Tortosa – Last der Geschichte
Tortosa. die Hauptstadt der unteren Ebro-Region, zeigt sich als recht lebendige Stadt, mit viel Verkehr, Geschäften, einer blitzsauberen Modernisme-Markhalle, hübschen Ecken, auf Plätzen und Straßen flanierenden oder in Cafés sitzenden Menschen. Wir parken bei dem schönen Park Teodor González mit Palmen und exotischen Pflanzen am Ebro-Ufer und machen uns auf den Weg in den alten Stadtkern. Die Gassen werden eng, hohe Renaissance-Paläste versperren die Sicht. Wappen bekannter Adelsgeschlechter an ihren Rundtoren. Wir finden zur Kathedrale. Die Kathedrale Santa Maria erhebt sich da, wo früher das Forum der römischen Stadt Dertosa mit seinen Kultstätten war, vielleicht auch eine westgotische Kirche und dann die Haupt-Moschee des maurischen Turtusha. Bei der Eroberung der Stadt - die Mittelpunkt eines wichtigen Taifa-Reiches war - durch Graf Ramon Berenguer IV. 1148 mit Hilfe der Templer - wurde sie in eine christliche Kirche, ihre anliegenden Gebäude in eine Canónica umgewandelt. Es heißt Santiago selbst habe dem Grafen den Schlüssel zum Tor der Stadt überreicht, um ihm den Zugang leicht zu machen. In Wirklichkeit kapitulierte die Stadt freiwillig. An Stelle der großen Mezquita baute man eine romanische Kirche.
Wir treten in den Empfang ein. Aber es geht zunächst nicht in die Kirche, sondern in die weitläufigen Räume der Canónica. Hier wohnten die Kanoniker, d.h. der Geistlichen, die nach der Regel Augustins mit dem Bischof lebten. Die Kathedrale bildet einen großen Komplex mit Kirche, angeschlossenen Kapellen, dem Kreuzgang, dem „Kanonikat“ und schließlich noch dem Bischofpalast, der heute über der Straße liegt.
Die Räume der Kanoniker aus dem 12. Bis 14. Jahrhundert sind ein Museum, voll gestopft mit Zeugnissen aus den verschiedenen Zeiten, römischen, jüdischen, arabischen, mittelalterlichen Inschriften, architektonischen Fragmenten der verschiedenen Bauphasen der Kathedrale, Mobiliar, einem Chorgestühl, Handschriften, liturgische Gewände, Alltagsgegenstände, Teppiche und viele, viele bemerkenswerte Kunst – Malerei, Plastik, Kunsthandwerk - aus dem Mittelalter. Von den Inschriften möchte ich zwei erwähnen. Eine ist in arabischen Lettern gehalten und zeigt die Gründung der atarazanas an, der maurischen Schiffswerft im Norden der Stadt. Für die Mauren war Tartusha lange wichtige Grenzstadt, der Ebro trennte die christlichen und muslimischen Reiche. Nach der Einnahme der Stadt durch die Christen erhielten sie das Recht, ihre Religion, ihre Gebräuche weiter auszuüben, bis sie schließlich im 16. Jahrhundert gezwungen wurden, Christen zu werden („Morisken“). 1610 wurden die Morisken vertrieben, was vor allem für die Landwirtschaft eine Katastrophe bedeutete.
Der zweite Inschriftenstein ist in Grabstein aus der westgotischen Zeit, dreisprachig, in Hebräisch, Lateinisch, Griechisch. Er wurde Melosa gesetzt, der Tochter Juda´s und Marias. Er zeigt die Weltläufigkeit der Juden an, die nach überall hin Handel trieben und dementsprechende Sprachkenntnisse hatten. Die Juden Tortosas bildeten eine große Judería im Norden der Stadt. Sie finanzierten bis zur Ausweisung 1492 manche Vorhaben der aragonesischen Könige.
Durch den Kreuzgang mit seinen eleganten Spitzbogenfenstern gelangen wir in die Kirche. Unter dem Kreuzgang befindet sich ein großer Luftschutzraum aus dem spanischen Bürgerkrieg. Tortosa mit seinen Brücken war in der „Schlacht am Ebro“ – der blutigsten und verlustreichsten Kampfhandlung, die je auf spanischem Boden stattfand – zwischen den nationalen und republikanischen Truppen sehr umkämpft. Die Stadt musste 1938 große Zerstörungen durch Bombardierungen der italienischen Aviazione Legionaria und der deutschen Legion Condor hinnehmen. Hemingway, der das Bombardement als Kriegsberichterstatter miterlebte, schreibt von „einer Flotte von Bombern nach der anderen“, die „die kleine Stadt beim Ebro in einer wachsenden Wolke von gelbem Staub verschwinden ließ“ („Bombing of Tolosa“)
Der zweischiffige Kirchenraum ist ein Spitzenereignis der katalanischen Gotik, durch die fehlende Vierung und seine Höhe schmal wirkend. Alles strebt nach oben und lenkt den Blick himmelwärts zu den Spitzbögen an der Decke, die in Medaillons zusammenlaufen. Eine Fülle von Fenster verschiedener Größe, teilweise mit schönen Glasmalereien, bilden Tore des Lichts, die strahlende Glanzpunkte in dem – wie in der katalanischen Gotik üblich – relativ dunklen Kirchenraum setzen. Der schlanke Chorraum verstärkt den höhenorientierten Eindruck. Der Umgang um den Hauptaltar mit einem Marien-Retabel setzt sich in der Höhe mit zwei und einem dritten scheinbaren Umgang fort. Versetzte Fenster, von vorn nach hinten kleiner werdend, betonen den in den dunkleren Raum einbrechenden Lichteinfall. Viele Baumeister haben seit 1347 an diesem Meisterwerk gearbeitet – bis in die Barockzeit. In dieser Zeit wurde die prächtige, lang gestreckte Seitenkapelle der „Virgen de la Cinta“, der „Madonna vom Gürtel“, errichtet. Sie ist die Schutzpatronin der Stadt. Sie soll einem der Kanoniker erschienen sein und ihm einen Gürtel überreicht haben.
In der Kathedrale wurde 1513 der so genannte „Disput von Tortosa“ eröffnet. “Papa Luna“ alias Benedikt XIII., dem zuvor der neue König Ferdinand I. in Tortosa gehuldigt hatte, ließ die Rabiner der jüdischen Gemeinden Aragoniens und Kataloniens zusammenrufen, unter Strafandrohung bei Nichterscheinen. Unter ihnen war auch der Gemeinde-Vorsteher und Talmud-Gelehrte Perfet Bonsenyor aus Castello d´Empuries. In den lang andauernden und einseitig geführten Disputen sollten die Dominikaner die jüdischen Gelehrten überzeugen, dass Christus der von ihnen erwartete Messias sei. Am Ende schworen sie ihren „Irrtümern“ ab. Nur zwei von ihnen entzogen sich durch Flucht der Zwangsteilnahme und dem erzwungenen Bekenntnis, unter ihnen Perfet Bonsenyor. Der Disput und eine „apostolische“ Verlautbarung des schismatischen geistlichen Oberhauptes führte zu Massentaufen unter den aragonesischen und katalanischen Juden, auch in Castello d´Empuries.
Wir wandern zur „Suda“, der Festung hinauf. Von weitem grüßt uns der „Torre de Túbal“, der sich aus den Mauern empor hebt. Der Legende nach ist Tubal, dieser biblische Urvater der Schmiede (Gen. 4) vom Orient nach Spanien gekommen und hat dort „Hibera“ (Tortosa) gegründet, genannt nach seinem Sohn Hibero. Vor dem Eingangstor der Burg sind muslimische Gräber frei gelegt worden, einzigartig in Katalonien, große- natürlich leere – Steingruften. Die im 10. Jahrhundert errichtete Suda war der Sitz des Kalifen-Statthalters von Cordoba. Später ging sie in die Hand der Templer über und wurde Königsschloss. König Jaume I. erkor die Burg zu einem seiner Lieblingssitze. Von hier aus bereitete er die Eroberung der valencianischen Gebiete vor. Heute erfreuen sich Gäste eines schlossartigen und von Grün umgebenen Paradors an der exquisiten Lage hier oben. Sie werden wohl kaum die Verse des andalusischen Poeten Al-Gaziri nachempfinden können, der um 1000 unter dem machtvollen Heerführer und Wesir Al-Mansur in der Suda eingekerkert war: „Auf der Spitze einer kahlen Höhe, wo niemand hoffen kann ein komfortables Refugium zu finden…“
Wir genießen die weite Aussicht von den Mauern und Bastionen und blicken auf das Häusergewirr Tortosas hinab. Rechts, gegen Norden hin, schaut man auf die engen Gassen hinunter, in dem Juden und Sarazenen lebten (heute bevölkern wieder Muslime diese heruntergekommenen Quartiere). In der Mitte fließt der Ebro mit seinen zwei Brücken. Hinter der oberen erhebt sich das umstrittene Denkmal aus dem Wasser, das Franco seinen Gefallenen der Ebro-Schlacht errichten ließ. Unter uns der Kathedralkomplex. Drehen wir uns weiter nach links, fällt uns der kreuzgangartige Innenhof des „Königlichen Kollegiums“ Sant Jaume und Sant Maties auf. Hier unterwiesen die Dominikaner maurische „Konversen“ in ihrem neuen christlichen Glauben.
Wir steigen wieder hinab und schlendern durch die Gassen und Häuser zu unserem Parkplatz, nicht ohne in einem „Wiener Kaffeehaus“ Halt gemacht zu haben. Im Park Teodor Gonzales werfen wir noch einen Blick auf die Reste der gotischen Lonja, der Börse, die hierher gebracht wurde. Hinter den Glasfenstern erblicken wir darin die „Giganten“, die bei der „Festa del Renaixement“ herumgeführt werden. Es sind drei Paare, entsprechend den Angehörigen der drei Religionen, die im Mittelalter hier zusammenlebten: Rufo und Rubía, das christliche Paar - es bezähmte ein drachenähnliches Untier - Nabil und Zoraida, das muslimische Paar und Bonjuà und Caxixat, das jüdische Paar.
Wir nehmen Abschied von dieser geschichtsträchtigen Stadt, die so viele Heere und Herrschaften erlebt hat, aber immer wieder aus Trümmern neu erstand, ein Schicksal, das die meisten der Städte, die wir besucht haben, teilen, auch unser nächstes Ziel Tarragona.
Wir fahren zunächst die Küstenstraße, dann aber ins Gebirge, Richtung Tivíssa, wo wir an schroffen Felshängen nach steinzeitlichen Felszeichnungen suchen, die wir aber nicht finden. So geht es weiter über Mora am Ebre, wieder hinauf ins felsige Gebirge um Siurana, dann nach Reus, Tarragona hinunter. Da wäre manches zu besichtigen gewesen, Ascó mit seiner maurischen Vergangenheit, die Templerburg Miravet, Reus, der Geburtsort Gaudís mit Jugendstil-Gebäuden, aber wie so oft auf dieser Reise: wir müssen uns beschränken.
Tarragona – „Mediterraner Balkon“ auf römischen Fundamenten
Wir finden einen Campingplatz, am nordöstlichen Rande von Tarragona, direkt am Strand. Es ist schön dort, und wir genießen die abendliche Stimmung am Meer mit den Schiffen vor dem Hafen, die nach und nach ihre Lichter setzen.
Am nächsten Tag: Fahrt in die Innenstadt, Parkplatzsuche, wir sind erfolgreich, nicht weit vom Passeig Arqueològic. Wir laufen an den römischen Mauern mit ihren zyklopischen Steinen im Unterbau vorbei und treten durch das Portal del Roser in das historische Zentrum ein.
Der Name Tarragona hat für mich einen mythischen Klang. In den siebziger Jahren bin ich mit einem alten VW-Bus der Route der „Kinder von Torremolinos“ (James A. Mitchener) nachgefahren, einem Roman, der das Schicksal einer Gruppe von jungen Aussteigern der 68-Generation beschreibt. Eine der Stationen auf dem Weg nach Marokko ist Tarragona. Nicht nur Michener und seine Romangestalten, sondern auch mich hat die Stadt über dem blauen Meer mit ihrem mediterranen Flair, ihrer Mischung von Antike und Mittelalter, ihrer gegenwärtigen Lebendigkeit fasziniert.
Sofort sind wir von diesem Flair gefangen, als wir durch das Tor auf den Platz Pallol eintreten, der einmal Teil des Forums war. Hohe palast- und turmartige Gebäude aus dem Mittelalter umgeben uns. Sie gründen auf römischen Mauern.
In einem der Gebäude wird ein Modell des römischen Tarraco gezeigt. Der Eindruck der von mächtigen Mauern umgebenen Stadt mit den großen Anlagen des Provinzforums auf der Spitze des Hügels, dem sich anschließenden langgestreckten Circus (in dem Wagenrennen stattfanden), dem sich nahezu im Rechtseck erstreckenden dichten Häusernetz, an dessen Ende das Theater lag, und dem am Meer außerhalb der Stadt befindlichen Amphitheater, muss gewaltig gewesen sein. Die iberische Ansiedlung wurde den Puniern entrissen und von den beiden Scipionen als Heerlager gegen die Truppen Hannibals aufgebaut. Von hier aus wurde der 2. Punische Krieg geführt, die aufständischen Keltiberer niedergeworfen und die iberische Halbinsel nach und nach erobert. Tarraco wurde die Hauptstadt der römischen Provinz Hispania Tarraconensis, die die Hälfte Iberiens umfasste. Sie hat Cato, Caesar, Pompejus, Augustus und andere Feldherren und Kaiser gesehen. Zu ihr führte die Via Augusta vom Summum Pyrenaeum, dem Panisars-Pass bei Jonquera, über Gerunda (Girona), Barcino (Barcelona). Sie war der iberische Teil der Straße, die Rom mit Gadis (Cádiz) verband.
Die verlassenen Gassen, durch die wir schlendern, münden in der belebten Straße ein, an deren Ende sich die Fassade der Kathedrale erhebt, mit dem gotischen Hauptportal, dem Aposteltor, mit großer Rosette darüber, was uns an die Basilika in Castello d´Empuries erinnert . Daneben zwei romanische Tore mit der „Anbetung der drei Könige“ in einem Tympanon. Im Inneren zeigt sich die 1184 begonnene Kirche im Übergangsstil von der Romanik zur Gotik, die Pfeiler romanisch, Gewölbe und Vierungskuppel gotisch. Viele Seitenkapellen. Wunderschöne Glasfenster aus verschiedenen Zeiten. Von den Kunstschätzen haben uns am besten die Alabasterfriese des Hauptaltar-Retabels gefallen – um 1430 entstanden. Sehr bewegte Szenen, besonders die, die Leben und Martyrien der Heiligen Thekla zeigen.
Sie – geboren in Konya, Anatolien –gilt nach einer apokryphen Schrift als Begleiterin des Paulus. Wunderhaft wird sie aus Feuer, dem Rachen von Löwen, dem Biss von Schlangen und der Hand von Verfolgern gerettet. Am Ende lebte sie als Einsiedlerin in einer Höhle, wo sie auch ihre Reliquien hinterließ, nachdem sie in den Himmel genommen wurde. Die „Erzmärtyrerin“ wird vielerorts, vor allem in den Ostkirchen verehrt, aber auch in Spanien.
In Tarragona wurde eine „Beata Thecla virgine“ (Selige Jungfrau Thekla) von früh an verehrt. Weil man glaubte, dass Paulus in Tarraco missioniert und ihn dabei Thekla aus Ikonium begleitet habe, entschied man sich, diese mit der Thekla aus Tarragona zu identifizieren und als Schutzpatronin zu erheben. In der Kathedrale bewahrt man zwei (angebliche) Arme (Knochen) von ihr auf. Sie wurden von einer Gesandtschaft Tarragonas, die mit einer Empfehlung König Jaumes II., sowie wertvollen Pferden und einigen Schätzen als Tauschgut, zum König Onsino von Armenien reiste, 1320 mitgebracht.
Interessanterweise fand man bei Grabungsarbeiten die Grabstätte der „echten“ Thekla von Tarragona. Man grub in der Nähe des frühchristlichen Friedhofes eine Basilika des 3. bis 4. Jahrhunderts aus, wohl die Kirche einer klösterlichen Gemeinschaft. Dabei fand man einen Inschriftenstein, dessen Inschrift – die mit einem eingravierten Herz endet! - bezeugt, dass hier die „Beata Thecla virgine“ aus „Ägypten“ lebte und seit dem Jahre 75 in Frieden ruht. Die Heilige Thekla aus dem Osten hat wohl der tarraconensischen Thekla Ruhm und Ehre in Tarragona geraubt! Ein womöglich himmlischer Kampf heiliger Frauen um irdische Verehrung? Oder sollte die Thekla aus dem Osten (= Ägypten) doch nach Tarragona gekommen und hier begraben sein, nicht in einer Höhle bei dem griechisch-orthodoxen Kloster Deir Mar Thakla in Syrien, wie die Überlieferung der Ostkirche annimmt?
Wie dem auch sei, in Tarragona feiert man im September weiterhin seit 1321 die „Fiestas de Santa Tecla“, ein „Fest von nationalem touristischen Interesse“, mit katalanischen Darbietungen wie Feuerläufern, Menschentürmen, Riesenfiguren usw., auch mit einer Darstellung der Thekla-Szenen des Hochaltar-Retabels.
Wir versäumen nicht, im Kreuzgang umher zu wandeln und die skulptierten Kapitelle mit biblischen Themen zu betrachten. Ein Hinweispfeil macht uns auf eine skurile Szene aufmerksam: ein Zug von Ratten, die eine Katze zu Grabe tragen.
Neben den ernsten Szenen, die die Geistlichen zu frommen Betrachtungen anregen sollten, gibt es noch weitere skurile Figuren. Sie gehen sicher auf Fabeln zurück, die eine Moral veranschaulichen sollten.
Mit der "Prozession der Ratten und der Katze" verbindet sich eine Sage: Im Hause eines Adligen in Tarragona gab es viele Ratten, die nicht auszurotten waren. Sie waren so frech, dass sie sogar bei einem Gastmahl mit dem König auf die Tische sprangen und von den Tellern fraßen. Nun wurde die beste Katze des Landes gesucht, die aber auch nicht mit der Rattenplage fertig wurde. Sie ersann eine List: sie stellte sich tot und die Ratten trugen sie triumphierend zu Grabe. Da sprang sie auf und tötete alle Ratten.
Ich denke, die Kanoniker hatten hier nicht nur etwas zum Nachdenken, sondern auch zum Schmunzeln!
Wir setzen unseren Rundgang durch die Stadt fort, kommen an alten Häusern, Geschäften, ruhigen Plätzen, Arkadengängen und römischen Ruinen wie dem Circus mit seinen unterirdischen Zugängen vorbei und landen an der Plaςa del Rei. Hier beeindruckt das mächtige Turmgebäude des römischen Prätoriums. Die kleinen gotischen Fenster zeigen an, dass es im Mittelalter umgebaut wurde. Im 14. Jahrhundert war es königliche Residenz, heute ist es Museum. Daneben das römisch-klassizistische Gebäude des “ Nationalen archäologischen Museums von Tarragona“. Unterhalb des Prätoriums blicken wir in das römische Theater.
Das Prätorium heißt auch „Haus des Pilatus“. Das erinnert an die wohl ersten christlichen Märtyrer Spaniens, den Bischof Fructuosus und seine Diakone Augurius und Eulogius.
259 wurden die Leiter der christlichen Gemeinde in Tarraco festgenommen und – wie Jesus in Jerusalem - ins Prätorium eingeliefert. Nach der amtlichen Anweisung sollte sich die Verfolgung auf die Führer der christlichen Gemeinden beschränken. Nach einigen Tagen kam in aller Morgenfrühe der römische Statthalter Emilius in den Kerker und verhörte die Gefangenen. Der Konsul wies sie auf das Gebot der Imperatoren Valerianus und Galienus hin, Götter und Kaiser zu verehren. Er selber glaube auch nur an einen Gott, aber sie sollten wenigstens den Standbildern der Kaiser opfern. Die drei antworten, sie verehrten allein den allmächtigen Gott, der über den Kaisern stehe.
Sie wurden zum Feuertode bei lebendigem Leibe verurteilt. Dann wurden sie in das Amphitheater hinabgeführt, begleitet von einer Schar Getreuer. Freiwillige hatten die Arena von Unrat gereinigt. Ein Lektor band dem Bischof die Sandalen auf, der dies in Hinblick auf Christus nur widerstrebend zuließ. Selbst die Heiden sollen das Schicksal der Männer beseufzt haben, die wegen ihrer reinen Gottesverehrung in der Stadt bewundert wurden. Stärkung wiesen die Verurteilten unter Hinweis auf die noch nicht beendete Fastenzeit zurück. Sie starben würdig unter Gebet für die Kirche Christi und in der Gewissheit des göttlichen Beistands. Das Feuer löste ihre Fesseln und so endeten sie mit kreuzförmig zum Himmel erhobenen Händen. Es war wohl der christliche Soldat, der um die Fürbitte des Bischofs gebeten hatte, der ihren Leidensweg aufgezeichnet hat. In der Nacht kamen christliche Brüder, sammelten ihre Knochen auf und begruben sie auf dem frühchristlichen Friedhof Sant Fruitós. Bei den Ausgrabungen fand man eine Tafel mit den Namen der Märtyrer. In westgotischen Zeiten errichtete man eine Basilika im Amphitheater, die dem Märtyrerbischof geweiht war. Als die Araber einfielen, verbrachte man die Reliquien nach Italien, später kehrten Teile aber wieder zurück, nach Manresa, Sant Fruitós de Bages und Tarragona. So ist der Heilige und sein Angedenken unter der Christenheit, für die er an seinem Ende gebetet hatte, verteilt und in seine Heimat zurück gekehrt.
Es war folgerichtig, dass Papst Franziskus 2013 in der Kathedrale von Tarragona 522 „Märtyrer des 20.Jahrhunderts“, spanische Geistliche, die im Bürgerkrieg ermordet wurden, „selig“ sprach.
Die Verehrung von Heiligen ist nicht unsere Sache, und wir glauben nicht, dass eine menschliche Instanz Personen „heilig“ oder „selig“ sprechen kann. Aber wir wollen den „Heiligen“ unseren Respekt nicht versagen, den wir vor ihrer Glaubenstreue haben, sofern sie sich nicht gegen andere richtete. Die Verfolgung von Menschen wegen ihrer religiösen Überzeugungen in Vergangenheit und Gegenwart lehnen wir ab.
Wir setzen uns im Angesicht der Mauern des Prätoriums und des Theaters in einem kleinen Restaurant nieder, sozusagen im Schatten der Vergangenheit. Dann kehren wir über die belebte Plaςa de la Font mit dem breit hingelagerten klassizistischen Rathaus zu unserem Wohnmobil zurück.
Nun geht es Richtung Heimat. Wieder nicht entlang der Küste, sondern durch die gebirgige Strecke nach Manresa,
dann Vic und Olot. Unterwegs in hügeliger und mit Weinbergen bedeckter Gegend machen wir Halt, in Falset,
dem Hauptort des Priorats. Ein hübscher Ort, über den sich eine Festung erhebt, die den Namen „Castillo del Vi“, Schloss des Weines, trägt. Ursprünglich war dies eine maurische Burg, dann Sitz
der Grafen von Prades ( die sogar mit Margarita von Prades eine Königin stellten - 2. Gattin Martin, des "Humanen"). Wir wollen auch unbedingt einige Flaschen des gerühmten Priorat-Weines
kaufen.
Es gibt eine schöne Modernisme-Cooperative. Aber denselben Wein ("Falset") bekommen wir einfacher im nächsten Spar-Laden. Als wir ihn
später, zuhause, kosten, bedauern wir, dass wir nicht mehr Flaschen gekauft haben, so lecker schmeckt er (inzwischen haben wir in im Internet bestellt.)
Abends kommen wir gut in Roses an. Wir haben eine schöne Reise hinter uns. In einer Woche haben wir viel gesehen, lebendige Städte mit bewegter Vergangenheit und reichen Kulturschätzen, malerische Dörfer, urwüchsige Gegenden und alte Kulturlandschaften. Das Land, in dem wir zu Gast sind, ist reich an Sehens- und Denkwürdigkeiten.
Zum Schluss noch eine lustige Begegnung, die wir in Tarragona hatten:
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