtmäßige spanische Republik verteidigten, und zumindest ein deutscher Soldat - Windemuth -, sind auf dem Flugplatz in Vilajuiga auf grausame Weise umgekommen, nicht nur, aber letztlich doch Opfer zweier machtbesessener Diktatoren, ihrer Führungskräfte und der von ihnen in Gang gesetzten Kriegsmaschinerie.
Von den republikanischen Opfern und was mit ihnen geschehen ist, ist übrigens nirgends die Rede.
Friedrich Windemuth - Beteiligter und Opfer
Was Friedrich Windemuth für ein Mensch war, ob er aus nationalsozialistischer Überzeugung nach Spanien kam und wie weit er an Kriegsverbrechen der Legion Condor beteiligt war – immerhin begleitete die 1. Jagd-Gruppe J/88 den Angriff auf Gernika - ist nicht mehr zu klären. Bei den Beteiligten am Angriff auf Gernika tauchen weder die Namen von Nirminger noch Windemuth auf.
Man kann davon ausgehen, dass die jungen Soldaten, die von der Legion Condor angeworben und ausgewählt wurden, zumindest am Anfang von der nationalsozialistischen Ideologie motiviert waren. Sie wurden aber auch von dem höheren Sold, der Verkürzung des Wehrdienstes, Aufstiegs- und Dekorierungschancen und dem in Deutschland verbreiteten Mythos, den die Legion Condor umgab, angelockt. "Abenteuerlust", der Wunsch nach männlicher Erprobung und eine Art von "Kriegstourismus" spielten ebenfalls eine Rolle. Der Einsatz in "fremden" Spanien bot die Gelegenheit für die Erfüllung solcher Wünsche. Dabei konnte man sich auch noch im Bewusstsein der Überlegenheit gegenüber den Spaniern fühlen - also Selbstbestätigung erfahren - und in der Überzeugung handeln, eine "Mission" zu erfüllen: den Kampf gegen Demokratie und "Bolschewismus".
Gegen Ende des spanischen Bürgerkrieges war es mit der Freiwilligkeit und "Elitebildung" allerdings nicht mehr weit her, in einer Art Rotationsverfahren wollte man noch möglichst viele Soldaten an den Kriegserfahrungen in Spanien teilnehmen lassen. Den Machthabern in Deutschland ging es sowieso von Anfang an darum, Waffen und Kampftechniken zu erproben, die dann im 2. Weltkrieg im großen Stil fortgeführt wurden.
Was sie auch nach Spanien führte, Unschuldige blieben diese jungen Soldaten nicht.
Der Angriff auf den Aerodrom von Vilajuiga galt einem militärischen Ziel, war aber mehr ein Vernichtungs- und Racheakt als eine militärische Operation - wenige Tage vor dem faktischen Ende des Krieges in Katalonien und auf weitgehend kampfunfähige Flugzeuge, die dem Kampf entzogen werden sollten.
Figueres - das "katalanische Gernika"
Die Legion Condor hat nicht nur Gernika bombardiert (mit einer umstrittenen Zahl an zivilen Opfern - die Schätzungen der Toten schwanken von 126 bis weit über 1000), sondern viele spanische und katalanische Städte. Dabei kam es zu eindeutigen Kriegsverbrechen wie bei dem Massaker von Málaga im Februar 1937. Man schätzt, dass 50 000 bis 100 000 Menschen ( die Schätzungen gehen sehr weit auseinander), darunter 5000 Kinder mit ihren Müttern, aus dem eingekesselten Málaga auf der Küstenstrasse Richtung Almeria flohen. Der Flüchtlingsstrom wurde drei Tage lang von deutschen und spanischen Fliegern (mit dem ersten Einsatz der Messerschmitt Bf109) sowie von "nationalen" Kriegsschiffen beschossen. Die Zahl der Toten, überwiegend Zivilisten, wird zwischen 3000 und 5000 geschätzt.
Ähnliches spielte sich in unserer Nähe ab (d.h., wo ich diese Zeilen verfasse).
Figueres, wohin sich Anfang Februar 1939 die Reste des republikanischen Heeres und der Regierung geflüchtet hatten, wurde von 1938 bis 1939 viele Male von der Aviazione Legionaria und der Legion Condor bombardiert. Dabei machte man keine Unterschiede zwischen zivilen und militärischen Zielen, Kombattanten und Zivilbevölkerung. Es gab insgesamt mindestens 281 Tote und rund ein Drittel der Stadt wurde in Trümmer gelegt. Allein in der Zeit vom 20. Januar bis zum 7. Februar erlitt die Stadt 18 Bombardierungen mit 205 Toten. Am 3.2.39 befanden sich ca. 150 000 Flüchtlinge auf dem Weg nach Frankreich in Figueres. Die Legion Condor bombardierte in 5 Wellen die Stadt. Es spielten sich Schreckensszenen ab, die den Betroffenen unauslöschlich in Erinnerung blieben. 82 Tote, Männer, Frauen, Kinder, und viele Verwundete - trotz der Luftschutzräume - ließen die Angreifer zurück.
Diese Ereignisse haben Figueres die Bezeichnung eines "katalanischen Gernika" eingebracht, was den vielen deutschen Touristen, die die Dali-Stadt besuchen, kaum bekannt ist.
Die italienischen und deutschen Truppen haben den traurigen "Ruhm", den Terror der völkerrechtswidrigen Bombenangriffe auf die Zivilbevölkerung im 2. Weltkrieg eingeleitet zu haben.
Der Streit um Einzelheiten - Rechtfertigungs- und Ablenkungsversuche?
Der Streit, den Militärhistoriker führen, ob die Bombardierungen von Gernika und anderen Städten "eigentlich" militärischen Zielen galten - sozusagen "Irrtümer" sind - oder ob sie gezielte "Terrorangriffe" waren, führt nicht weiter. ( Den Augenzeugen nach waren es Terrorangriffe. ) Das Gleiche gilt für die viel verhandelte Frage, wieviel Todesopfer die deutschen und italienischen Bombenangriffe in Gernika oder anderswo gefordert haben. Ebenso ist die Aufrechnung mit Taten der Gegenseite nicht angebracht. Das lenkt alles vom Leid der Opfer ab und von der Verantwortung der Anordnenden und Ausführenden für ihre Aktionen.
Auch die Diskussion, ob José Falcó zwei Flugzeuge abgeschossen hat oder nicht, ist letztlich unerheblich. Wegweisend ist seine Bemühung um Aufarbeitung und Versöhnung. Der Gedenkstein bei Garriguella ist eine Erinnerung und Mahnung an Deutsche und Spanier, dass sich Entwicklungen, die zu Geschehnissen führen, wie sie sich hier ereignet haben, nicht wiederholen dürfen.
Quellen:
Josep Playà Maset, El último combate, http:/www. Lavanguardia.es/vida… el-ultimo-combate.html (08.02.09).
El piloto nos pidio: Sacadme del aparato o pegadme un tiro, Entrevista a José M. Bravo, La Vanguardia 08.02.09 wie oben.
Aeronet GCE/IBERONET: José Falco y sus dos deribos de 109 en Vilajuiga, www.network54.com/ (Augenzeugenberichte und Diskussionen).
www.esquadrón69.net, Los Últimos Dias (Animationen des Luftkampfes).
Masacre de la carretera Málaga-Almeria, Wikipedia, la encyclopedia libre
Bombardeos de Figueres, Wikipedia, la enzyclopedia libre
www.publico.es/figueres-la-gernika-de-catalunya
S. Schüler-Springorum, Krieg und Fliegen, Die Legion Condor im Spanischen Bürgerkrieg, Paderborn 2010)
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nik duserm (Montag, 27 Oktober 2014 19:51)
Sehr Interessant Artikel!