"Städte- und Landschaftsbilder" - Eine Reise durch katalanische und aragonesische Orte und Landschaften/1. Von Manresa nach Lleida

Im Mai 2015 waren wir eine Woche mit unserem Wohnmobil unterwegs. Wir wollten einige geschichtsträchtige Städte Kataloniens und Aragoniens besuchen, die wir noch nicht kannten. Unser erstes Ziel war Zaragossa. Das sind von Roses ca. 450 km in südwestlicher Richtung.  Wir befuhren zunächst  die altbekannte, berge- und tunnelreiche, aber gut ausgebaute Strecke über Olot und Vic, Städte, die wir schon mehrfach besucht hatten.

Manresa  und Lleida – Reichtum der Tradition

In Manresa stellten unser Auto in der Stadt ab und stiegen durch alte Gassen hinauf zu der gewaltigen Kirche, „La Seu de Manresa“. Das langgestreckte Gebäude wird von einem klotzigen Turm überkrönt. Die neogotische Hauptfassade wurde von Gaudí inspiriert.

Im Inneren erwartete uns unverkennbar katalanische Gotik. Ein weites und hohes Schiff wird von hoch aufstrebenden Säulen begrenzt, die Spitzbögen bilden. Hinter diesen liegen Seitenkapellen und der Chor. So entsteht der Eindruck einer dreischiffigen Kirche, obwohl es sich um eine Halle handelt. Es finden sich auch wertvolle gotische Altarretabel von katalanischen Meistern wie Jaume Cabrera, Pere Serra, Arnau Bassa und Luis Borrassá, Namen, denen  wir in den Museen von Girona und Barcelona begegnet sind..

Die Kirche wurde von Berenguer de Montagut entworfen, der auch die Kirche Santa Maria del Mar in Barcelona gebaut hat. Die Bauarbeiten begannen 1325 und dauerten bis ins 15. Jahrhundert.

Der Kreuzgang ist romanisch.

Vom Platz hinter der Kirche blicken wir auf den Fluss Cardoner mit seinen zwei  alten Brücken hinab. Links sehen wir ein lang gestrecktes neoklassizistisches Gebäude mit Kapelle, das Jesuitenkolleg. Hier in der „Santa Cueva“, in einer Höhle, nach der die Kirche heißt, hat Ignatius von Loyola seine „Exerzitien“ geschrieben und in dem Kolleg kann man sich zu „Exerzitien“, christlichen Meditationsübungen,  zurückziehen.

Wir fahren weiter Richtung  Lleida. Eine Weile begleitete uns zur linken Seite das gezackte Gebirge des  Montserrat.  Vor  Lleida weicht die Gebirgslandschaft zurück.

Montserrat
Montserrat

Auch in Lleida liegt das beherrschende Monument auf einem Hügel  („Turó“) über der Stadt und dem Segre-Fluss, die Festung mit der alten Bischofskathedrale (“Seu Vella“) und der Königsburg („Castell del Rei“ oder auch „Suda“ genannt, nach dem maurischen Ursprung).

Wir betreten die Mauern der Festung durch ein großes, wappenverziertes Tor, über dem sich ein Löwe erhebt. Schon von außen hatten wir gesehen, wie ausgedehnt die Anlage ist, ein Eindruck, der sich jetzt verstärkt. Rechts strebt der hohe, schlanke und zinnenbekrönte Turm der Kathedralanlage zum Himmel, flankiert von niedrigeren Türmen, links ragt auf einem anderen Hügel wuchtig  der kastenförmige Bau der Burg empor, unbezwinglich erscheinend.

Wir kommen an einem Ausgrabungsgelände mit Resten der römischen und maurischen Mauern vorbei, überqueren freie, teilweise begrünte und als Parkplatz benutzte Flächen; vor uns, rechts und links Befestigungsanlagen, ein Ravelin, Bastionen…Über eine ehemalige Zugbrücke und durch ein weiteres Tor gelangen wir ins Innere der Festung.

Als erstes besichtigen wir die Kirche. Auch hier ein Schiff von gewaltiger Ausdehnung und Höhe. Die Pilaster, die die Seitenschiffe abtrennen, sind  romanischen Stils, die Decke mit ihren Bögen zeigt die beginnende Gotik an. Die Kirche erinnert uns in ihrem Stil, in ihrer monumentalen Einfachheit,  an große zisterziensische Kirchen in Burgund. Der Bau, der 1203 bis Mitte des 15. Jahrhundert errichtet wurde, wirkt wahrhaft majestätisch – eine Königskathedrale. Lleida war ein Zentrum der Krone Aragons im Mittelalter und die Kirche bezeugt die einstige Macht und Bedeutung Katalonien-Aragons.

Überraschend ist die Leere des Kirchenraumes. Uns hat diese Leere und Stille sehr beindruckt – die Sakralität eines solchen Raumes wird nicht durch überbordende Ausstattung erdrückt. Wir hatten auch auf der ganzen Reise das Glück, dass keine Touristenzeit war und Orte und Landschaften nicht von lärmenden Besucherscharen erfüllt waren.

Die Leere ist Folge eines politischen Strafgerichtes. Im Spanischen Erbfolgekrieg (1702-1714) hatten die Katalanen sich auf die Seite des österreichischen Kronprätendenten, Erzherzog Karl, gestellt. Doch der bourbonische Kandidat, Philipp, siegte und bestieg als Philipp V. den spanischen Thron. 1707 belagerten 20 000 bourbonische Soldaten  Leida und zwangen durch ihre Übermacht  Stadt und die Verteidiger der Befestigungsanlagen auf dem Turó zur Übergabe. Vergeltung folgte auf dem Fusse. Kirche und Kreuzgang wurden demoliert und für den religiösen Kultus geschlossen. 1746 ordnete Philipp ihren Abriss an, der aber durch seinen Tod unterblieb. Die Kathedrale wurde militärische Garnison. Der Turó  wurde von der Stadt separiert und als modernere Festung ausgebaut. Ein Wahrzeichen der Erinnerung  an katalanische Selbständigkeit und Freiheit  war beseitigt. Bekanntlich hat Philipp V.  die Sonderrechte Katalonien/Aragoniens abgeschafft  und die nationalen Eigenheiten (u.a. die Sprache) unterdrückt.   So ist heute Lleida auch eine wichtige Station auf der „Ruta 1714“, die die Schauplätze und Erinnerungsorte dieser  für die Geschichte Kataloniens einschneidenden Geschehnisse umfasst.

Auch der Kreuzgang – wohl einer der  größten Europas - mit riesigen filigranen gotischen Fenstern und den Spuren der Zerstörung ist ein beeindruckender und sprechender Ort. Immer wieder öffnen sich beim Rundgang Ausblicke auf Stadt und Umgebung. Den Turm mit seinen engen Wendeltreppen, die zu umfassenden Aussichten führen, hat nur Dagmar bestiegen. Ich habe es vorgezogen, die an seinem Fuße ausgestellten Bild-Tafeln zum wechselvollen Schicksal der Kirche zu betrachten.

Wir umrunden die Kirche, betrachten das (geschlossene) grandiose Aposteltor mit seinen Figuren – es  führt zum Kreuzgang - und genießen von Bastionen den  Ausblick auf die Stadt, die vom Segre bewässerten Gemüsefelder – sie wurden von den Mauren eingeführt – und die Berge des Montsant bis hin zu den Pyrenäen. Gegenüber erscheint auf  einem anderen Hügel  über der Stadt eine weitere Befestigungsanlage.  Ihr Vorgängerbau  war im 12. Jahrhundert die Residenz des Templerordens, der entscheidend zur Eroberung der maurischen Medina Larida durch die Christen beitrug.

Dann wandern wir zur „Suda“ hinüber. Ursprünglich war dies die Burg des maurischen Königs. Larida war eines der maurischen Kleinkönigtümer („Taifa“) geworden,  nachdem das Kalifat von Cordoba 1031 zerbrochen war. Von hier aus fielen die Sarazenen  immer wieder in die Gebiete Altkataloniens ein.  Graf Guifré el  Pilos fand  897 sein Ende im Kampf an den Grenzen durch einen Lanzenstich des Emirs von Larida, Llubb ibn Muhammad al-Qasi. Nach siebenmonatiger Belagerung musste 1149 der letzte maurische König von Larida, Yussuf al-Muzzafar,  Stadt und Burg an den Grafen von Barcelona und Verwalter des Königreiches Aragon, Ramon Berenguer IV.,  und den Grafen von Urgel, Ermengol VI., übergeben.

In die eroberte Stadt wurde ein Bischofssitz verlegt. Die „Suda“  diente nun als  Königsresidenz, wenn die Könige von Aragon hier weilten.

Von dem ursprünglichen maurischen Königspalast ist aber kaum etwas erhalten geblieben. Wie ein solcher Palast aussah, konnten wir erst in Zaragossa sehen, mit einem prächtigen Innenhof, umgeben von weitläufigen Gebäuden im  Mudéjar-Stil.  Auch von dem aragonesischen  Königshof ist nur ein Teilgebäude erhalten; es macht gegenüber dem, wie der maurische Königssitz ausgesehen haben mag, einen eher finsteren und abgeschlossenen  Eindruck, burgartig eben. Immerhin gibt es noch die historisch wichtige Versammlungshalle. Sie ist in ansprechender Weise zu einem Museum hergerichtet worden. In zeltartigen Abteilungen ist die Geschichte Lleidas, die ja eng verbunden ist mit der Kataloniens, dargestellt, vom iberischen Iltirta, über das römische  und westgotische Ilerda, den maurischen Larida bis hin zum christlich-mittelalterlichen und neuzeitlichen Lleida/Lérida.

Noch im Saal der alten Suda fand die Hochzeit der 14-jährigen aragonesischen Prinzessin Petronila mit dem 36-jährigen Grafen von Barcelona, Ramon Berenguer, statt,  die die Verbindung  Aragoniens mit Katalonien besiegelte und die nachfolgenden Grafen auch zu Königen machte. Hier versammelten sich im Mittelalter die Stände Aragoniens und Kataloniens, um mit ihrem gemeinsamen Herrscher ihre Angelegenheiten zu beraten,  was durchaus nicht immer durch Gleichklang bestimmt war.

Einen Campingplatz hat Lleida nicht aufzuweisen. (Überhaupt sind sie in Zentral-Katalonien dünn gesät.) So übernachteten wir in einem Industriegebiet auf einem  Parkplatz vor einem Groß-Restaurant zwischen Lastwagen und  parkenden Autos von  Restaurantbesuchern. Der riesige Speisesaal war gefüllt mit essenden und Champions-League-Spiele betrachtenden und laut kommentierenden Spaniern. Das Wetter war  warm und wir konnten auf der Terrasse unser „wohl verdientes Mahl“  in etwas ruhigerer Atmosphäre zu uns nehmen.

Unser "Campingplatz" in Lleida
Unser "Campingplatz" in Lleida
Beim "Fest der Mauren und Christen" in Lleida besetzen die "Mauren" erneut die Stadt
Beim "Fest der Mauren und Christen" in Lleida besetzen die "Mauren" erneut die Stadt

Weiter geht es auf einer wenig befahrenen und kostenfreien Autobahn nach Zaragossa  (im Landesinneren sind die Autobahnen kostenfrei – im Gegensatz zur Küstenautobahn, wo Touristen und Einheimische kräftig abgezockt werden). Die Landschaft wird immer eintöniger, Lößberge mit teilweise bizarren Formen. Gegen Zaragossa hin wird es immer trockener, baumlose, mit gelbem Gras bewachsene Hügel, in Senken Felder, bei denen wir uns fragen, woher sie Wasser bekommen. Hin und wieder Dörfer, aus denen schlanke Kirchtürme aufragen. Wir  fahren eines an, das einen trostlosen, verlassenen Eindruck macht. Einen Campingplatz, der in der Karte verzeichnet ist, suchen wir vergeblich. Dann, links der Autobahn, erstreckt sich weit die ausgetrocknete Mesita, eine flache Hochebene.


Kommentar schreiben

Kommentare: 0