Am 4. Juni 2025 machten wir uns – 15 „Kulturspaziergänger“ – auf den Weg nach Figueres. Die „Visita la Catedral de l´Aigua“ im Castell de Sant Ferran stand auf dem Programm – eine durchaus abenteuerliche Jeep-Fahrt durch die ausgedehnten Festungsgräben, der Gang durch einen unter den Wällen angelegten Stollen und die Fahrt mit Schlauchbooten auf den riesigen unterirdischen Wasserreservoirs der Festung war in die Besichtigung eingeschlossen.
Sant Ferran – strategisch hervorragend angelegt
Auf dem Aussichtsplatz vor dem Festungseingang machen wir uns die Lage der Anlage klar. Auf einem Hügelplateau über Figueres angelegt, hat die Festung eine strategisch hervorragende Position. Der Blick schweift über die nördliche Ebene des Alt Empordà zu den Alberes-Bergen bis zur französischen Grenze bei Jonquera. In der Ferne sieht man dort die 1679 von Vauban angelegte französische Gegenfestung Bellaguarda über La Perthus. Unter uns liegt die alte, von der französischen Grenze kommende Straße nach Figueres (heute N-II). Sie führt weiter ins Innere Kataloniens und Spaniens. Die vor uns liegenden hohen Erdwälle, die dahinter befindlichen, in erdfarbenen Bruchsteinen ausgeführten Befestigungsmauern und die mit Erdaufschüttungen bedeckten Gebäude machen die Festung - aus der Ferne gesehen - fast unsichtbar.

Die Festung wurde zur Sicherung der spanischen Grenze gebaut
Wie die Lage zeigt, war die Festung zur Sicherung der spanischen Grenze gut geeignet und wurde auch dafür errichtet. Dies war nach dem 1659 zwischen Frankreich (Ludwig XIV.) und Spanien (Philipp IV.) geschlossenen „Pyrenäenfrieden“ notwendig geworden. Um des Friedens willen verzichtete der spanische König auf die jenseits der Pyrenäen liegenden Teile Spaniens (u. a. Nordkatalonien), erhielt aber das von den Franzosen besetzte Zentralkatalonien zurück. Die Grenzlinie verlief fortan über die Pyrenäenberge.
Der Vertragsabschluss hinderte die Franzosen aber nicht daran, weiter Ansprüche auf Spanien zu stellen und in Spanien einzufallen („Spanischer Erbfolgekrieg“/1701-1714). Es dauerte allerdings lange, bis es zur Errichtung einer Grenzfestung kam, die die Grenze zwischen Frankreich und Spanien sichern sollte. Unter dem spanischen König Ferdinand VI. (1713-1759, 1746 König) fand die Grundsteinlegung der Festung Ferran am 13.12.1753 statt. Seine Berater – vor allem der Kriegs- und Marineminister Zenón de Somodevilla - hatten den Platz ausgewählt und der König in der Erinnerung an die Heirat seiner früh verlorenen Mutter Maria Luisa von Savoyen mit Philipp V. in Figueres dem Ort zugestimmt
Der König ... (Museo Naval, Madrid) / Der Premierminister ... (Museu Naval, Madrid)
14 Jahre schufteten und bauten ca. 4000 Arbeiter unter Anleitung der Architekten Pedro Martín Zermeño und dessen Sohn Juan Martín Zermeño an der Fertigstellung der Festung. Dazu wurde ein Kloster und Olivenhaine beseitigt, der Felsgrund vertieft und planiert. Außer den so gewonnenen Steinen mussten weitere aus umliegenden Steinbrüchen herbeigeschafft werden. Nicht alle Teile wurden fertiggestellt (u. a. die Kirche) und immer wieder fanden bauliche Anpassungen statt. Erst 1792 konnte eine ständige Garnison in die Festung verlegt werden.
Über eine ehemalige Zugbrücke und das Vortor im „Hornwerk“ San Roque betreten wir das Innere der Festung. Wir lassen uns daran erinnern, dass der heilige Rochus aus dem Mittelalter gegen Seuchen, vor allem die Pest, angerufen wurde. Die Entstehung von Seuchen war eine große Gefahr bei der Belagerung von Festungen. Zudem war die Besatzung von Sant Ferran der Übertragung von Krankheiten durch Mücken aus den umliegenden, damals noch sumpfigen Gegenden ausgesetzt. Deswegen legten die Baumeister der Festung großen Wert auf hygienische Verhältnisse.
Auf dem Platz vor dem Tor konnte man schon etwas von der Konstruktion der Festung wahrnehmen: rechts und links vorgelagerte Erdwälle („Glacis“); sie hielten feindlichen Beschuss auf, dann folgt der tiefe und breite Graben, der die Festung umzieht; in ihm waren Feinde dem Beschuss von den Schanzwerken ausgesetzt. Auf der rechten Seite blickt man auf die vorspringende Spitze einer der sechs Bastionen, der „Baluarte“ Sant Narciso, an ihrer Ecke fällt ein Wachtürmchen („Garita“) auf – es konnte bei einer Belagerung zur Hälfte abgenommen werden..
Eingang zu Festung Bastion San Narciso mit Garita und Graben
Auf einer Bastion – eine neuzeitliche Festungsbauweise wird deutlich
Nach dem Passieren des Tores erblicken wir links ehemalige Kasematten für das Wachpersonal, heute werden sie als Vorrats-, Ausstellungs-, und Informationsräume verwendet.
Wir steigen auf die Bastion San Dalmacio hinauf, die das Ende des Hornwerks San Roque bildet. Auf der großen begrünten Fläche sehen wir in den Mauern nach aussen gerichtete Luken, vor ihnen gepflasterte Plattformen, sogenannte „Troneras“. Auf ihnen standen Kanonen und konnten (als Vorderlader) zum Laden bewegt werden. Auf der rechten Seite blicken wir durch eine Luke auf die Bastion Santa Barbara, die mit der Bastion San Dalmacio und der dazwischen liegenden Mauer ein Hornwerk bildet (die Bastionen springen wie Hörner aus der Mauer hervor). Durch die Luke konnte man mit Kanonenschüssen das Feld zwischen den Bastionen bestreichen. In dieser Festungsanlage schoss man also nicht nur nach „vorne“, sondern auch seitwärts, im Gegensatz zu früheren Burganlagen oder Stadtummauerungen mit geraden Mauern. Außerdem blicken wir auf ein im Graben liegendes dreieckiges Vorwerk, das „Revelin“ de Sant José. In ihm konnte eine eigene Besatzung mit Kanonen stationiert werden.
Durch die Wälle, Gräben und das verwinkelte Befestigungssystem mit spitz zulaufenden Bastionen war es nahezu unmöglich wie in Befestigungsanlagen früherer Zeiten Breschen in die Mauern zu schießen oder leicht zum oder in das Innere der Festung vorzudringen. Man nennt diese durch die neuzeitliche Artillerieentwicklung veranlasste Festungsbauweise das „Bastionssystem à la italiana“ oder das „System Vauban“. Der französische Militäringenieur und Marschall unter Ludwig XIV., Sebastian Le Preste/de Vauban (1633-1707), hat die Bauweise zur Vervollkommnung getrieben.

Sant Ferran – eine Militärstadt der „Aufklärungszeit“
Wir kehren von der Bastion San Dalmacio auf die Straße zurück, die über eine weitere Brücke in das Zentrum der Festungsanlage führt. Auch diese Brücke war einst eine Zugbrücke – man hat die Zugbrücken wegen der technisch schwierigen und störanfälligen Bedienung abgeschafft. Ehemals gelangte man über die Brücke zum eigentlichen Tor der Festung. Von ihm zeugt nur noch eine Bildtafel und die riesigen Steinbrocken im Graben rechts. Das prächtige Tor fiel den Sprengungen beim Rückzug der Republikaner 1939 zum Opfer. Ferran war der letzte Rückzugsort der republikanischen Regierung Spaniens und ihrer Streitkräfte. Die republikanischen Truppen hatten im spanischen Bürgerkrieg große Mengen an von der Sowjetunion gelieferte Waffen und Munition in den Pferdeställen von Ferran gelagert - übrigens auch Kunstschätze Spaniens, Um das Kriegsmaterial nicht in die Hände der Franco-Truppen fallen zu lassen, wurde es gesprengt. Es gab eine gewaltige Explosion, die Teile der Festung zerstörten.
Historisches Bild mit dem Tor zur "Militärstadt" (Quelle: castellsantferran.com) und der heutige Zustand
Wir gehen durch das imaginäre Tor und schreiten auf der sogenannten „Königsstraße“ durch die sie umgebenden großen Gebäudekomplexe. Links blicken wir durch ein Torgitter in den grünen und mit Schwimmbad ausgestatteten Hof einer „Residencia Militar“ hinein. Die Residencia in der Art eines „Paradors“ ist Soldaten und ihren Familien oder besonderen Gästen vorbehalten. Hier verbrachte der Guardia-Civil-Kommandant Antonio Tejero Molina einen Teil seiner Haft, zu der er wegen seines gescheiterten Staatstreichs 1981 verurteilt wurde. Links folgen Versorgungsgebäude, u. a. die Bäckerei, in der in Garnisonszeiten gewaltige Rationen von Brot hergestellt wurden. Auf der rechten Seite der Straße liegt das ehemalige Arsenal, in dem Waffen untergebracht wurden (heute Ausstellungsräume).
Am Ende der Königstraße erwartet uns eine kostbar gepflasterte Torhalle. Über ihr lagen Unterkünfte für untere Offiziersgrade. Nach dem Durchschreiten der Halle liegt der riesige Waffenhof vor uns. Auf ihm wurde zum Appell angetreten, exerziert und trafen sich an Sonn- und Feiertagen die in Figueres wohnenden Familienangehörigen mit den Soldaten.
1. Bild: Blick auf den Waffenhof, am Ende Unterbringungstrakt für Offiziere und Durchgang zum späteren Gefängnis. 2. Bild: Die Wohngebäude für Familien höherer Offiziere, in der Mitte die Kirche. 3.Bild: Der Trakt für den Gouverneur und weitere Leitungspersonen 4. Bild: Die unvollendete Kirche.

Rechts befindet sich der Gebäudetrakt für das militärische und zivile Leitungsgremium der Festung („Estado Mayor“), in der Mitte (heute mit Balkon) der Sitz des Gouverneurs.
Links liegen Gebäude mit Wohnungen, in denen höhere Offiziere und zivile Amtsträger mit ihren Familien untergebracht waren. Die vielräumigen Wohnungen entsprachen nahezu dem Standard katalanischer Herrenhäuser. Eine der Wohnungen kann besichtigt werden und lässt mit Innenhof, Gesinderaum mit Kamin, hohen farbig ausgemaltem Salon, großen Fenstern mit Sitzbänken und einer Küche mit Abwaschbecken und Toilette noch etwas von früherem Luxus ahnen. Beachtenswert ist hier auch der Abwasserablauf, der Abwaschbecken und Toilette verbindet – er führte in den Graben – was von der Bemühung um hygienische Verhältnisse zeugt.
In der Mitte der linken Gebäudereihen erblicken wir Tor und Säulen der unvollendeten Kirche.
Ein schöner Säulengang, den man schnell und geschützt vor Wetterunbill durcheilen konnte, verbindet die Gebäude, die den Waffenhof umgeben.
Das nördliche Ende des Waffenhofes begrenzt eine Gebäudefront, in denen wieder untere Offiziere untergebracht waren.
In der Mitte befindet sich ein Tor, das ursprünglich zu Kasematten für Soldaten führte, die von 1906-1933 zu Gefängnisräumen umgewandelt wurden. In dieser Zeit beherbergte Ferran nicht nur eine Garnison, sondern auch zivile Strafgefangene. Bemerkenswert ist, dass die Gefangenen in Werkstätten verschiedenster Art arbeiteten, ihre Produkte auch verkaufen und sich so eine finanzielle Grundlage für die Zeit nach ihrer Entlassung schaffen konnten.
An den vier Ecken des Waffenhofes erheben sich die Brunnentröge, aus denen Wasser aus den unter dem Waffenhof liegenden Zisternen geschöpft wurde. Die Entnahme erfolgte aus Sicherheitsgründen nicht direkt aus den Reservoirs; das Wasser wurde durch verschließbare Zuleitungen in die Brunnen geleitet.
Was wir beim Blick über den Waffenhof sehen, ist nicht nur einfach ein Garnisonsgelände, sondern eine rational angelegte und hierarchisch gegliederte Militärstadt. Im Normalfall war sie für 4000 Soldaten und ziviles Personal konzipiert, hätte aber im Extremfall bis zu 7000 Personen aufnehmen können. Die Anlage ist nicht nur ein Zeugnis des „aufgeklärten Absolutismus“ – also der durch Berater ergänzten absolutistischen Herrschaft der Regenten – sondern auch der „Aufklärung“. In dieser Geistesbewegung des 18. Jahrhunderts wollte man die Verhältnisse, auch die militärischen, nach rationalen, „vernünftigen“, Prinzipien gestalten.
Das bedeutet aber keinesfalls, dass es nur um "Nützlichkeit" und "Zweckmäßigkeit" ging. Die Aufklärung hat eine eigenen Ästhetik hervorgebracht. In Architektur und Kunst, werden Symmetrie und Klarheit betont. Dabei nahm man klassische Formen auf, auch an die Antike anspielende Ornamente, Allegorien und Symbole. Funktionalität wird mit Ästhetik verbunden. Diese Bestrebungen sind in der Architektur von Sant Ferran unverkennbar.
Die Herrschaft von Ferdinand VI. war eine Zeit des wirtschaftlichen, kulturellen und wissenschaftlichen Aufschwungs. Der König und seine Frau Bárbara von Braganza waren große Mäzene der Künste, der Wissenschaften und förderten die Gründung kultureller und bildender Einrichtungen.
Unter dem König wurde die "Real Academia de Bellas Artes" in Madrid 1772 gegründet, die seinen Namen erhielt. In ihr erhielten Maler, Skulpteure und Architekten ihre Ausbildung im Geiste der Aufklärung. Der König förderte auch die Ausbildung von Militäringenieuren und Offizieren in eignen Akademien, z.B. die "Real Academie Militar de Matemáticas y Fortificación", die "Königliche Militärakademie für Mathematik und Befestigungen", in Barcelona, in der Juan Martín Zermeño ausgebildet wurde, der zweite Baumeister Ferrans. Die nachfolgenden zwei Bilder bezeugen dieses Aktivitäten.
Links: Darstellung und Verherrlichung des Königs als Förderer des Friedens (weiße allegorische Figur, abgelegte Waffen links unten im Bild, Engel mit Ölzweig), des Wohlstands, der Kunst und der Architektur (zweite Figur über der Friedensfrau und Gebäude im Hintergrund). Rechts: Die vom König gegründete "Real Academia de Belles Artes", Madrid (Quellenangaben beim Anklicken der Bilder)
Sant Ferran - symbolisch
Die ganze Festung ist ein Ausdruck der gesellschaftlichen, hierarchisch gegliederten Gesellschaft der damaligen Zeit und ihrer Geistesverfassung. Sie zeigt auch, welche Rolle gebildete Räte und wissenschaftlich ausgebildete Fachleute spielten.
An der Spitze steht der König, nach dem die Festung benannt wurde. Sie war ein Prestigeprojekt seiner Regierung und mit gewaltigen Kosten verbunden, die nur eine zentrale Regierung unter guten wirtschaftlichen Verhältnissen aufbringen konnte. Die größte Bastion wurde nach der Gemahlin des Königs, Maria Bárbara de Bragança, benannt, weitere Werke in Ermangelung von Kindern des Königspaares nach führenden Hauptbeteiligten (Arbeiter und Handwerker fanden keine Berücksichtigung!). Das Haupthornwerk erhielt seine Bezeichnung nach dem adligen Premierminister Zenon de Somodevilla. Andere Schanzwerke tragen die Namen der Familie des Erstbaumeisters: Juan Zermeño, Antonia Paredes (Frau), José (Sohn) und Pedro Zermeño (Sohn und Nachfolger).
Bemerkenswert ist auch, dass sich die Namensgebung nicht nur auf die lebenden Personen, sondern auch auf ihre Namenspatrone bezieht. Der König hat seinen Namen nach Ferdinand III. von Leon und Kastilien (1199-1252) erhalten, der auch als „der Heilige“ bezeichnet wird. Die Königin wurde auf den Namen der Heiligen Barbara getauft, die 306 in Nikomedien den Märtyrertod erlitt. Ihr Vater hielt sie in einem Turm gefangen, was dazu führte, dass sie im Himmel, u. a., für den Schutz von Festungen zuständig war.
Paradoxerweise hat das abendländische Militär seit alters her eine besondere Beziehung zur christlichen Religion, die ja eigentlich für Frieden sorgen sollte. Ich erinnere daran, dass die erste Atombomben-Testexplosion 1945 (lästerlicherweise) unter dem Code-Namen „Trinity“ (Dreifaltigkeit) durchgeführt wurde.
Die Festung sollte dem Frieden dienen
Die riesige und ausgeklügelte Festung sollte dem Frieden dienen, was ja ein Paradox darstellt.
Ferdinand VI. und seine Minister verfolgten eine geschickte Neutralitätspolitik zwischen den damaligen Großmächten Frankreich, England, Österreich und ihren Hegemonieansprüchen. Diese Politik bescherte Spanien eine seltene Friedenszeit während der Regierung des Königs. Er erhielt dann auch den Beinamen „El Pacifico“, der „Friedliebende“. Die Friedensliebe hinderte den König aber nicht daran – oder führte dazu – dass er die größte damalige Festung Europas, das größte Schlachtschiff, ein zahlreiches Landheer und eine große Seeflotte aufbauen ließ. Der „königliche Platz“ Ferrran war ein Stützpunkt seines „stehenden“ Heeres. Heute würde man sagen: er setzte auf „Abschreckung“. Die weitere Geschichte der Festung Ferran zeigt, dass dies Frankreich nicht abhielt, wieder nach Spanien überzugreifen.
Die „Abschreckungstheorie“ krankt daran, dass sie auf Waffentechnik setzt, aber menschliche Faktoren nicht oder zu wenig berücksichtigt: Machtwillen, Unvernunft und Unberechenbarkeit auf Seiten gegnerischer Führer oder fehlende Kriegsbereitschaft auf Seiten von Bedrohten können zu ihrer Unwirksamkeit führen. Faktisch war es die Politik, die Spanien Frieden brachte, nicht die Hochrüstung.
Nach der Inaugenscheinnahme des Waffenhofes besichtigen wir die schon beschriebene Offizierswohnung und erklimmen dann die größte Bastion, die Baluarte de Santa Bárbara. Sie ist im Westen über einer damals unbesiedelten Fläche gelegen, von wo aus ein feindlicher Angriff zu erwarten war. (Heute blickt man da auf den AVA-Bahnhof von Vilafant.). Was uns auf der großen Fläche der Bastion erwartet, ist eine Festung in der Festung, der „Caballero“. Dieses Schanzwerk war dazu bestimmt, mit Geschützstellungen, Unterkünften, Schutz- und Materialräumen, eigener Zisterne, unabhängig zu operieren, wurde aber nie fertiggestellt. Wir wandern zum Aussichtspunkt an der rechten Ecke und erblicken von dort aus den Aquädukt, - er überspannt die heutige Autobahn - über den Wasser von Quellen bei Llers in die Festung geführt wurde.
Wir kehren zur Offizierswohnung zurück und begeben uns durch den Säulengang zu Kirche. Auffällig sind die großen Pilaster. Sie waren dafür konzipiert ein schweres, durch Ziegel, Steine und Erde bombengeschütztes Dach zu tragen. Dazu ist es nicht gekommen. Das Schutzwerk für Dächer können wir aber auf seitlichen Mauern beobachten. Interessant sind auch Rohre dazwischen. Sie waren dazu bestimmt, Regenwasser abzuführen, was auch als Brauchwasser gesammelt wurde. In der Mitte der Kirchenfläche befand sich eine (jetzt verschlossene) Krypta , in der Offiziere in Grabnischen bestattet werden sollten, mindestens zeitweilig im Falle einer Belagerung. Auch dazu ist es nicht gekommen. Später wurde die Krypta als Zisterne verwendet, wie überhaupt Teilflächen der Festung auch landwirtschaftlich genutzt wurden. Eingangstore zur Kirche zeigen antik-griechische Verzierungen, die stilistisch passend erscheinen. Sie sind aber nicht original und gehen auf Dreharbeiten zum spanischen Film „Lysistrata“ (2002) zurück. Auch der Säulengang war Kulisse eines Films, nämlich der Kinoadaption des Romans „Das Parfüm“ (2006).
Malerische Kulissen in Ferran – und dunkle Flecken in der Geschichte der Festung
Tatsächlich bietet die Festung viele malerischen Kulissen, so die Kapelle im Gefängnisbereich, die auf einem Bild Dalís auftaucht.
Dalí verbrachte übrigens 1921 kurze Zeit als Gefangener in Ferran (er war wegen des Verdachts auf „revolutionäre Umtriebe“ festgenommen worden) und 1927 leistete er seinen Militärdienst in der Festung ab.
Zur wenig erwähnten „dunklen“ Geschichte Ferrans gehört, dass Ferran auch koloniales, militärisches und politisches Gefängnis war und Gegner der jeweiligen Regierungen aufnahm, so den ersten Präsidenten Kubas, Tomás Estrada Palma 1877 (wegen Rebellion gegen die spanische Kolonialherrschaft nach Ferran verbracht); in der späten Franco-Zeit wurden Militärdienstverweigerer, Pazifisten und Demokraten hier festgehalten; 1983 verbüßten Beteiligte am versuchten Staatstreich unter dem schon erwähnten Oberst Tejero Molina Haftstrafen in Ferran.
Eine weitere malerische Kulissen bietet der ehemalige „Hogar del Soldato“ – eine Art Bar für Soldaten – unter der Bastion Santa Tecla. Die arabisch inspirierten Kacheln erinnern daran, dass viele Soldaten in den nordafrikanischen Kolonien Dienst taten und sich hier wieder „heimisch“ fühlen sollten.
Eine malerische Kulisse bieten vor allem die Pferdeställe, in die es vom „Hogar“ hinuntergeht. Sie erinnern geradezu an Kirchenhallen und wären ein idealer Ort für Konzerte oder Theateraufführungen. Mit ihrer Ausdehnung und sinnvollen Gestaltung zeugen sie davon, wie wichtig damals die Kavallerie in der Kriegsführung war. In den Stallungen konnten 500 Pferde aufgenommen und versorgt werden. Die angemessene Unterbringung der empfindlichen und wertvollen Tiere war anscheinend wichtiger als die der einfachen Soldaten. So wurden denn die Pferdeställe mit ihrer räumlichen Großzügigkeit und ihrer durch die Tiere erzeugten Wärme immer wieder auch als Schlafstätte für Soldaten genutzt.
Der Tod eines Nationalhelden in den Pferdeställen
Die Festung Ferran hat keinen namhaften "Helden" hervorgebracht, der sich bei ihrer Verteidigung ausgezeichnet hätte (sehen wir von dem noch zu erwähnenden Mosén Rovira ab, der sich der Festung mit einer List bemächtigte und den namenlosen Soldaten, die den Belagerungen zum Opfer fielen). Bezeichnenderweise ist die Festung aber mit einem besiegten Nationalhelden verbunden, der einen schmählichen Tod in der Festung fand.
In einem Raum in den Pferdeställen finden wir den Gedenkort für den in den Stallungen festgehaltenen und verstorbenen spanischen General Mariano Álvarez de Castro.
Er war der militärische Befehlshaber bei der Belagerung Gironas durch die napoleonischen Truppen während des spanischen Unabhängigkeitskrieges. Nach der (von ihm abgelehnten) verlustreichen Kapitulation der Stadt, wurde er – schwer krank - als Kriegsgefangener nach Südfrankreich geführt und von dort in die Festung Sant Ferran gebracht. Er sollte in Barcelona vor ein Kriegsgericht gestellt und wahrscheinlich hingerichtet werden - zur Abschreckung der gegen das napoleonische Regime kämpfenden Aufständischen. In der Nacht vom 21. zum 22. Januar 1810 starb er, wohl auf einem Eisen-/Lederstuhl fixiert – eine Nachbildung des Stuhls ist in der Gedenkstätte aufgestellt.
Die genaue Todesursache ist unklar und gab zu Mythen Anlass (zwangsweise Schlafentzug durch die Bajonette der Bewacher, Gift o. a.). Seine zunächst in Figueres auf dem damaligen Friedhof um die Kirche San Pedro nächtlich-heimlich und unehrenhaft bestatteten sterblichen Reste wurden 1814 exhumiert, nach Barcelona und schließlich nach Girona überführt, wo sie in einem 1880 errichteten Mausoleum in der Kapelle Sant Narciso in der Kirche Sant Feliu ruhen. Obwohl kein Katalane, gilt er Katalanen, aber auch dem spanischen Militär als Nationalheld.
Links: Memorial des Generals Álvarez des Castro in den Pferdestellen von Ferran. Im Hintergrund die Nachbildung des Stuhls in einem Käfig, auf dem er angeblich verstarb. Rechts der General als Held von Girona.
Outdoor-Fahrt im Jeep durch die Gräben
In den Eingangsbereich der Festung zurückgekehrt erwarten uns Jeeps. Mit uns, die wir eng aneinander gedrückt sitzen, nehmen die Fahrer eine schnelle Fahrt über die holprige Piste in den Gräben auf. Wir werden ganz schön durchgeschüttelt.
Zwischen dem Revelin und der Hornabeque de Sant Zenon wird Halt eingelegt. Schnell ein Gruppenfoto, dann werden Helme mit Lampen, die wir erhalten haben, aufgesetzt und wir marschieren im Gänsemarsch in eine der engen und mannshohen „Contraminas“ (Gegenstollen oder besser: -galerien) hinein. Sie wurden in die Umwallung getrieben. Nach einiger Zeit gelangen wir in einen ersten Quergang mit kleinen Kammern an den Enden. Hier konnten Soldaten postiert werden mit der Aufgabe zu lauschen und festzustellen, ob der Feind dabei war, seinerseits Minen anzulegen (daher „Contra-Minas“). Im Verlauf der Galerie gibt es weitere Quergänge mit Lauschkammern. Wir stellen uns vor, wie Soldaten in den dunklen und kalten Kammern stundenlang still sitzen oder stehen und lauschen müssen. Ein ruhiger Job, aber kaum sehr attraktiv.
Eine Festung wie San Ferran war nur durch eine lange Belagerung oder durch Unterminierung zu knacken. Bei der Eroberung der Festung Roses durch die Franzosen 1645 ist dies geschehen. In einem solchen Fall wurde Minen bis zu den Mauern vorgetrieben und durch Sprengungen Breschen geschlagen - oder man gelangte im besten Fall ins Innere der Festung und konnte so beginnen, die Besatzung zu überwältigen. Dieser Bedrohung sind die Baumeister von Ferran mit ihrem Netz von Contraminen entgegengetreten. Der Plan war, wenn die Horchposten in den Contraminen bemerken, dass gegnerische „Wühlmäuse“ am Werke sind, dann wird man versuchen, über die eigene Galerie der gegnerischen nahe zu kommen und sie durch Sprengung zum Einsturz zu bringen. Theoretisch alles sehr sinnreich, es ist aber fraglich, ob die aufwendige Einrichtung der Gegengalerien in Ferran je zur Anwendung kam. Meines Wissens wird von keinem Versuch berichtet, die Festung durch Unterminierung einzunehmen.
Die Fahrt geht weiter und die Fahrer machen Halt vor einem langgestreckten Gebäudekomplex. Es sind Kasematten, die sich aus einzelnen Räumen für Soldaten zusammensetzen. Die Räume, in denen jeweils bis zu 30 Soldaten unterbracht wurden, sind hoch und konnten durch große Türen und darüber angebrachte Fenster gut durchlüftet werden. Im Winter muss es allerdings sehr kalt gewesen sein. Es wird uns erklärt, dass jeder Soldat ein eigenes Bettgestell besaß. Das sei ein Fortschritt gewesen, denn vorher war es üblich, dass drei Soldaten eine Bettstatt gemeinsam benutzten und sie je nach Schicht freimachten und belegten.
Der Unterschied zur Unterbringung der (meist adligen) Offiziere ist augenfällig. Der einfache, im Dienst eines Regenten stehende Soldat bekam nur wenig von den Errungenschaften der „Aufklärung“ ab - zu denen die Forderung der allgemeinen Menschenrechte gehörte – auch wenn dieser Regent sich als „aufgeklärt“ verstand.
Die Festung wurde immer wieder aufgegeben
Hat es dieses aufwendige und kostspielige Bollwerk die Zwecke erfüllt, für die es errichtet wurde? Seine Geschichte mag eine Antwort darauf zu geben.
1794 wurde die Festung, nachdem die spanischen Truppen in der Schlacht bei Roure (über Pont de Molins) geschlagen waren und ihr Kommandant und Gouverneur von Ferran, der Conde de La Unión, gefallen war, ohne Gegenwehr an die französischen Revolutionstruppen übergeben. Das fand viel Kritik in Spanien und Beachtung in ganz Europa, wobei die Kommentare unterschiedlich ausfielen. Der nachgerückte Gouverneur von Ferran, Torres, wurde später von einem spanischen Kriegsgericht wegen der kampflosen Kapitulation zum Tode verurteilt, was aber dann vom König in lebenslange Haft umgewandelt wurde. (Als ehrenhaft galt es, wenn eine Festung nach viermonatiger Belagerung übergeben wurde.)
In der Folge nannten die Franzosen Ferran spöttisch „La Belle Inutile“ (die schöne Nutzlose).
Man muss aber bedenken, dass eine Belagerung - wie etwa bei der französischen Belagerung der Festung Roses 1645 - enorme Opfer unter Belagerten und Belagerern forderte. In Roses gab es unter den 12 000 französischen Belagerern 3000 Tote, unter den 3000 belagerten Spaniern 1500, von den hohen Zahl der Verwundeten und anderweitig Ausgefallenen nicht zu reden.
Hinzu kommt, dass das französische Parlament nach dem Bruch eines Abkommen durch den Grafen de la Union beschlossen hatte, keine Kriegsgefangenen mehr zu machen. Der die Belagerung anführende französische General Pérignon hatte der Besatzung von Ferran angedroht, sie nach der Einnahme der Festung „durch die Schwerter (Bajonette)“ seiner Soldaten laufen zu lassen, aber angeboten, bei unverzüglicher Kapitulation Gnade walten zu lassen und Offiziere und Soldaten als Kriegsgefangenen zu schonen.
Jedenfalls ersparte die mit Mehrheit getroffene Entscheidung des Offiziersgremiums zur Übergabe der Festung der Besatzung und dem sonstigen Personal grausame Behandlung und in vielen Fällen den sicheren Tod.
Die kaum fertig gestellte Festung war ohnehin auf eine Belagerung schlecht vorbereitet und die verlorene Schlacht von Roure hatte dazu geführt, dass flüchtende Soldaten in die Festung geströmt waren, dadurch chaotische Verhältnisse entstanden und die Zahl der in Ferran befindlichen Personen auf 10000 angeschwollen war. Unter all diesen Umständen kann man die Kapitulation als ein Akt der Vernunft und Menschlichkeit betrachten.

Die Schlacht von Roure bezeichnet einen militärgeschichtlichen Wendepunkt. Kriegsentscheidungen wurden nicht mehr vor Festungen gesucht, sondern in Feldschlachten. Dabei kämpften nicht nur Söldner stehender Heere, sondern zunehmend ideologisch ausgerichtete Volksbataillone, wie die französischen Revolutionstruppen, die katalanischen „Miqueletes“, "Trabucaires" und „Somatentes“ oder die deutschen Freikorps in den „Freiheitskriegen“ gegen Napoleon. Zusammen mit der fortschreitenden Entwicklung der Waffentechnik verloren im 19. Jahrhundert Festungen an Bedeutung in der Kriegsführung.
1811 bemächtigten sich katalanische Freischärler und eine geringe Zahl regulärer Truppen unter Führung eines unter das Militär gegangenen Geistlichen namens Francesc Rovira mit einer List (nachgemachter Schlüssel) der Festung, das war die sogenannte Rovirada. Nach vier Monaten Belagerung musste die Besatzung Ferrans vor den napoleonischen Truppen kapitulieren. Bombardierungen, Krankheiten, Hunger, Ausfälle, Munitionsmangel, Fehlschläge und nicht durchführbare Unterstützung von außen zwang sie zur Aufgabe.
Die "Rovirada": Das Castell Sant Ferran wird 1811 von katalanischen Freischärlern im Handstreich übernommen. Nachgestellte Szenen in der Festung.
Auch nach einer erneuten Belagerung 1823 durch französische und spanisch-königstreue Truppen kapitulierte die Festung. Die französischen Truppen waren vom spanischen Monarchen Fernando VII. ins Land gerufen worden, um die liberale Regierung zu beseitigen. Wieder musste die Besatzung Ferrans, die von einem regierungstreuen General befehligt wurde, auf Grund von Versorgungsmangel und tödlichen Fiebererkrankungen kapitulieren.
Nach diesen geschichtlichen Vorkommnissen kommt Zweifel an Sinn und Nutzen der Riesenfestung auf.
Bei unserer Besichtigung fragten Teilnehmer, wie denn das historische Monument heute genutzt werden könnte. Die Antwort unserer Führerin bei der Jeep-Rundfahrt war, man plane die Anlage als Militärmuseum auszugestalten - sofern das Geld dafür aufgetrieben werden könnte. Die Ansätze dazu sind gemacht, aber ob das genügt, um mehr Besucher anzuziehen, mag fraglich sein.
La Catedral de l´Aigua – eine faszinierende Befahrung der unterirdischen Zisternen
Sei dem, wie es sei. Uns stand bei unserer Besichtigungstour ein weiteres Abenteuer bevor.
Die "Kathedrale des Wassers" in der Festung Ferran
Wieder am Waffenplatz angekommen, wurde ein Verschluss im Boden angehoben, die Helme mussten aufgesetzt werden und über Treppen ging es in einem engen Schacht acht Meter zu den Zisternen hinunter.
In einem Vorraum sammeln wir uns, rechts und links gehen Stollen mit Wasserrinnen ab. Sie sind dazu da, um überschüssiges Wasser abzuführen. Wir werden in kleine Gruppen eingeteilt. Die ersten beiden Gruppen klettern rechts und links über Leitern Wände hinauf, die die Zisternen fassen. Oben angekommen, müssen die Schuhe auf einer kleinen Fläche abgelegt werden. Ein Guide hilft in die Schlauchboote, in der wir eng gekauert Platz nehmen. Dann paddelt er die Teilnehmer über die Wasserflächen durch gewölbte Hallen, Pfeilerbögen und niedrige Tore, die zu weiteren Becken führen: Kopf einziehen und es geht hindurch. Der Eindruck einer sich aus dem Wasser erhebenden Kathedrale liegt tatsächlich nahe. Die Lampe des Guide lässt Wasserflächen und Wände aufleuchten. Das Wasser schimmert im Licht grünlich, ist glasklar und bei Berührung sehr kalt. Hineinfallen sollte hier niemand.
Nachdem alle Gruppen durch sind, treffen wir uns wieder an der Oberfläche. Wer sich dem Abenteuer unterzogen hat, ist beeindruckt. Diese Zisternen sind offenbar eine technische Meisterleistung. Wir fragen uns, wie es möglich ist, dass das Wasser, das doch offenbar schon lange in den Zisternen steht, so rein erscheint und die Wände, die es halten, ohne Bewuchs bleiben. Es könnte an der niedrigen Temperatur und der relativen Geschlossenheit des Zisternensystems liegen. Zudem dürfte ein Verdunstungskreislauf für die Reinigung des Wassers sorgen.
Ursprünglich wurden die Anlagen nur von wenigen Personen für Wartungsarbeiten betreten. Mit zunehmender Besucherzahl könnten Störungen des Stabilisierungssystems auftreten, wie man sie in Besucherhöhlen beobachtet.
Mit dem Besuch der Zisternen beendeten wir unsere Zeit in Ferran.
Das Buch, auf das ich mich hier mit meinen Informationen hauptsächlich beziehe, heißt: „Dos Horas en … El Castillo de San Fernando de Figueres“ und wurde 2007 von „Les Fortaleses Catalanes“ herausgegeben. Ich habe es bei einem früheren Besuch des Castillos erworben.
Wir haben nicht nur „Zwei Stunden“ im Castillo verbracht, sondern einen ganzen Vormittag und den halben Nachmittag. Beeindruckt, aber auch erschöpft vom Erlebten und Erfahrenen, auch mit Fragen, verließen wir die Stätte. Das späte Mittagessen im ausgezeichneten Restaurant „9Suprem“ in Vilafant war wohl verdient und ein guter Abschluss
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