Ramon Muntaner und Perelada - auf den Spuren eines katalanischen Geschichtsschreibers

Ramon Muntaner - anonymes Bildnis (19. Jh.?) im Museum Perelada
Ramon Muntaner - anonymes Bildnis (19. Jh.?) im Museum Perelada

Geburt in Perelada

 

Dieses Jahr feiert man in Perelada und ganz Katalonien den 750. Geburtstag des großen katalanischen Chronisten. Wir Kulturspaziergänger haben uns in Perelada auf seine Spuren begeben (24.09.15). Perelada liegt im Alt Empordà und ist heute ein sehr ruhiger Ort.  Besucher kommen vor allem wegen seines Kasinos im Renaissance-Schloss und des in den Parkanlagen des Schlosses stattfindenden Konzert- und Opernfestivals. Im Mittelalter war Perelada die Residenzhauptstadt einer Vizegrafschaft, die von den Adligen der Familie Rocaberti beherrscht wurde. Der Ort hat seine mittelalterliche Struktur bewahrt und wir konnten uns vieles von dem, was Montaner erzählt, in dieser Szenerie gut vorstellen.

 

Ramon Muntaner wurde 1265 in Perelada geboren. Sein Vater Joan besaß eine Herberge. Wir fanden das nach dem Brand 1285 wieder aufgebaute Haus an der Nordseite der Plaça Gran. Der 9–jährige Ramon erlebte, wie der ruhmreiche, schon alte und kränkliche  König Jaume I. von Aragon (1213-1276),  „der Eroberer“ (Mallorcas und Valencias), mit seinem Hofstaat im Vaterhaus Quartier nahm. Der König war auf der Durchreise zum ökumenischen II. Konzil in Lyon (1274) – er hoffte (vergeblich), wie sein in der Schlacht von Muret geendeter Vater, Pere II., vom Papst gekrönt zu werden. Die Begegnung mit der Person des Königs hat Ramon tief  beeindruckt, er blieb zeitlebens ein „Monarchist“ und glühender Verehrer Jaumes.

 

Ein königstreuer Soldat, Beamter und Chronist

 

Er lässt seine „Chronik“ mit der „wundersam“ arrangierten Zeugung“ Jaumes in Montpellier beginnen, er beschreibt ihn als tapferen, gerechten und bürgernahen Souverän ( sein Schwächen übergeht er geflissentlich), sieht in der Überwindung der vielen Widerstände, die sich ihm entgegenstellten, das  Schutzwalten Gottes über ihm und sein Haus und stellt ihn als Vorbild für die künftigen Könige Aragons hin.

Zeit seines Lebens steht Muntaner als Soldat oder Verwaltungsbeauftragter im direkten oder indirekten Dienste der Könige und Kronprinzen des Hauses Aragon, des Königs Friedrich II. von Sizilien,  Ferdinands und Jakobs III. von Mallorca und Jakobs II. von Aragon.

Einige Monate später nach König Jaume logiert der König von Kastilien, Alfons X., „der Weise“, mit seiner Frau Violante, Tochter Jaumes I.,  im Hause seines Vaters (die Königin in einem Nebenhaus, das mit der Unterkunft des Königs verbunden wurde). Auch sie waren auf der Reise nach Frankreich zu einer Begegnung mit Papst Gregor X., bei der Alfons auf seine Ansprüche als Römischer Kaiser verzichtete. (Wenig später starb Alfons.) Das Königspaar wurde vom Herrn von Perelada, Dalmau von Rocaberti – mit „gnädiger“ Erlaubnis Jaumes I. - bewirtet.

So hat Ramon Muntaner schon in jungen Jahren die beiden großen und für ihre Reiche bedeutsamen Herrscher Spaniens seiner Zeit kennengelernt. Daraus resultiert sicher sein Interesse für dynastische Angelegenheiten und Politik.

Aus den königlichen Beherbergungen des Vaters kann man schließen, dass dieser ein wohlhabender und adelsnaher Bürger Pereladas war.  Ramon Muntaner wird es wahrscheinlich als Krönung seines Lebens empfunden haben, dass er gegen Ende seines Lebens als Berater, Kämmerer und Vertreter (in Ibiza) des Königs Jakob III. von Mallorca von diesem  in den Ritterstand erhoben wurde.

 

Ein bewegtes Leben

 

Über Jugend und Ausbildung von Montaner wissen wir wenig Genaues. Als junger Mann scheint er sich bei dem katalanischen Admiral Roger de Llúria (Ruggiero de Lauria) bei seinen Kämpfen um Sizilien aufgehalten zu haben, wobei er Verbindungen mit den katalanischen Truppen und militärische Erfahrungen gesammelt haben dürfte. Jedenfalls geht aus seiner Chronik ein großes Interesse an der Person Llúrias und seinen Taten hervor. Dadurch dürfte auch erklärbar sein, dass er sich später Roger de Flor (Rutger von Blum, Ruggiero da Fiore), dem Vizeadmiral des sizilianischen Königs Friedrich II. und Anführer der katalanischen Söldnertruppen (Almogàvers), anschloss und ihn als „Prokurator“ (Kanzleivorsteher, Schatzmeister usw.) bei seinem Zug nach Byzanz begleitete. Aus dieser Tätigkeit geht hervor, dass Muntaner auf seinem Ausbildungsweg nicht nur militärische Fähigkeiten, sondern auch „Schreiber-„ und Verwaltungstätigkeiten kennen gelernt haben muss. Er ist also ein vielseitiger Mensch gewesen.

 

Perelada wird belagert

 

Im Alter von 20 Jahren befindet er sich in seinem Geburtsort und erlebt den „Kreuzzug“ des französischen  Königs Philipp III. gennannt  „der Kühne“ (Le Hardi). Philipp hatte im Streit zwischen Peter III. von Aragon (dem „Großen“) und Karl von Anjou um das Erbe der Staufer in Sizilien für seinen Onkel Karl Partei ergriffen. Durch den Aufstand der Sizilianer, die „Sizilianische Vesper“ (1282), hatte Karl von Anjou die Herrschaft über Sizilien an Pere el Gran verloren. Der aus Frankreich stammende Papst Martin IV. unterstützte die französischen Interessen und bannte Peter III., setzte ihn ab und rief zum „Kreuzzug“ („wie gegen Ungläubige“) auf. Die Krone Aragons und die Grafenwürde von Barcelona sollte an Philipps Sohn Karl von Valois fallen. Der französische König sammelte ein gewaltiges Heer und zog mit seinen zwei Söhnen, dem Thronfolger Philipp (dem „Schönen“) und dem als König von Aragon designierten Karl, mit mehr oder weniger erzwungener Billigung des Bruders von Pere el Gran , dem König Jakob II.. von Mallorca, durch dessen Grafschaft Roussillon – wo er das Widerstand leistende Elne mit seiner Kathedrale und die darin Schutz suchenden Einwohner in Feuer legte. Da der Pass Panissars gut bewacht war, nahm er einen wenig benutzten Übergang, den Coll de la Maçana, der ihm von Mönchen verraten worden war. Nach einem Zwischenlager am Kloster Sant Quirçe de Colera (die papsttreue Geistlichkeit unterstützte den Kreuzzug) umschloss er Perelada. Dort hatten sich König Pere mit dem Infanten Alfons, der Graf von Ampurias, der Vizegraf  von Rocaberti und andere katalanische Noble mit ihren Truppen verschanzt. Die Belagerung dauerte 6 Tage. Die Belagerten machten erfolgreiche Ausfälle und - begünstigt durch die ausgedehnten dichten Gärten rund um Perelada – hinderten die Franzosen an der Erstürmung der Mauern.

 

Mittelalterliche Kampfszene - Tafel im Museum Perelada
Mittelalterliche Kampfszene - Tafel im Museum Perelada

Die "Heldin von Perelada"

 

Hier schiebt Muntaner in seine Chronik den Bericht über die „Heldin von Perelada“ ein. Dies war eine Krämerin mit stattlicher Statur, genannt „Na Mercadera“. Sie verließ den Ort in Männerkleidung, mit Kettenhemd, Spieß, Schwert und Schild ausgerüstet., um in ihrem Garten Kohl zu holen. Sie stieß auf einen französischen Ritter, der sich in den dichten Gärten verirrt hatte und heftete ihn ohne viel Federlesens mit ihrem Spieß an den Sattel und das verletzte Pferd versuchte ihn abzuwerfen. Mit dem Schwert in der Hand zwang sie den vom Sattel Hängenden zur Aufgabe und führte ihn gefangen in die Stadt. Dies löste natürlich große Erheiterung beim Infanten und den übrigen Adligen aus. Na Mercadora erhielt nach Rittersitte Rüstung, Waffen und Pferd des Besiegten, der sich mit einer hohen Summe freikaufen musste. Muntaner bemerkt, dass dieses Ereignis ein Anzeichen dessen sei, dass der „Zorn Gottes“ sich gegen die Franzosen und ihren ungerechten Angriff gewandt habe.

Wir folgten dem Weg von der „Krämergasse“, den die Frau genommen haben könnte zu den Gärten, die jenseits den Mauern an der Orlina liegen. Sie präsentieren sich auch noch heute mit Schilf, Büschen und Bäumen durchsetzt. Man kann sich vorstellen, dass man als Fremder darin die Orientierung verliert.

 

Im Ortsmuseum von Perelada gibt es eine kleine Ausstellung zu Muntaner und seiner Zeit. Zentrales Ausstellungsstück ist das große Gemälde „La Heroina de Perelada“ des Malers Antoni Caba i Casamitjana (1838-1907). Das Bild wurde 1864 in Madrid ausgestellt, wobei es preisgekrönt, vom Staat gekauft und in das Prado-Museum inkorporiert wurde. Das Museum hat es dem Rathaus von Perelada zur Verfügung gestellt.

Das Gemälde zeigt – vor dem Hintergrund Pereladas - in dramatischer Darstellung die Gefangennahme des französischen Ritters. Deutlich erkennbar ein Heldenbild, wobei eine Frau die Heldin abgibt – eine in der Romantik des 1. Jahrhunderts oft anzutreffende Vorstellung. Es ist auch ein Bild mit katalanisch-nationalen Zügen. Das Volk – verköroert in dem Weibe – erhebt sich gegen den Eindringling, der sichtlich französische Züge trägt.

 

Perelada wird zerstört

 

Was das Ende und die Zerstörung Pereladas betrifft, differieren die Berichte von Bernat Desclot in seiner Crònica (1288) und Ramon Muntaners. Hinter Desclot verbirgt sich möglicherweise der offizielle Geschichtsschreiber Pere III., Bernat Escrivá.

 

Nach Desclot entschloss sich König Pere – mit Billigung seiner Noblen – Perelada zu verlassen, da dort nicht genügend Vorräte für eine lange Belagerung vorhanden waren und seine Gefangennahme das Ende der katalanischen Sache bedeutet hätte. Er  zog sich zunächst nach Castello d´Ampurias zurück. In Perelada hinterließ er den Grafen von Pallars als Befehlshaber, den Infanten und den Vizegrafen Rocaberti und ein Truppenkontingent zur Verteidigung des Ortes. Wegen des Mangels an Vorräten und der Übermacht der Franzosen beschlossen die Belagerten heimlich zu fliehen. Nach einer durchwachten Nacht erweckte man in der Morgendämmerung den Anschein, dass man sich zum Kampf rüstete, öffnete die Tore und floh, ehe die Franzosen sich näherten. Desclot schreibt, dass die Einwohner selbst die Stadt in Brand gesteckt hätten. Die Einwohner flohen nach Girona, wobei sie Heimat und Gut zurückließen, aber froh waren, ihr Leben gerettet zu haben. Die Adligen begaben sich nach Castello, wo sie dem König erklärten, warum sie Perelada aufgegeben hatten.

 

Nach Muntaner verließen der König und der Infant auf Anraten der Adligen Perelada, die Adligen selbst begaben sich an ihre Orte und Burgen, um dort den Franzosen Widerstand zu leisten. In der Stadt blieben der Graf von Pallars und einige andere Ritter sowie 5000 Almogàvers zurück. Die Einwohner von Peralada erklärten dem König, er könne unbesorgt wegziehen, sie seien in der Lage, den Feind aufzuhalten. Die verbleibenden Almogàvers waren wütend, dass sie in der belagerten Stadt bleiben sollten, während ihre wegziehenden Kampfgenossen Aussicht hatten, im Verlauf der Kämpfe Beute machen zu können. Mitten in der Nacht zündeten sie Perelada an, raubten, plünderten und verließen dann die den Ort. Die Stadt brannte völlig ab, die Einwohner verloren Hab und Gut, auch die Familie Muntaners,  und sie mussten Hals über Kopf fliehen.

 

Nach Muntaner blieb nur eine, wohl alte Dame, Na Palomera, zurück. Sie flüchtete vor den eindringenden Franzosen an den Marienaltar der Kirche Sant Marti und wurde dort von picardischen Soldaten – den „übelsten Leuten des ganzen Heeres“ – in Stücke gehauen, darüber hinaus Altar und Kirche geschändet. Muntaner drückt seine Abscheu über diesen Vorfall aus, obwohl er nicht alle französischen Soldaten schlecht macht. Die Guten unter ihnen“ hätten versucht, den Brand zu löschen und beklagt, dass ein „so schöner und reicher“ Ort verbrannt sei.

Nach der Einnahme Pereladas wurde Castello d´Ampuries von den französischen Soldaten besetzt. Die Einwohner hatten sich – mit Billigung des Königs – kampflos ergeben. Dort oder auf der Burg von Llers wurde -Karl von Valois vom Kardinallegaten des Papstes zum König von Aragon und Grafen von Barcelona gekrönt, in Ermangelung einer Krone mit einem Kardinalshut, weshalb er spöttisch als „der König mit dem Hut“ bezeichnet wurde.

 

Das Scheitern des Kreuzzuges

 

Das französische Heer belagerte und eroberte Girona. Doch dort endete der Kreuzzug mit einem Desaster. Mittlerweile hatte Admiral Roger de Llúria die französische Flotte bei Roses vernichtend geschlagen und  so den Nachschub der Franzosen unterbunden. Durch eine Seuche dezimiert – angeblich durch die aus dem geschändeten Sarkophag des Schutzheiligen von Girona, Narziss, gekommenen Fliegen – mussten sich die Franzosen auf den Rückweg begeben. Philipp der Schöne – der gegen den Kreuzzug war – handelte mit seinem Onkel Pere el Gran aus, dass wenigstens sein im Sterben liegender Vater, sein Bruder und der Kardinal mit ihrem Gefolge unbehelligt  den Pass Panissars überschreiten konnten. Über die übrigen geschwächten Truppen fielen die Almogávers her, metzelten sie nieder und machten reiche Beute.

Nach Bernat Desclot starb Philipp der Kühne in Perpignan, nach Muntaner schon im Hause des Adligen Simon von Vilanova ( im Castillo Vallgonera bei Perelada?) als „guter Christ“ – mit der Einsicht, dass der Kreuzzug ein Fehler war und mit dem Wunsch an den Thronfolger, Frieden mit dem Hause Aragon zu machen.

Wahrscheinlich ist Ramon Muntaner nur noch wenige Male kurz aus geschäftlichen Anlässen in seinen Geburtsort zurückgekehrt.

1325 bis 1328 verfasste er auf seinem Landsitz bei Valencia, wo er verschiedene Ämter bekleidete, seine „Chronik“. 1336 starb er auf Ibiza.

 

Muntaner - Chronist einer großen Epoche Kataloniens

Wir fragen uns, warum man in Katalonien das doch sehr weit zurück liegende Geburtsdatum dieses Mannes so beachtet. Muntaner beschreibt in „schönem“ Katalanisch sehr lebendig und umfassend Ereignisse einer Zeit, in der Aragon-Katalonien zur beherrschenden Macht des Mittelmeeraumes aufrückte. Dabei macht er keinen Hehl daraus, dass er seinen Heimatort und Katalonien liebt. Er ist „Patriot“, der Partei für sein Königshaus, sein Volk und seinen Widerstand gegen Unterdrückung und Willkür fremder Mächte nimmt. Dies macht verständlich, warum geschichtsbewusste Katalanen stolz auf  diese Zeit und diesen Autor sind. Die katalanischen Geschichtswerke der Epoche – es gibt deren mehrere – bilden ohne Zweifel eine Grundlage für das katalanische National- und Selbstbewusstsein.

 

Gastliches Perelada?

 

Dalmau Rocaberti hat seinerzeit König Alfons den "Weisen" wohl fürstlich bewirtet - sicher in der alten Burg, dessen Stelle heute der ehemalige Konvent San Bartolomé einnimmt. Wir wollten unseren Spaziergang auf der „Ruta Muntaner“ angesichts des neuen Schlosses im viel besuchten Restaurant  „El Grill del Celler“ beenden (von der den Besitzern des Schlosses gehörigen „Grup Perelada“ betrieben).

Wir waren zwar nicht angemeldet, aber das Lokal war nicht voll und ein so großes Lokal mit einigem Personal müsste die Ankunft von 16 Gästen bewältigen können. (In den touristischen Zeiten kommen sicher mehr Leute zu dieser Tageszeit.) Wir wurden unfreundlich empfangen und lange nicht beachtet. Dieses unprofessionelle Verhalten hat uns geärgert und veranlasst, aufzustehen und zu gehen. Im nahe gelegenen katalanischen Lokal „Can Pisarres“ machte man kein Aufhebens von unserer Ankunft. Wir erhielten sofort Plätze in dem kleinen, aber ansprechenden Gastraum, wurden freundlich bedient und bekamen ein schmackhaftes und preiswertes Menü.

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