Endlich ziehen sie ab - Das Übel des Massentourismus

Rückblick auf den Sommer 2021

Roses, eine Stadt an der Costa Brava - gleich hinter der französischen Grenze - hat 20 000 Einwohner. In der Saison beherbergt der Ort bis zu 100 000 Gäste. Corona hat dem in diesem Jahr kaum Abbruch getan. Was an Zuzug von Deutschen wegfiel, wurde von Franzosen ersetzt.

 

Der August geht zu Ende, in Roses wird es leerer, am Strand liegen sie nicht mehr dicht an dicht, in Lokalen gibt es wieder Plätze mit Abstand zu den Nachbarn, der Lärm, der Verkehr mit seinen endlosen und stockenden Autoschlangen lässt nach, man findet wieder Parkmöglichkeiten.

 

Die nicht an der Tourismusbranche Partizipierenden atmen auf. Für sie waren die letzten Wochen schlimm. Wir sind nur frühmorgens und abends an den Strand gegangen, haben uns im Zick-Zack auf den Promenaden und Straßen bewegt, um den Pulks der nicht auf Abstände achtenden Flanierenden und Joggenden auszuweichen. Einkaufen war nur in der Mittagszeit verantwortbar, an Ausflüge oder Teilnahme an Veranstaltungen war wegen der Überfüllung attraktiver Ziele und Ereignisse nicht zu denken. Nachts hörten wir das Geschrei der am Strand feiernden Jugendlichen und wurden durch das Geknatter der Mopeds und das Hupen der Autos der auf unserer kleinen Straße sich Wettrennen liefernden Fahrer geweckt. (Die Polizei war anscheinend machtlos oder wollte nicht eingreifen.). Morgens waren die Spuren der "Botellóns" am Strand und auf den Promenaden unübersehbar.

 

In der letzten Augustwoche sind wir in die Berge geflüchtet - ins Vall de Boí in den Pyrenäen. (Ich werde noch darüber ausführlicher berichten.) Aber auch dort war es voll. Das bei booking.com gebuchte und in den Userkommentaren gelobte große Hotel war schmutzig und vernachlässigt - Folge von Corona und des Andrangs ? - trotzdem ausgebucht. Vor den berühmten romanischen Kirchen bildeten sich zeitweilig Schlangen von Einlassbegehrenden. Auf den Wanderwegen in und um den Nationalpark Aigues Tortes war man nur selten allein. Trotzdem verliefen sich hier im ausgedehnten Raum die Touristen und wir genossen schöne Erlebnisse in der einmaligen Gebirgslandschaft mit ihren Seen und Bächen.

 

Im Vall de Boí machten fast nur Katalanen und Spanier mit ihren Familien Urlaub - ersichtlich nicht der untersten Klasse. Wir haben das als angenehm empfunden - vom manchmal lauten Kindergeschrei abgesehen. Die Leute waren freundlich und höflich - von der Ruppigkeit und Rücksichtslosigkei mancher Touristen in Roses war nichts zu spüren. Auf den Straßen der Dörfer, auf den Wanderwegen war kein Hundekot und Müll zu finden - wie in Roses. (Es ist offenbar ein besonderes Clientel von Besuchern, die dies dort bedenkenlos hinterläßt.)

 

Wir werden jedenfalls nicht mehr im Juli und August nach Roses kommen. Das wir nicht alleine so empfinden, zeigt ein Leserbrief vom 19.08. aus der "La Vanguardia", die ich hier in Auszügen (übersetzt) bringe:

 

"Diesen Sommer haben wir an verschiedenen Orten der Küste eine Invasion des Billigtourismus erlitten, der negativ durch schlechtes Verhalten, Lärm, Schmutz und Nichteinhaltung der minimalsten Regeln des zivilen Zusammenlebens auffiel. Die Lokalpolizei und die Mossos d´Esquadra haben nicht in überzeugender Weise gehandelt und die entsprechenden Personen wurden bestärkt.

Ist das der Tourismus, den wir brauchen? Gibt es keine Rezepte, um einen Tourismus höherer Qualität anzustreben?

Wenn das jeden Sommer so weitergeht, ist es für mich klar, dass ich Orte suche, wo ein Minimum an Ruhe garantiert ist - oder ich bleibe zuhause".

 

Das ist mir aus dem Herzen gesprochen und die Verantwortlichen in den Orten sollten das beherzigen. Nicht erwähnt werden in der Zuschrift die negativen Folgen des Massentourismus für die Umwelt: Meeres- und Naturbelastung, ungezügelte und hässliche Bebauung, Überforderung der Infrastruktur (um nur eines  zu nennen: die Kanalisation in Roses schafft es nicht mehr, die viele Sch... aufzunehmen), Luftverpestung durch Autoabgase, Feuergefahr usw. Auch soziale Folgen müssen gesehen werden: Beschwernisse und Erhöhung der Lebenskosten für Einwohner, Verdrängung aus Wohnungen, Überforderung und Ausnutzung von Personal... 

 

Dem Massentourismus müssen Grenzen gesetzt und Regeln auferlegt werden, vollends in Pandemiezeiten. "Geschäft" sollte nicht über alles gehen und "Augen zudrücken" um des Geschäftes willen ist verantwortungslos!

 

P.S. (Anfang September): Leider hat der September in Roses bisher nicht das gebracht, was wir von den Erfahrungen früherer Jahre her erwartet haben. Der Zustrom von Besuchern aus dem Nachbarland ist immer noch groß - jetzt meist Ältere. Aber immer noch wird unsere nächtliche Ruhe durch laute Exzesse Jüngerer gestört.

 

Das Klientel, das Roses besucht, hat sich verändert. Früher machten im Sommer vor allem Familien mit Kindern hier Urlaub - im Herbst meist ruhige ältere Paare. Es waren schon immer viele Franzosen - und natürlich Katalanen und Spanier - aber auch Menschen aus anderen Ländern: Deutsche, Schweizer, Niederländer, Engländer...Sie blieben dieses Jahr aus. 

 

Inzwischen kommen immer mehr Jüngere und Gruppen von Jugendlichen, vor allem aus Frankreich, hierher. Ein Teil von ihnen sieht in dem Aufenthalt vor allem die Gelegenheit, Frust durch Alkohol-, Drogen-, Sexkonsum und nächtliche Randale abzuladen. Es ist zu befürchten, dass hier eine Entwicklung zu Zuständen wie in Teilen Mallorcas oder in Lloret de Mar eintritt. Ob sich das im nächsten Jahr - vielleicht nach Rückgang der Pandemie - ändert, ist fraglich. Man hat dem keinen Einhalt geboten und die Leute sind auf den Geschmack gekommen.

 

Unten: Bildergalerie Roses Juli/August 2021 - viel Betrieb, aber auch ruhige Orte (wenn man sie sucht). Bildkommetar beim Anklicken.

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