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01.05.2014: Vom "Pla de Tudela" zur "Cala Culip" - Ein geologisch-künstlerisch-literarischer Spaziergang am Cap de Creus
Die „Wilde Meile“ des Cap de Creus
Das Cap de Creus bildet den äußersten nordöstlichen Zipfel der iberischen Halbinsel. Hier stürzen die „Pyrenäen in grandiosem geologischen Taumel ins Meer“ (Salvador Dali). Wer das Cap in seiner Urgestalt erleben will, der sollte diesen Weg gehen.
Man fährt über Cadaques Richtung Far/Leuchtturm. Zunächst führt die schmale Straße durch „kultiviertes“ Gelände: moderne Residenzen, mit braunen Bruchsteinen der Gegend errichtet, Gärten mit Olivenpflanzungen auf Terrassen, immer wieder Ausblicke auf Meeresbuchten – an Port Lligat vorbei – dem Heim Dalis und seiner Gala – dann wird die Gegend wilder, Mittelmeerheide, kärgliche Wiesen, klotzige Felsen säumen den Weg. Vor der Erhebung mit dem Leuchtturm geht links ein Weg ab, der durch eine Schranke versperrt ist. Heute, am 1. Mai, ist sie geöffnet. Vor einem Parkplatz bezahlen wir 5.- Euro Parkgebühr und stellen die Pkw.s ab. Die Utensilien für ein geplantes Picknick werden mitgenommen und dann geht’s auf die Piste, die sich durch die Felsenlandschaft hinunter zum Meer schlängelt.
Schon hier fällt der Blick auf bizarre Felsformationen, rechts erhebt sich „es Camel“ - ein hellfarbiges Steingebilde, das deutlich die Gestalt eines Kamels zeigt. Karger Bewuchs zeigt an, dass hier unwirtliche Bedingungen für Pflanzen herrschen, Trockenheit, starke Winde…Trotzdem: in kleinen Inseln leuchten rote Mittagsblumen zwischen den Steinen, die gelbe Sempre Viva blüht neben ebenfalls gelben Wucherblumen und Reichardien, auch Malven erheben sich auf hohen Stengeln, Wacholderbüsche schmiegen sich an Felsbrocken an. Nur mühsam halten sich an geschützten und feuchten Stellen einige Pinien.
Wie immer, werden die Bildergalerien durch Anklicken vergrößert und öffnet sich eine Beschriftung.
Ich danke allen, die mir Bilder zur Verfügung gestellt haben, vor allem Winfried.
Treppen führen zu zwei Aussichtspunkten hinauf, die von rostbraunen Eisenkuben bedeckt sind. Von hier blickt man übers Meer und die von schmalen Buchten eingeschnittene Felsenküste. Rechts talförmig zwischen den sich chaotisch auftürmenden steinernen Formationen die „Pla de Tudela“. Hier, wo wir stehen, und unter uns, bedeckten die Komplexe und Häuser der Feriensiedlung des „Club Meditiranée“ die Flächen. Ab 1961 wurden sie in diese einmalige Landschaft gesetzt, mit 430 Gebäuden. 2003 wurde der Club geschlossen, nachdem 1998 das Cap de Creus zum „Naturpark“ erklärt wurde. Die Anlage wurde – wie es heißt - für 5 Millionen Euro von Katalonien erworben. 2007-2010 wurden die Häuser im Auftrag des katalanischen Umweltministeriums abgerissen, das Gebiet renaturalisiert und landschaftsgemäße Wege zur Begehung angelegt. Eine der „Sünden“ des von Franco initiierten Massentourismus wurde beseitigt. Aber still und heimlich wurde eine neue Umweltsünde begangen. Die kontaminierten Baureste wurden in Roses-Santa Margarita in eine geschützte Wasserzone der Aiguamolls gekippt, um dort die Grundlage für die Erweiterung einer Werft zu bilden! Klagen einer Eigentümergemeinschaft von Santa Margarita werden von Instanz zu Instanz gereicht und verschleppt.
Auf dem Aussichtspunkt finden wir eine Eisensäule, auf der ein Dali-Zitat eingestanzt ist (an den Architekten des geplanten Ferien-Dorfes gerichtet?) :
„Dieser Teil, der sich zwischen dem `Kamel` und dem ´Adler` befindet, den du kennst und schätzt wie ich, ist und muss REINE GEOLOGIE bleiben – ohne ihn mit irgendetwas zu vermischen, daraus mache ich eine Grundsatzfrage! Es ist eine MYTHOLOGISCHE Landschaft, mehr für Götter gemacht als für Menschen und muss so weiter bestehen!“
„Geologische“ Landschaft – der Dichter Sagarra sagt „brutal Mineral“ – und „mythologische“ Landschaft, das kennzeichnet unseren Weg!
Geologische Landschaft
Das Cap de Creus ist ein Rest des Erdzeitalters - vor ca. 400 Millionen Jahren im Zuge der „hercynischen“ Faltung empor gehoben, lange vor der Faltung der Pyrenäen ( 50 Millionen Jahre), und dann im Laufe der Zeit von Wetter, Wind und Wasser, abgetragen und geformt.
„Metamorphe“ Gesteine prägen das Bild. Die hellen, gelblich-rötlichen Felsbänder und –klötze bestehen aus „Pegmatit“ – ein magmatisches Gestein. Es hat sich am Rande von glutflüssigen unterirdischen Magmaansammlungen gebildet und ist wie Granit aus Feldspat, Quarz und Glimmer zusammengesetzt. Durch niedrige Temperaturen am Rande der Magmakammern konnten sich große Kristalle bilden, vielfach glitzernder Glimmer, aber auch quarzhaltige Edelsteine. Oxydiertes Eisen erzeugt die oft rötliche Farbe. Durchschossen sind die Pegmatite häufig von Bändern und Ansammlungen anderer Gesteine, die sich schwarz heraus heben : Basalt, Obsidian, Graphit, Schiefer…Vom Urgebirge sind nur die nackten, von den Erdkräften durcheinander gemengten von der Witterung bearbeiteten und oft durchlöcherten Steine geblieben, der harte, aber manchmal in weichen Formen modellierte Kern – ein aufgeschlagenes geologisches Lehrbuch! Doch herrscht hier kein logisches System! Nur hier in der Welt tritt das Pegmatit-Gestein in solchen Formationen offen zu Tage! Bei seiner Formung sind bizarre, mythisch anmutende Gestalten entstanden, das Bilderbuch einer Traum- und Urwelt! Es scheint, als habe sich die Natur als phantastischer Künstler betätigt und wolle unsere Phantasie mit ihren Gebilden zur nachschaffenden Tätigkeit anregen! Nicht umsonst hat sie hier Maler wie Dali und Dichter wie Fages de Climent inspiriert.
Doch zurück zur Geologie. Das zweite Hauptgestein – sich dunkel vom hellen Pegmatit abhebend, ist der Schiefer, meist fester Tonschiefer, der blättrig und längsgerichtet hervortritt. Er stammt aus tonigen Ablagerungen eines Urmeeres („Thetysmeer“), geriet dann unter starken Druck und hohe Temperaturen und wurde dadurch verändert, ist also auch metamorphes Gestein. (Der Pegmatit ist durch die Schieferschicht emporgeschoben worden.)
Ein drittes Gestein ist der Marmor. Sein Ursprung sind kalkige Meeresablagerungen. Auch er hat sich unter Druck und hohen Temperaturen gebildet.
Mythische Landschaft
Das Cap de Creus und insbesondere unser Weg ist Dalis „mentale Landschaft“, die oft mit ihren Felsen, Buchten und dem mediterranen Licht den Hintergrund seiner Bilder bildet. Er hat sie schon früh mit Gestalten aus der griechischen Mythologie belebt.
Sein Freund, Carles Fages de Climent aus Figueres (1902 – 1968), hat dies aufgenommen. (Zu dem Schriftsteller siehe auch den Bericht: „Vilasacra – Hauptstadt der Welt“ unter : Wege.Orte.Menschen im Blog und: "Aiguamolls - Auf den Spuren des Dichters Fages de Climent".) In seiner Dichtung „ Somni de Cap de Creus“ ("Der Traum vom Cap de Creus" – 2003 posthum veröffentlicht) beschwört er die griechischen Götter und Helden und lässt sie am Cap de Creus Aufenthalt nehmen. Er, der alte Sprachen studiert und über Homer promoviert hat, kannte sich in der Welt der Griechen gut aus und sah sie bei seinen Spaziergängen in der mythisch-mittelmeerischen Landschaft des Cap wieder lebendig werden, da wo ihre Schiffe von Massilia (Marseille) kommend, nach Rhode (Roses) und Emporion (Empúries) dahin zogen, manchmal wohl in den Buchten ankernd oder auch an dem windumtosten Vorgebirge Schiffbruch erleidend.
Hier ein Kurz-Blick auf das Cap de Creus im „Somni“. Der Wegelagerer Joan de Serralonga (Anfang des 17. Jahrhunderts) pilgert zum Kloster Sant Pere de Rodas. Dort führt ihn ein Vorfahr von Carles Fages de Climent, der Kellerer Bruder Jeroni Climent, später Abt des Klosters, und erklärt ihm die Gegend: -
„Sage mir, guter Kellerer,
was ist diese blaue Landzunge?
– Das ist das Cap de Creus,
die Alten nannten sie das goldene Cap der Aphrodite,
der Palast der Tramuntana (Nordwind).
Hier fischen Taucher
nach alten römischen Amphoren.
Die Felsen-Sirene und Orpheus
singen von einem zum anderen Ort.
Die Taucher pflegen Griechen zu sein
und noch verstehen sie (griechische) Worte.“
(Die letzte Aussage bezieht sich auf griechische Taucher, die Ende des 19. Jahrhunderts nach Cadaques geholt wurden.)
Die Gedichtsammlung wird mit der Weltschöpfung eröffnet, wobei der Autor biblische Mythen mit griechischen vermischt. Die griechischen Götter, deren Untergang mit dem Stern von Bethlehem vorgezeichnet ist, nehmen ihren Sommeraufenthalt an der empordanesischen Küste.
Der eigentliche Beginn des Werkes liegt bei einem Traum, den der Autor am Cap hat – in der Nähe des verlassenen Hauses seiner Vorfahren bei Selva de Mar:
„Allein, im Tal, der dunkle Scheitel der Berge,
fern von allen – wenn ich geschlafen hätte, würde ich nicht reden,
hellwach umklammern mich Träume –
spürte ich den Hauch von schwachem Nebel
zu den Terrassen hin, umgürtet von Fels,
wo die Geißel des Regens
manchmal einen trügerischen Purpur abwischt
-Vorspiel des Wunders.
Ihm erscheint Aphrodite, die Liebesgöttin, in der Gestalt einer Marmorstatue mit zerbrochenen Armen – wie die Venus von Milo. Das Cap war ihr Territorium, ehe der Christengott kam und es zum „Cap des Kreuzes“ wurde. Antike Schriftsteller wie Strabo berichten von einem Tempel der Aphrodite Pyrenaica in der Gegend, der hell leuchtend und weit vom Meer aus zu sehen war. Vielleicht stand er da, wo sich heute das Kloster Sant Pere de Rodas erhebt.
Im Verlaufe der Unterredung mit dem Dichter wird die Göttin lebendig, der Poet hingegen, der sie zu umarmen versucht, wird zur Statue. Aphrodite, ihren Begleitern, Attributen und Geschichten ist ein großer Teil der Gedichte im „antiken “, ersten Teil des Werkes gewidmet. Auch eine Reihe anderer Gestalten der griechischen Sage tauchen auf, so der Sänger Orpheus, der am Cap Norfeu beheimatet wird, oder der Hirten-Gott Pan. Er lebt auf dem Berg „Pení“ (gesprochen: Paní) als Jäger mit Flinte und Hund. In einem Zwiegespräch mit dem Märtyrer Sebastian (verehrt in der Einsiedelei Sant Sebastià über Cadaques) feiert Pan, der die Natur belebt, die Naturreligion, Sebastian dagegen die Erlösung durch Christus. Die Meernymphe Calypso erscheint in der Bucht Culip und weint darüber, dass Odysseus sie verlassen hat.
In einem Dialog zwischen dem Erzengel Gabriel und dem Götterboten Merkur vertritt der Verkündigungsengel zwar die Auffassung, dass die griechische Götterwelt durch das Erscheinen Jesu Christi abgetan sei, akzeptiert aber, dass sie eine gloriose Wiedergeburt in der Kunst der Renaissance erfahren habe und wenigstens „museale“ Verehrung erfahren solle.
Der Erzengel billigt den Plan, dass der Göttervater Zeus einen Dichterwettstreit („Joc Florals“) im „Amphitheater“ der Cala Tamariua am Cap einberuft – unter der Schirmherrschaft des Kaisers Augustus („Octavi el Gran“). Dieser Wettstreit wird im zweiten Teil ausgeführt. Natürlich sind es Gedichte von Fages de Climent in katalanischer Sprache, die die Blumenpreise davontragen – bis auf eine Ausnahme: die „Erfindung“ des katalanischen Nationaltanzes Sardanes, die auch einen Preis erhält.
Der dritte, „volkstümliche“ und „christliche“ Teil des Werkes beginnt mit einer „Hymne der Schmuggler“, wird unter anderem mit einem „Gesang der Korallenfischer“ fortgesetzt, enthält aber auch Stücke wie ein Pilgerlied zur Verehrung des „glorreichen“ Hauptes des Apostels Petrus im Kloster Sant Pere de Rodas und ein Lied auf den Jakobsweg, denn Sant Jakob habe den ersten Schritt auf iberischen Boden in Empúries getan. Den 28. Gesang bildet „Die Messe Karls des Großen“ mit seinen Palladinen in Sant Pere de Rodas. In einer Christnacht vollzieht Karl selbst die Messe – ohne Zutun des Abtes unter Leitung des Heiligen Geistes – mit dem heiligen Gralskelch, den Roland dem frevlerischen Zauberer Klingsor auf der Burg Quermanço entrissen hat. (Zum Gral siehe auch meine Erzählung: "Der Gral... Unter: Blog/Legenden.Mythen.Erzählungen).
Den Schluss der Poeme bildet das bekannte „Gebet an den Christ der Tramuntana“ (von Dali bildnerisch gestaltet), und eine Anrufung des „Parakleten“, den „Tröster Heiliger Geist“, der alles belebt und inspiriert, auch den Dichter.
Oració al Crist de la Tramuntana
Arme gekreuzt über dem frommen Holz,
Herr, schütze die Weide und das Saatfeld;
gib rechtes Grün unserer Wiese
und messe die Tramuntana richtig,
dass das Gras austrockne und nicht der Weizens zerstreut werde.
Vielleicht sollte angemerkt werden, dass das Werk von Fages de Climent ein literarischer Ausläufer des „Noucentisme“ ist, jener katalanischer Stilrichtung im ersten Drittel des 20. Jahrhunderts, die zur katalanischen, die klassisch-antike Tradition aufnimmt. Wir achten bei unseren Kulturspaziergängen auf Zusammenhänge. Bei Aristide Maillol in Banyuls-sur-Mer und bei den Bildhauern und Malern der Oloter Schule sahen wir den Rückgriff auf antike Formen in der Kunst. In s´ Agaró fühlten wir uns bei den über dem Meer auf Felsen thronenden Loggien an griechische Tempel erinnert – der Architekt Rafael Masó hat klassische Tradition in die katalanische Architektur eingebracht. (Siehe Bericht unter 17.04.14.) Auch die archäologischen Ausgrabungen in den griechisch-römischen Ruinen von Empúries zu Beginn des 20. Jahrhunderts (Josep Puig i Cadafalch) sind „noucentistisch“ inspiriert und haben als solche weiter gewirkt.
Auf dem Weg
Natürlich konnte Fages de Climent auf unserem Spaziergang nicht in aller Ausführlichkeit zitiert werden. Das Auge hatte auch genug zu tun mit den geologischen Beobachtungen, der Betrachtung der Blumen, der Landschaft und den Felsbildungen.
Am Anfang des Weges – unterhalb der schon genannten Aussichtspunkte – befindet sich eine weitere Aussichtsplattform, der „Mirador de la Gran Sala“. Hier sind Tafeln aufgestellt, die die Besonderheiten des Ortes aufschlüsseln. Unter anderem ist ein Entwurf zu sehen, den Dali für die Gestaltung der Häuser des Club Mediterranée gemacht hat – und dann ein Bild der tatsächlichen Ausführung. Man versteht, warum Dali und seine Schwester Ana María nach der Errichtung der Feriensiedlung den Pla de Tudela nicht mehr besuchen wollten
Unweit davon scheint auf einem Pegmatitberg ein steinerner Adler seine Schwingen zum Abflug zu lüften. Etwas darunter entdecken wir unseren Hund „Fritz“ wieder – als Steinskulptur. Auf dem weiteren Weg regen viele Felsgestaltungen an, in ihnen Verkörperungen tierischer oder menschlicher Gestalten zu sehen. In Eisen gestanzte Umrisse am Wegesrand deuten auf die traditionellen Bezeichnungen der Fischer hin, aber man sollte hier der eigenen Phantasie freien Lauf lassen. Manchmal glaubt man sich in einem „Jurassic Park“ zu befinden, so urweltlich wirkt die Szenerie. Saurier und Echsen in Stein gibt es zuhauf.
Viele Bilder - danach geht´s weiter mit dem Bericht
In der frühen Selbstbiographie Dali („Das geheime Leben des Salvador Dali“, 1942) lesen wir, dass ihn „die Betrachtung dieser Felsen“ mit ihren je nach Standort wechselnden Konturen zur „Ästhetik des Weichen und des Harten“ und der Entdeckung des Prinzips der „paranoischen Metamorphose“ angeregt hat, Prinzipien, die sich in seinem Denken, seiner Lebenshaltung und in seinen Bildern wiederfinden.
Wir sind auf der Suche nach dem Steingebilde, das Vorlage zu seinem Bild „Der große Masturbator“ (1929) ist. Dali hat es nach dem ersten Zusammensein mit Gala geschaffen. Es drückt den Zustand aus, in dem sie ihn bei ihrer Abreise zurücklies. Wir finden die unscheinbare Steinfigur vor der Cala Culleró in etwas Abstand zum Weg. Die Form der Figur ist auf dem Bild Dalis deutlich zu erkennen! Interessant ist, was Dali daraus gemacht hat!
Am Ende des Weges, in der Cala Culip lassen wir uns zum Picknick nieder. Wir aßen zwar nicht wie Dali und Gala „mit den Fischern zusammen gebratene Sardinen und Koteletts am Cap Creus“. (War es an dieser eindrucksvollen Stelle mit Ausblick auf Bucht und Leuchtturm?) Aber, was jeder mitgebracht hatte und der gespendete Cava, mundeten uns in dieser Umgebung genauso wie dem berühmten Paar. Die tränenreiche Calypso hatte heute offenbar Urlaub, Zeus mit seinen Blitzen war fern, und alle waren sichtlich guter Stimmung. Auch auf dem Rückweg – der sich nun für manche etwas hinzog – hielt uns keine Nymphe oder Sirene von der Heimkehr zum heimatlichen Herd ab.
19.06.2014: Kohlebergwerke, Naturschönheiten und eine alte Schmiede - eine Industrie- und Naturreportage
Diesmal ging unsere Fahrt zu Industriedenkmälern im Ripollés, wobei aber auch viel schöne Natur zu bewundern war.
In Sant Joan de las Abadesses machten wir unseren ersten Halt. Doch nicht das alte Kloster mit seinen Sehenswürdigkeiten war das Ziel, sondern der ehemalige Bahnhof. Heute ist das ein ruhiger Ort, als eine Art Freizeitpark hergerichtet. Doch alte Fotografien in der „Bahnhofshalle“, die zur Gaststätte umgewandelt wurde, zeigen, dass hier einstmals viel Umtrieb herrschte. An dieser Station hielten die Züge der Bahnstrecke Camprodon – Vic-Granollers - Barcelona, um die Kohle aus den Bergwerken von Ogassa aufzunehmen. Die Strecke wurde hauptsächlich zum Zwecke des Kohle- und Eisentransport angelegt („Ruta del Ferro i de Carbo“). Sie wurde 1880 fertig gestellt und 1980 geschlossen. Nur ein paar Bahnschienen auf der Rückseite des Bahnhofs zeugen noch von der Linie. Heute ist die Bahntrasse Wander- und Fahrradweg („Via Verde“).
Ein verwunschener Ort – Gorg de Malatosca
Nach kurzer Kaffee-Pause in der Gaststätte wandern wir auf der ehemaligen Bahnlinie Richtung „Gorg de la Malatosca“. Nach Überquerung der Straße nach Ogassa empfangen uns Wald und Wiesen. Dann geht es auf engem Pfad steil hinunter in die Schlucht des „Riera de Malatosca“. Schon von oben sehen und hören wir durch das Grün der Bäume tief unten einen Wasserfall, der in einen kleinen See stürzt. Unten angekommen, bietet sich uns ein idyllischer Anblick: baumumstanden ein Becken mit klarem blauem Gebirgswasser, darüber die weiße Gischt des Falles. Zusammen mit dem Vogelgesang eine Symphonie der Natur.
Kein Wunder, dass volkstümliche Erzählungen den Ort mit Hexen und Feen verbinden. So erzählt man, dass eine der Feen einst ein Kind erwartete. Die Naturwesen holten eine Hebamme aus Sant Joan zur Hilfe. Nach glücklicher Geburt erhielt die Frau von den Feen ein Säckchen mit Linsen. Voller Wut warf sie auf dem Rückweg diese anscheinend wertlose Gabe in den Bach hinunter. Nur eine Linse war auf ihrem Kleid hängen geblieben. Zuhause angekommen, stellte sie fest, dass diese sich in Gold verwandelt hatte…
Der "Kohlepott" von Ogassa - auf den Spuren vergangener
Zeiten
Zurück beim Bahnhof, fuhren wir nach Ogassa hinauf. Ogassa ist ein Sammelname für die umliegenden Dörfer und Weiler, die zur Gemeinde gehören. Das „Zentrum“, im wesentlichen eine von Häuser gesäumte Strasse („Avenida de las Minas“), heißt eigentlich „Surroca de Baix“ – das untere Surroca. Surroca heißt der Ort, weil er unter den Felsen des lang gezogenen Bergrückens der „Serra Cavallera“ liegt, die sich über 2000 m Meereshöhe erhebt. Surroca de Baix selbst liegt wohl 900 m hoch. Es ist ein kleiner Ort, rund 260 Einwohner leben auf dem Gemeindegebiet und davon längst nicht alle ständig.
Wir parken auf einem großen Platz vor einer riesigen Halle, die ziemlich unpassend und für den Ort viel zu groß auf der „Plaça Dolça“ steht. (Wir erfahren später, was es mit der Halle auf sich hat.). Es ist zu dieser Mittagszeit ruhig im Ort, wenige Einheimische und ein paar Wanderer sitzen vor der Bar gegenüber der „Casa de Vila“, dem Rathaus. Allerdings strömen dann eine ganze Menge kleiner Kinder unter Begleitung ihrer Lehrerinnen aus dem Gebäude – und werden wohin geführt? Zum Mittagessen in der Schulkantine? (Die Schulen in Katalonien haben ja Ganztagsbetrieb!) Die Kinder kommen wohl aus dem gesamten, weit verstreuten Gemeindegebiet.
Auch in Ogassa herrschte früher einmal mehr Betrieb und gab es mehr Menschen! Das war als Ogassa noch Bergarbeiterort war. Um 1900 hatte Ogassa fast 1600 Einwohner. Auf der jetzt so ruhigen Placa Dolça (die den Namen der dahinter liegenden Mine „Dolça“ trägt, die wiederum nach der Gattin eines Ingenieurs der Bergarbeitergesellschaft benannt ist) war einst viel los. Hier wurde die Kohle aus den umliegenden Gruben verladen, die zu Tal gebracht wurde, erst in von Maultieren gezogenen Karren, dann in kleine Waggons, die auf Schienen hinab zum Bahnhof von Sant Joan glitten, gehalten von einem Seilzug, der gleichzeitig Waggons nach oben transportierte. Viele Menschen waren hier beschäftigt, die Kohleverlader, die Fuhrleute, dann die die Waggons begleitenden „Bremser“, Aufseher…Zuletzt waren es Lastwagen, die die Kohle hinab brachten.
Von alle dem erzählt uns Alex, der Führer des Ortes, und belegt dies mit alten Fotografien. Alex hat viel zu berichten und er tut das auf Spanisch, sehr schnell. Mit gemeinsamen Übersetzungsbemühungen schaffen wir es aber, nicht alles, aber das Wichtigste zu verstehen! Alex führt uns über einige von der Vegetation überwucherte Anlagen nach oben, zu einer Fabrikhalle, in der die „pans de carbo“ hergestellt wurden, große Steinkohle-„Briketts“. Man presste die getrockneten Kohlebestandteile mit Teer zusammen. Hier entsteht ein Museum, das den Kohlebergbau in Ogassa dokumentieren soll. Doch der Aufbau stockt, es ist kein Geld mehr vorhanden. Der Anfang wurde mit Mitteln Europas gemacht. Die Bürokraten in Brüssel verlangten, dass mit dem Ausbau des Museums die Vielzweckhalle unten gebaut wurde. Das Geld wäre besser anderweitig verwendet worden, denn was sollen die wenigen Einwohner des Dorfes mit der riesigen Halle?
Die Gemeinde hat kein Geld für den Ausbau des Museums, sie ist tief verschuldet. Die Minen wurden 1967 geschlossen. Die letzte Eigentümergesellschaft räumte alles ab und kümmerte sich nicht mehr um das zurückgelassene Terrain und die Probleme, die sie hinterließ. Der letzte Prokurator sammelte zwar die Miete von den Bewohnern der Bergarbeiterwohnungen ein, wusste aber nicht wohin damit. Der größte Teil der Häuser und des Bodens von Ogassa gehörte nach wie vor der Gesellschaft. Sie wollte den Besitz nur im Block verkaufen. 1995 blieb der Gemeinde nichts anderes übrig, als den gesamten Besitz zu kaufen, um die Probleme zu lösen. Dazu musste sie einen großen Kredit von der „Caixa“ aufnehmen, an der sie immer noch abbezahlt.
Unser Kommentar: das kennt man auch anderweitig von Energiegesellschaften – wenn etwas nicht mehr rentabel ist, gibt man es auf und lastet die Folgelasten anderen auf, Kommunen, dem Staat und letztlich dem Steuerzahler.
Überhaupt, nach den Erzählungen haben sich die wechselnden und verschiedenen Bergwerksgesellschaften in sozialer Hinsicht nicht mit Ruhm bekleckert. Die Arbeit der Bergleute in den engen und feuchten Gruben war hart, 10 Stunden bis 1919, moderne Lüftung und Maschinen wurden aus Rentabilitätsgründen nicht verwandt. So gab es mehrere Grubengasexplosionen, die wegen der geringen Zahl von Arbeitern in der Mine keine Todesopfer forderten, aber zu schweren Verbrennungen bei den Betroffenen führten. Die Bezahlung deckte kaum den Lebensbedarf der Familien, sodass diese sich mit Gärten ein Zubrot verschaffen mussten. Hinzu kam, dass die Bergwerksgesellschaft eine eigene Währung mit monatlicher Auszahlung einführte, angeblich um der Trunksucht und dem Glücksspiel zu wehren. Damit mussten die Arbeiter in den bergwerkseigenen Einrichtungen bezahlen. Der Umtausch in Peseten war sehr ungünstig. Ein wenig Abhilfe wurde durch eine von den Bergleuten gegründete Kooperative geschaffen, in der eigene Produkte verkauft und andere eingekauft werden konnten. In dem Haus der Kooperative – heute die schon erwähnte Bar des Ortes – wurde auch ein Café und ein Ballsaal eingerichtet. Natürlich war Trinken, Kartenspiel und Streit – vor allem unter den zugewanderten Arbeitern - häufig. In der „Fonda“, dem Gasthaus des Ortes, gab es für sie „warme“ und „kalte“ Betten zu mieten. „Warm“ hieß, ein Arbeiter verließ das Bett zu seiner Schicht und ein anderer legte sich dann hinein. Wer mehr Geld hatte, mietete sich ein „kaltes“, das nur ihm zur Verfügung stand.
Die Kinder verdingten sich als Viehhüter, bis sie alt genug waren, auch in den Minen zu arbeiten. Schulbesuch war lange nicht obligatorisch, obwohl es dann in der Bergararbeitersiedlung Prat del Pinter zwei Schulen mit kirchlichen Lehrkräften gab. Auch die medizinische Versorgung war schlecht, nur im Notfall kam ein Arzt herauf, eine Apotheke mit dem Apotheker versah das Notwendigste. So ist es kein Wunder, dass die Menschen, die von Ogassa nach Sant Joan hinab kamen, lange wegen ihres elenden Aussehens bemitleidet wurden.
Die Minen von Ogassa deckten nur einen kleinen Anteil des Kohlebedarfs in Katalonien und Spaniens (1861-1913 1,27 % des spanischen Aufkommens), spielten aber doch für die Industriealisierung der Umgegend und Barcelonas ein wichtige Rolle. Die Einfuhr von Kohle aus dem Ausland war teuer. Auch hatte die Kohle von Ogassa einen hohen Heizwert. Von Anfang an waren die Kohlevorkommen in Ogassa ein Spekulationsobjekt für Investoren. Man erhoffte sich mehr an Gewinn, als herauskam. Die Rentabilität wurde vor allem durch die Schwierigkeiten der Erschließung und des Transports gemindert.
Mitte des 19. Jahrhunderts plante man eine Bahnlinie nach Roses, wo die Kohle verschifft werden sollte. Dieser Plan wurde zugunsten der Bahnlinie nach Barcelona verworfen, die leichter auszuführen und billiger war. So kam es, dass Roses bis heute keinen Bahnanschluss hat. Die Gewinnung der Kohle in Ogassa war eng mit den Eisenbahngesellschaften verbunden, die natürlich für ihre Dampflokomotiven Kohle brauchten. Später benötigten auch die Zementwerke der Gegend Kohle.
Die Kohlevorkommen von Ogassa wurden Ende des 18. Jahrhunderts entdeckt und ab Mitte des 19. Jahrhunderts zum Abbau erschlossen. Mit der Einrichtung der Eisenbahnlinie begann die „Blütezeit“ der Kohleproduktion. Im Laufe des 20. Jahrhunderts verminderte sich der Abbau und die Rentabilität, was dazu führte, dass zwar weitere Gruben eingerichtet wurden – insgesamt waren es gegen 17 – aber die Gesellschaften immer weniger investierten. 1967 schloss man die letzte Zeche „Dolça“. Wie in anderen europäischen Ländern wurde auch in Spanien Kohle durch andere und billigere Energiequellen wie Erdöl ersetzt.
Den Abschluss der Führung bildet die Besichtigung der Mine „Dolça“. Wir gehen ein Stück in die beleuchtete Grube hinein, müssen aber bald wegen des herausströmenden Wassers Halt machen. Der Stollen ist heute für die touristische Besichtigung hergerichtet, aber wir können uns eine Vorstellung machen, dass die Arbeitsverhältnisse hier nicht angenehm waren.
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Dann fahren wir weiter hinauf in die Bergarbeitersiedlung Prat del Pinter. Unterwegs sehen wir weitere Anlagen, zu denen Kohle von höher gelegenen Gruben mittels Seilzugbahnen hinab gebracht wurden. Hübsch hergerichtete Reihenhäuser aus Bruchsteinen empfangen uns in Prat del Pinter. Heute wohnen hier kleine Familien; einige Wohnungen sind offensichtlich Sommerresidenzen. Kinder spielen auf den Plätzen, umgeben von grünem Wald und grandioser Bergwelt. Autos stehen vor den Häusern. So idyllisch wie heute lebte es sich früher sicher nicht, als vielköpfige Bergarbeiterfamilien mit engem Wohnraum ohne die modernen technischen Erleichterungen, fernab der übrigen Welt, zurecht kommen mussten.
Wir spazieren zum Kirchlein hinauf, das 1884 geweiht wurde. Ein Schulhaus steht daneben. Natürlich ist die Kirche der heiligen Barbara aus Izmir gewidmet, die 306 den Märtyrertod erlitt. Sie ist überall die Patronin der Bergleute. Über dem Kircheneingang und im Inneren der Kirche steht die Heilige, die eine der 14 Nothelferin ist, mit ihrem Attribut, einem dreifenstrigen Turm. Ihr Vater, ein Christenhasser, soll sie wegen ihrer Schönheit und ihres Umgangs mit Christen in einen Turm gesperrt haben, zu dessen zwei Fenstern sie ein drittes hinzufügen ließ, als Zeichen ihrer Hinwendung zum dreieinigen Gott. Zur Heiligen der Bergarbeiter ist sie geworden, weil sich ein Erdspalt oder ein Fels auftat, der sie vor der Wut des Vaters verbarg. Hier in dieser Kirche wird mancher die Heilige um Schutz vor den Gefahren in den dunklen Gruben angefleht haben.
Eine Fahrt durch die Gebirgswelt
Und jetzt fahren wir weiter in die Bergwelt hinein. Die Strasse ist schmal, kurvig, manchmal steil, doch immer betoniert, also gut fahrbar. Doch sie verlangt vom Fahrer Geschicklichkeit und Konzentration. Einige fast zugewachsene Gruben und schwarze Schutthalden zeugen vom ehemaligen Kohleabbau. Aber die Landschaft ist wieder in den vorindustriellen Zustand zurückgekehrt. Blumen am Rand der Straße, grüne Weiden, auf denen Kühe grasen, vereinzelt alte Gehöfte ( die „Turisme Rural“ – „Ferien auf dem Bauerhof“ anbieten), Wald und immer wieder wunderbare Ausblicke auf die Bergketten. Wie so oft an den Donnerstagen haben wir Glück mit dem Wetter und auch die Fernsicht ist gut.
Wir machen an einem einsamen romanischen Kirchlein Halt, Sant Marti de Ogassa. Der berühmte Abt Oliba von Ripoll hat es 1029 persönlich geweiht. Martin ist der Heilige der Franken und ist mit der Frankenherrschaft hierher gekommen. Mit seiner Mantelteilung sollte er wohl den rauhen Bergbewohner als christliches Vorbild leuchten. Er erscheint uns nicht, aber ein Pferdchen trabt heran und nach ihm ein katalanischer Esel. Sie erwarten wohl eine milde Gabe von uns, aber das angebotenen Brotstückchen verschmähen sie.
Wir kommen zum Pass Coll de Jou.. Hier ist die Baumgrenze. Über uns erhebt sich der Taga mit 2040 m Höhe. Seine kahlen Abhänge sind grün, schwarze Stiere stehen auf Vorsprüngen, bunte Kühe weiden geruhsam, Kälbchen saugen an dicken Eutern. Wir nehmen uns vor, in Zukunft nach Milch aus dem Ripollés zu schauen- sie muss gut sein. Auf den Bergwiesen entdecken wir manche Gebirgspflanze. Einige Katalanen suchen Pilze, sie zeigen uns ihre Funde, es sind kleine, hellgelbe Lammellenpilze, uns unbekannt, aber sie sollen wohl schmeckend sein. Die Aussicht ist eindrucksvoll. Gen Osten sieht man Berge des Ripollés und die Vulkankegel der Garrotxa. Im Südwesten ragt die markante Gabel der Pedraforca empor, im Westen erblickt man die noch mit Schneeresten bedeckten Gipfel des Puigmal-Massivs. Darunter liegt das „Vall de Nuria“ mit seinem Wallfahrtsheiligtum. Dort hinauf sind wir letzte Woche mit der Zahnradbahn gefahren. Die Fahrt geht weiter nach Bruguera („Bergheide“) und von dort hinunter nach Ribes de Freser. Von hier fahren wir auf schneller Straße durch das zerklüftete Tal der Freser nach Ripoll.
Die Schmiede in Ripoll - ein vorindustrielles Denkmal
Auch hier in Ripoll ist unser Ziel nicht das berühmte Kloster aus den Anfangszeiten Kataloniens (das wollen wir übernächste Woche besuchen). Wieder steht ein Industriedenkmal auf dem Programm – die alte katalanische Schmiede. Sie steht am Rande des Ortes, am Ufer der Freser; ein großes Gebäude, deren unteres Geschoß die Schmiede beherbergt. Durch eine Glastür können wir schon einen Blick in die Anlage werfen und sehen die mächtigen hölzernen Hämmer. Hin und wieder lässt ein lauter Schlag das Gebäude erzittern.
Bis unser Führer kommt und die Tür aufschließt, haben wir noch Zeit, auf einem Platz der Stadt einen Kaffee zu uns zu nehmen. Dann werden wir ins Innere der „Farga Catalana“ geführt. Erst einmal geht es auf einen Hof, in dem sich das Wasserreservoir befand. Die Schmiede benötigte nämlich zum Betrieb Wasser. Über hölzerne Tuben floss Wasser nach unten in einem Kelleraum und riss Luft mit sich. Die Luft wurde über Rohre zum Feuer geführt und fachte es an. (Das Feuer zum Schmelzen des Metalls wurde durch Holzkohle aus den umliegenden Wäldern betrieben.) Obwohl das System von einem Italiener erfunden wurde, gilt es als Besonderheit der katalanischen Schmieden. Auch die Turbinen, die die Hämmer in Bewegung setzen, werden durch Wasser angetrieben.
Die Farga wurde im 17.Jahrhundert als Eisenschmiede eingerichtet. Wichtigstes Produkt waren Waffen. Gewehre aus Ripoll waren wegen ihrer Lauffestigkeit berühmt. Mitte des 19. Jahrhundert erwarb ein Mann namens Palau den Betrieb (daher der Name der Schmiede: „Farga Palau“), moderniserte ihn und stellte auf Kupferverarbeitung um. Jetzt wurden hauptsächlich Töpfe und Pfannen hergestellt. Sieht man die gewaltigen Hämmer, dann wundert man sich, wie durch ihre wuchtigen Schläge die Metallstangen zur gewünschten Form gebracht wurden. Aber handwerkliche Geschicklichkeit muss das zuwege gebracht haben.
Auch hier waren die Arbeitsbedingungen hart: Hitze, Rauch, Gestank, Krach. Man konnte sich nur mittels Zeichensprache verständigen. 1978 starb der letzte Schmiedemeister und damit schloss der Betrieb. Heute gehört die Schmiede als vorindustrielles Denkmal dem „Museum der Wissenschaft und Technik von Katalonien“.
Mit diesem Besuch endete ein langer, aber erlebnisreicher Tag.
08.05.2014: Ausflug in´s Roussillon - Caves Byrrh in Thuir - Dorf und Burg Castellnou - die "Orgeln" bei Ille sur Têt - Priorat Marcevol
Thuir ist ein nettes kleines Städtchen in den Hügeln der „Aspres“, den französischen Vorpyrenäen, ehemals königliche Festungsstadt, südfranzösischer Flair… aber besondere touristische Sehenswürdigkeiten wird man nicht finden. Halt! Es gibt die „Caves Byrrh“, die jährlich von annähernd 300 000 Besuchern besichtigt werden. „Byrrh“ – nie gehört?! Den meisten von uns – einschließlich mir – ging es genau so – bis wir nach Thuir kamen.
Die "Caves Byrrh" - Produktionsstätte und Denkmal eines berühmten Getränks
Wir parkten auf dem „Platz der Republik“, wohin uns ein freundlicher Franzose – mit dem alten 2CV vorausfahrend – gelotst hatte. Dann ein paar Schritte in den „Bouvard Violet“ und über einem Eckhaus prangt die Inschrift „CAVES BYRRH“. „Eck“-Haus ist eigentlich falsch, denn die Eingangsfront im pompösen klassizistischen „Gründerstil“ ist rund – an ein Fass erinnernd!
Wir betreten den modernen Empfangraum – noch nicht ahnend, welch gewaltige Produktionsanlagen sich dahinter auftun werden. Man teilt uns einen Führungstermin zu und wir verbringen die Zeit bis dahin in einem nahe gelegenen Café. Hier und in Frankreich überall kennt man natürlich den Byrrh und wir sehen hier auch altertümliche Reklameschilder mit der entsprechenden Aufschrift. Inzwischen wussten wir, welches Produkt sich hinter dem Namen „Byrrh“ verbirgt und so nehmen die meisten von uns schon einmal einen Byrrh zu sich; rot funkelt der Aperitiv im Glas mit der Marken-Aufschrift und schmeckt süß-bitter. Das also ist er, dessen Geheimnisse wir ergründen wollen.
Dann ist es soweit – wir werden von einem netten jungen Mann empfangen, der uns führen wird, natürlich in Französisch, was uns ein wenig Mühe macht, seinen Ausführungen zu folgen. Zunächst einmal wird uns ein Film vorgeführt, der - zeitlich rückwärts - in die Firmengeschichte einführt. Er zeigt vor allem geschäftliche Sitzungen, im Kolorit der jeweiligen Zeiten, in denen es um entscheidende Weichen der Geschäftsführung der Firma geht. Auffällig ist, dass die Frauen der Gründerfamilie Violet offenbar eine große Rolle spielten. Viel verstehen wir nicht, aber das macht nichts, uns interessieren ja vor allen die Produktionsweise und die Anlagen hierzu.
Und in die geht´s nun hinein. Eine große, hohe und lang gestreckte Halle öffnet sich. Hier stehen anscheinend unendlich viele riesige Fässer, aus Eichenholz. Wie wir erfahren, sind es 75 Fässer mit einem Fassungsvermögen von 15 Millionen Liter (wobei der Gesamtbestand des Betriebes 800 Fässer mit 40 Millionen Liter umfasst!). Mit seinen Streben, Stützen und beleuchteter „Absis“ ist die Halle als eine Art (moderne) „Kathedrale des Weines“ aufgemacht. Hier findet sich auch das größte Eichenfass der Welt (also nicht in Heidelberg!). Es hat ein Fassungsvermögen von mehr als 10 000 Hektolitern, eine Höhe von 10 m, einen Durchmesser von 12,50 m und wiegt leer hundert Tonnen. Es ist auch heute noch mit dem Original-Byrrh teilgefüllt. Bis zu seiner Befüllung im Jahre 1951 brauchte man 15 Jahre! Schon 1934 wurde zur Eröffnung des Betriebes für Besucher ein Fass mit 4 205 Hektolitern hergestellt. 70 Fässer fassen jeweils mehr als 2000 Hektoliter. Die großen Fässer dienen dazu, eine gleichmäßige Mischung und Reifung des eingelagerten Produktes zu gewährleisten, haben natürlich auch einen Reklamezweck. Sie machen einen spektakulären Eindruck auf den Besucher!
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In der Halle befindet sich auch eine große Schaltzentrale, von der aus die Fässer zentral bedient und kontrolliert werden können, Mischung, Füllung, Temperatur usw. ( Ich weiß allerdings nicht, ob das Monstrum heute mehr „Museumstück“ ist oder noch wirklich eingesetzt wird. Der ganze Betrieb ist heutzutage sowieso eine Mischung zwischen „Industriedenkmal“ und tatsächlicher Produktionsstätte!)
Es werden aber auch gewaltige „Betonbehälter“ gezeigt, ihn denen der Wein früher gelagert wurde. Sie wirken eher wie Hallen als Flüssigkeitsdepots. Der einführende Film wird in einer solchen „Halle“ vorgeführt.
Übrigens muss unser Führer nicht alles erzählen. An jeder Station der Führung gibt es einen großen durchsichtigen Bild-Schirm, auf dem eine charakteristische Gestalt in Lebensgröße und entsprechend historischer Aufmachung erscheint. Wort-, gestenreich und witzig werden Erklärungen gegeben. Leider verstehen wir die Pointen meist nicht – aber am Lachen der französischen Mitteilnehmer der Führung merken wir, wenn es witzig wird. Übrigens hat uns ein französischer Herr, der perfekt Deutsch sprach, beim Verstehen der Führung geholfen, Dank sei ihm!
Die Hauptfigur der Video-Erklärungen ist der „Chevalier Printemps“, eine Figur in der Kleidung eines Adligen des 17. oder 18. Jahrhunderts, 1935 für Reklame in Zeitschriften von dem Zeichner und Graphiker G. Leonec entworfen, der die graphische Reklame für Byrrh lange Jahre gestaltete. Ihm und seinen Entwürfen ist ein eigener Raum bei der Besichtigungstour gewidmet. Der "Chevalier" soll wohl französische Lebensart repräsentieren.
Überhaupt: man verstand sich schon immer gut bei Byrrh auf „Marketing“ und „Publicity“! 1903 wurde ein Wettbewerb für Plakate ausgeschrieben, für den 1900 Entwürfe eingingen. Dies zeigt, welches Renommé der Aperitiv damals schon hatte! Ein Teil der zeitgeschichtlich und künstlerisch bemerkenswerten Ergebnisse ist in einer eigenen Abteilung zu sehen. Wegen der Vielzahl der Einsendungen hat man schon seinerzeit eine öffentliche Ausstellung arrangiert! Man war eben sehr geschäftstüchtig!
In einer sogenannten „Pappelallee“ – Pappeln sind aber keine zu sehen - sind große Fotographien zur Geschichte der Firma an Wänden angebracht, die Arbeit, Produktion und Verwaltung des Betriebes in früheren Zeiten zeigen – das muss ein gewaltiger Apparat gewesen sein! In den Glanzzeiten von Byrrh zwischen den beiden Weltkriegen – Byrrh wurde weltweit vertrieben – beschäftigte das Unternehmen 200 Personen in Thuir und 1000 an den Außenstellen. Die Firma war ein bedeutender wirtschaftlicher Faktor in Thuir und seiner Umgegend, durch den viele Beschäftigung und Brot fanden. Paternalistisch geführt, gewährte der Betrieb doch seinen Mitarbeitern eine Reihe von sozialen Absicherungen. Auch betätigten sich die Firmeninhaber stifterisch, so durch die Einrichtung eines Hospitals und eines Sportstadions in Thuir.
Wie groß die Produktionsstätten waren und noch sind, lässt schon der Gang durch die „Pappelallee“ ahnen. Tatsächlich bildet das Fabrikareal eine ganze Vorstadt rechts von dem Boulevard Violet und umfasst 7 Hektar Fläche. Ein hoher Schornstein legt Zeugnis von den Zeiten ab, als die Maschinen noch dampfbetrieben waren. Byrrh hatte sogar einen eigenen großen Bahnhof, in dem die zur Herstellung benötigten „Rohstoffe“ ankamen und das Fertigprodukt verladen wurde. Die enorme Bahnhofshalle mit ihrem Eisengerüst wurde von der Firma Eiffel 1892 errichtet und war bis 1989 in Betrieb.
In einer kleinen Werkstatt sieht man Werkzeuge und Geräte, die bei der Anfangsherstellung verwendet wurden – eine Art „Alchemistenküche“. Wie war es zur Erfindung von Byrrh gekommen? Die Gebrüder Simon und Pallade Violet – aus einfachen Verhältnissen stammend – betrieben Mitte des 19. Jahrhunderts ein ambulantes Gewerbe und handelten mit Stoffen und Textilien. Sie ließen sich in Thuir nieder, wo sie ein kleines Geschäft eröffneten. Mit einigen gebraucht gekauften Fässern lagerten sie und verkauften auch Wein – Frankreich war damals von einer Art „Weinfieber“ erfasst. Sie beschlossen, einen neuen Aperitiv herzustellen, was ihnen 1866 gelang. Die Bezeichnung B.Y.R.R.H soll mehr durch Zufall als durch Überlegung entstanden sein: Sie ordneten ihre Textilprodukte nach Buchstaben und ein zufälliger Blick auf eine Reihe ausgelegter Ware ergab den Markennamen. Vielleicht waren aber doch ein wenig „Marketing“- Erwägungen bei den geschäftstüchtigen Brüdern im Spiel, denn der Name lässt verschiedene Assoziationen zu: Bier, Myrrhe und klingt überhaupt geheimnisvoll - verlockend.
Bilder: Die Gründer
In einem Schauraum sahen wir die Ingredienzen ihrer „Erfindung“, in einer langen Reihe von Kästen aufgereiht, zum Anfassen, Riechen und Schmecken. Zu den mit Mistela (Traubensaft und Alkohol) verstärkten Weinen (ursprünglich aus Malaga, dann aus allen möglichen Anbaugebieten Südfrankreichs) wird eine ganze Reihe von aromatisierenden exotischen Pflanzenbestandteilen hinzugefügt: Kaffee, Kakao, Bitterorangenschalen und weiteres, aber auch einheimische Gewürze. Der aber den Ruhm der Mischung begründende Bestandteil sind Auszüge aus Chinarinde, Chinin! Dieser Bestandteil machte es möglich, dass das Produkt lange unter der Bezeichnung „ tonique et hygiénique“ und „fortifiante“ beworben wurde, d. h. es wurde als „gesundheitsfördernd“ angepriesen. So wurde es zuerst auch in Apotheken verkauft.
Der Mischung der „Fréres Violet“ war bald ein großer Erfolg beschieden, zum Ärger ihrer Aperitiv-Mitkonkurrenten, und so entstand der riesige Industriekomplex, den wir vor uns haben. Auch Kriegszeiten konnten den Erfolg nicht aufhalten; die Familie Violet belieferte im ersten Weltkrieg kostenlos Verwundete und machte kräftig Reklame mit heroisch-nationalen Werbeplakaten (die in der Ausstellung nicht erscheinen). In den dreißiger Jahren wurde Byrrh zum beliebtesten Aperitiv Frankreichs mit einer Produktion von 35 Millionen Litern.
Im zweiten Weltkrieg ruhte die Produktion gezwungenermaßen. Mit dem Ende des Zweiten Weltkrieges waren die Glanzzeiten vorbei. Der amerikanische Markt brach durch die Prohibition zusammen und im Laufe der Nachkriegszeit erschienen andere Produkte, Süßweine und Aperitivs wie Cinzano, die dem Byrrh den Rang abliefen. Die Violet-Erben sahen sich gezwungen, 1960 mit der Compagnie Dubonnet-Cinzano (C.D.C.) zu fusionieren und verloren ihren Einfluss auf die Firma weitgehend. Die dadurch eingeleiteten Rationalisierungsmaßnahmen lösten die wirtschaftlichen Schwierigkeiten und die Absatz-Krise der Aperitivs aber auch nicht, denn die junge Generation hatte andere Geschmacksvorlieben entwickelt. Die Firma Cusinier schluckte C.D.C und auch die Gesellschaften Pernod und Ricard. 1978 übernahm die Holding Pernod-Ricard den Betrieb in Thuir.
Über all das wird in der Führung natürlich nichts berichtet. Während unseres Rundgangs sahen wir Fässer mit Bezeichnungen andere Marken wie Cinzano oder Dubonnet. Auf Nachfragen erfuhren wir, dass diese Marken zumindest für Frankreich und andere Absatzgebiete hier in Thuir hergestellt werden.
Den Schluss der langen Besichtigung bildet – endlich! – die Verkostung, die an einem historischen Kiosk stattfindet, der 1891 für internationale Ausstellungen hergestellt wurde. Da gab es verschiedene Byrrh-Produkte zu probieren, mehr süß-herb oder süß-fruchtig. Ich habe eine Flasche des nach dem Rezept des originalen Byrrh-Aperitivs von 1866 gebrauten Getränks erstanden – seht teuer. Nach Probieren zu Hause würde ich empfehlen, die normale Flasche – um die Hälfte billiger - zu kaufen, da hat man auch den Byrrh-Geschmack. Byrrh erlebt derzeit anscheinend eine kleine (?) Renaissance als Cocktail-Zusatz. Nachdem ich diesen Aperitiv kennengelernt habe, ziehe ich es vor, ihn pur, eiskalt mit einer Zitronenscheibe zu servieren.
Nachdem ich so viel über unsere Betriebsbesichtigung von Byrrh berichtet habe, möchte ich nur noch kurz über weitere Stationen unseres Ausfluges erzählen.
Das Dorf und die Burg Castellnou
Von Thuir aus ist es nur noch eine kurze Fahrt durch die hübsche Landschaft der Aspres nach Castellnou. Das am Berghang um die Burg gelagerte Dorf hat seinen mittelalterlichen Charakter bewahrt. Es gilt als eines der schönsten historischen Dörfer Frankreichs. Ein Spaziergang durch die engen Gassen hinauf zur Burg bietet entzückende Anblicke und Ausblicke. Die Burg – ehemals Sitz der Vizegrafen der Cerdangne – ist von den Privatbesitzern ansprechend hergerichtet und lässt den Besucher das mittelalterliche Burgleben nachempfinden. Vom Turm aus blickten wir bis zur Kathererburg Montségur.
Das Kloster Marcevol
Die Zeit drängte und so fuhren wir rasch bis Vinça weiter. Dort geht rechts eine kleine Straße zum Priorat Marcevol hinauf. Mächtige Granitformationen säumen den Weg und bilden mit der grünen und blühenden Vegetation eine reizvolle Landschaft. Das ehemalige Kloster steht auf einem Plateau, das bei schönem Wetter einen prachtvollen Blick auf das Canigou-Massiv freigibt. Heute umhüllen Wolken den Gipfel des „Heiligen Berges der Katalanen“.
Die breite Front des Priorats glänzt durch ein repräsentatives rosa-marmornes Portal und ein darüber liegendes Fenster aus ebensolchem Material. Das von Priestern des „Ordens vom Heiligen Grab“ in Jerusalem im 12. Jahrhundert gegründete Kloster wird heute von einer privaten Organisation verwaltet, die auch für die Wiederherstellung der verfallenen Anlagen sorgte. An einen Hof, der einst von einem Kreuzgang umgeben waren, schließen sich Gebäude an, die dem Aufenthalt von Ruhe suchenden Gästen dienen.
Wir treten in das Innere der Kirche ein, ein schlichter weiter Raum mit Tonnengewölbe und drei Absiden – romanischer Stil. In der rechten Absis ist ein schöner Pantokrator, umgeben von Engeln zu sehen, gut renoviert. Tafeln in der Kirche geben über die Geschichte Aufschluss und legen Zeugnis davon ab, dass das Kloster im späten Mittelalter eine Zwischenstation auf dem Jakobsweg war, aber auch durch ein Marienwunder, das auf dem Weg hierher geschehen sein soll, Pilger aus der Umgebung anzog.
Wir hatten viel gesehen und erlebt an diesem Tag und auf verschiedenen Wegen ging es wieder heimwärts.
Bilder Marcevol
Das Naturdenkmal „ Les Orgues“
Von Castellnou ging die Fahrt weiter nach Ille sur Têt. Wir besichtigten aber diesmal die sehenswerte Stadt nicht, die von der gewaltigen Kirche Saint Etienne mit ihrem hohen romanischen Turm überragt wird. Wir überquerten den Têt und bogen gleich danach links ab. Dort gelangt man an einen Pick-Nick-Platz an einem seenähnlichen Gewässer. Heute an einem französischen Feiertag – dem Gedenktag des Endes des Zweiten Weltkrieges – ist der Platz von französischen Ausflüglern belebt.
Wir begeben uns einige Schritte zu den aufragenden hellen, zerklüfteten Felsformationen. Aus Zeitgründen haben wir nicht die „offiziellen“ Orgeln besucht, sondern diese Stelle hier, die kein Eintritt kostet und doch einen Eindruck von den geologisch interessanten Bildungen der Umgebung gibt. Bis vor 5 Millionen Jahren war hier ein Meer, das Sand und Lehm ablagerte, Material, das wir unter unseren Füssen sehen. Das Meer zog sich zurück und eine Hochebene entstand. Wasserläufe, die von den Bergen kamen, fraßen Rinnen in den verfestigten, aber relativ weichen Grund. Der mäandernde Têt schuf einen Abriss. Die herab rinnenden Zuflüsse sägten Rinnen hinein und schufen so orgelförmige Gebilde im Abriss. Vor allem bei den „offiziellen“ Orgeln blieben einzelne mit Steinkappen bedeckte Türme stehen. Wind und Regen bearbeiten sie unaufhörlich, so dass die Gebilde weiter verändert und in einiger Zeit zusammenstürzen werden.
23.04.2014: Ein ökologischer Weinbaubetrieb - Can Torres
(Spätere Anmerkung: der Betrieb nennt sich jetzt "Celler La Gutina"
Im Rahmen der Kulturspaziergänge wurden schon einige Weinkellereien besucht. Diesmal wurde ein Betrieb ausgewählt, der nach ökologischen Prinzipien arbeitet. Das kleine Weingut Can Torres baut Weine auf naturgemäße Weise an und stellt sie ohne Zusätze her. Es werden nicht einmal Sulfite verwendet. Für den, der natürliche Weine schätzt, ist eine Besuch und eine Weinprobe in dieser alternativen Winzerei interessant.
Von Santa Margarita aus fuhren wir die "empordanesische Weinstrasse" über Pau, Garriguella, Rabós, Espolla nach Sant Climent Sescebes. Unterwegs sahen wir, dass immer mehr brach liegende Flächen mit neuen Wein- und Olivenbaumpflanzungen rekultiviert werden. Das ist erfreulich und sicher auch gut gegen die Brandgefahr, die hier in trockenen Zeiten durch den mediterranen Wald- und Buschbewuchs ständig lauert. Wir sahen aber auch, dass die Bauern die jungen sprossenden Rebentriebe in chemischen Nebel einhüllten. Das läßt Bedenken gegen den empordanesischen Wein aufkommen, auch wenn er meist ausgezeichnet schmeckt.
In Sant Sescebes geht gleich am Ortseingang rechts eine kleine Straße nach Vilartoli ab. Am Bach Anyet entlang führt das Sträßchen durch eine üppige mediterrane Gartenlandschaft. Wenn man sich bei der Abzweigung nach Vilartoli rechts hält, gelangt man schließlich nach Can Torres.
Wir fahren in den Hof ein und sehen eine alte Masia. Man erkennt, der Bauernhof wurde wieder her gerichtet. Noch ist nicht alles fertig und einige Ruinen erzeugen ein romantisches Flair. Sofort begrüßen uns zwei Hunde, Hühner gackern in einem Stall und zwei Esel auf der Weide strecken neugierig die Köpfe nach uns aus. Man merkt, das ist ein alternativer Betrieb. Joan und Bàrbara, ein Paar in mittlerem Alter betreiben ihn mit Kindern. Der Hof wurde von Joans Vater geerbt und das Paar hat beschlossen, die alte, brach liegende Weinbautradition wieder aufzunehmen - trotz anderer beruflicher Herkunft.
Bàrbara empfängt uns. Sie schlägt uns vor, erst einen Spaziergang durch die Gegend, die Weinfelder und zu zwei Dolmen zu machen. Und gleich geht es los auf einem Weg, den das Paar angelegt und bezeichnet hat. Große Granitfelsen säumen den Anfang. Es geht durch die urwüchsige mediterrane Heide, hohe Ginsterbüsche blühen gelb, weiße Zistrosen strecken ihre Blüten der Sonne entgegen, Rosmarin treibt violette Blütenstengel. Die wildern Kräuter duften in der Frühjahrssonne. Korkeichen bieten hin und wieder Schatten. Bienen fliegen hin und her und erzeugen den aromatischen Honig der Gegend. Man nennt diese über der Niederung erhobene Landschaft "Aspres", was eine "rauhe", trockene Beschaffenheit meint. Etwas in der Ferne erstreckt sich blau die Bergkette der Alberes.
Un nun tauchen die ersten Weinfelder auf, klein, verstreut und eingebettet in die Landschaft. Wir sind an den Anblick großer Felder gewohnt, mit gerade gezogenen Spalieren, an denen die Weinreben sich empor ranken, auf gepflügter Erde ohne weiteren Bewuchs. Breite Zeilen ermöglichen den Einsatz von Maschinen. Diese "moderne" Weinanbauweise setzt sich auch hierzulande immer mehr durch.
Die Weinfelder von Can Torres sehen anders aus. Die Weinstöcke werden noch in der alten, traditionellen Weise kultiviert. Sie wachsen inmitten von Gras und Blumen. Die Erdkrume ist nur ein wenig bearbeitet. Bàrbara erklärt uns, dass die Erdschicht hier dünn ist und starke Bearbeitung schadet. Der Grasteppich hält die Feuchtigkeit und die Erde gegenüber dem immer wieder heftig wehenden und austrocknenden Tramuntanawind fest. Blumen lenken schädliche Insekten ab. Nur die tiefwurzelnden Malven werden entfernt. So bleibt auch der originale Geschmack der Trauben erhalten.
Uns erstaunen die alten Weinstöcke. Zum Teil sind sie über 50 Jahre alt - trotzdem treiben sie aus. Bàrbara erläutert uns, dass der Vater von Joan die Weinfelder seinerzeit angelegt hat. Sie und ihr Mann rekultivieren die alten Anlagen. Das bringt zwar weniger Ertrag als jüngere Pflanzungen, dafür lassen sich die Felder aber schneller ertragfähig machen als eine Neubepflanzung. Natürlich werden auch neue Felder angelegt, wenn auch sukzessive, eben nach den Möglichkeiten der Besitzer. Dabei erfahren wir, dass zunächst eine amerikanische Stammpflanze gesetzt wird. Sie ist gegen die Philoxera immun, die Reblaus. Diese Pflanze bringt keine Früchte. Wenn sie stärker geworden ist, werden die einheimischen Sorten - vor allem Garnaxa - aufgepfropft. Gegen Schädlinge wird nur eine geringe Menge Kupfer gespritzt, weniger als bei ökologischem Weinanbau erlaubt ist. Viel mehr Schaden als Insekten und Pilze richten Wildschweine und Kühe an. Sie hätten schon in manchen Jahren - so Bàrbara - große Anteile der Traubenernte vernichtet. Man versucht die traubenliebenden Tiere durch Elektrozäune abzuhalten. Leider werden diese immer wieder durch unvernünftige Wanderer und motorisierte Querfeldeinfahrer beschädigt oder die "Tore" nicht richtig geschlossen. (Pkw-Fahrten sind auf dem privaten Grund und seinen Wegen verboten, Fahrradfahren ist aber erlaubt!)
Es ist uns klar, dass bei diesen Feldern und der Anbauweise viel mit Handarbeit erledigt wird. Wo es geht, wird ein Traktor benutzt, aber einen großen Maschinenpark zur Bearbeitung und für die Ernte gibt es nicht. Wie Bàrbara uns mitteilt, möchte man Erde und Landschaft "mit Respekt" und Schonung behandeln.
Wir kommen an "Barracas" vorbei. Das sind kleine "Hütten", die aus Bruchsteinen aufgetürmt wurden. Die Steine stammen zum Teil aus den Feldern. Es muss übrigens eine mühevolle Arbeit gewesen sein, den felsigen Grund von Steinen zu befreien! In den Barracas suchten die die Feldarbeiter Schutz vor Unwettern und bewahrten ihre Geräte auf. Auch diese Zeugnisse vergangener Zeiten werden heute wieder erneuert, teilweise von freiwilligen jungen Leuten, die als "Entgelt" auf dem Hof übernachten können und verköstigt werden.
Wir kommen an einem Dolmen vorbei, einer der ältesten der Alberes, Ende des 6. Jahrtausend v. Chr. errichtet. Das war die Zeit, als Siedler hier zum ersten Mal seßhaft wurden, Landwirtschaft und Viehzucht betrieben. Sie bestatteten in diesen "Steinhäusern" Knochenteile ihrer Stammesfürsten, legten Opfergaben in die Grabstätten nieder und verehrten diese mächtigen Ahnen. Man erwartete von ihnen, dass sie Fruchtbarkeit von Land, Vieh und Menschen sicherten.
Der zweite Dolmen, den wir sehen, hat noch die mächtige Deckplatte, die dem ersten fehlt. Man fragt sich, wie sie herbei geschafft und auf die Stützsteine gelegt wurde. Wahrscheinlich wurde sie auf Baumrollen den Erdhügel hinauf gezogen, der um das Grab aufgeschüttet wurde. Ein steinbestückter Gang führt zum Grab, das mit einem Verschlußstein verschlossen war ( der heute fehlt).
Es ist eindrücklich, sich zu vergegenwärtigen, vor wie langer Zeit man schon begonnen hat, diese Gegend landwirtschaftlich zu kultivieren.
Wir kehren zur Masia zurück. Nun werden uns die "Produktionsanlagen" gezeigt und erklärt. Bàrbara erzählt uns, dass der Traubensaft nicht durch Filteranlagen läuft. Der Wein wird in unterirdischen Behältern natürlich "fermentiert", d.h. er vergärt nicht mit Hilfe von chemischen Zusätzen. Man läßt ihn auch ausgären, was einen trockenen Wein mit hohem Alkoholgehalt ( bis zu 15%) ergibt. Die "Philosophie" ist, einen natürlichen Wein zu erzeugen, der die Eigenarten, den Geschmack des Bodens, der Sorten und des Jahrganges bewahrt. Er wird auch nicht durch Behandlungen für den "Publikumsgeschmack" "komponiert" - wie das ja in den großen Kellereien üblich ist. Große Mengen an fertigen Flaschen und Gebinden sehen wir auch nicht, die Produktion ist noch begrenzt. Von den 80 Hektar des Besitzes, sind bis jetzt nur 6,5 Hektar für den Weinanbau erschlossen. Das soll natürlich noch mehr werden; auch Olivenanbau und Korkeichenpflege und -nutzung soll wieder aufgenommen werden.
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Nun geht es in das gegenüber liegende Gebäude. Dort ist ein Tisch gedeckt mit Brot und kleinen Appetithappen sowie den Weinen, die verkostet werden. Ringsum Utensilien, die zur Weinherstellung verwendet wurden und werden: Eichenfässer, ein Weinlesebottich und eine Presse. Wir verkosten einen Weisswein, drei Rotweine und einen Süßwein, alle - bis auf den letzten - aus der Ernte von 2013.
Der Weißwein heißt "Anyet" - nach dem am Haus vorbeifließenden Flüßchen. Er hat eine rötliche Farbe und besteht aus 60% weißem und 40% rotem Garnatxa. Er schmeckt herb-fruchtig. Kein Wein für Liebhaber, die lieblichen Weißwein bevorzugen, aber einer für die, die einen Wein mit vollem und kräftigem Körper schätzen.
Dann kommt der rote "Demontre" ("kleines Teufelchen"). Es ist ein total natürlicher und gut durchgegorener Wein, herb, aber nicht sauer, trocken, erdig..., 15% Alkohol. Wer einen nicht verkünstelten, bodenständigen Rotwein mit wenig Restzucker sucht, wird ihn mögen.
Auch der "Murtra" - genannt nach einem Menhir der Gegend - ist ein total natürlich hergestellter Wein, wird aber aus anderen Trauben (hauptsächlich Ull de LLebre und zusätzlich Cabernet) gewonnen, die ihm einen milderen, aber auch vollen Charakter geben. Er hat einen leichten Eichenholzgeschmack, da er sechs Monate in Eichenfässern gelagert wurde.
Der letzte Wein ist der teuerste ( die Weine kosten zwischen 5 und 10 Euro plus Cent-Beträge ) - ist aber auch das Spitzenprodukt des Hauses. Er heißt "idò" ( = venga, d.h. "los geht´s"), ist nur aus roten Garnatxa-Trauben gekeltert, die auf den alten Weinfeldern gewachsen sind. Er hat das vollste und reichste Buquett von allen und kommt sicherlich Weintrinkern mit mehr konventionellem Geschmack am nächsten.
Als "Nachtisch" gibt es den süßen Garnatxa "Ambre", der seine Süße aus dem Zusatz von Traubensaft erhält.
Das also war unsere Weinprobe im Can Torres. Nicht nur die Führung, das Ambiente ist "anders" als bei den bisherigen Kellerei-Besuchen - man merkt die frühere Architektin Bàrbara ist mit Herz und Seele bei ihrer neuen Profession - auch der Weingeschmack ist "alternativ". Naturwein schmeckt eben anders, als manche gewohnt sind - so erführen wir ein "neues" Geschmackserlebnis! Natürlich wurde auch gekauft und wir sind gespannt, wie der Wein zu Hause schmeckt.
www.cellerlagutina.com
17.04.2014 ("Gründonnerstag"): Mönche, ein Zauberer und Spaziergänge an schönen Orten...
Ein Ausflug zum Kloster Solius, zur "Casa Màgica" in Santa Christina d´Aro, nach Castell d´Aro und zum "Cami de Ronda" von s´Agaró - BILDERGALERIE
Unser erstes Ziel war das idylisch gelegene Kloster Santa Maria de Solius bei Santa Christina d´Aro. In dem 1967 von Zisterzienser-Mönchen aus Poblet gegründeten Kloster leben neun Mönche nach dem Wahlspruch "Ora et labora" ( Bete und arbeite), der an der Sonnenuhr der Kirche zu lesen ist.
Eine Attraktion ist die "Dioramen"-Ausstellung von Szenen der Geburtsgeschichte, der Jugend und des ersten Wirkens Jesu. "Krippenbilder" (Pessebres) sind eine alte katalanische Tradition. Die Darstellungen in Solius, die ab 1970 vom (verstorbenen) Bruder Gilbert Galceran angefertigt wurden, sind von besonderer Feinheit und hohem künstlerischen Wert.
Bruder Albert empfing uns und wir lernten einen sehr sympathischen und freundlichen Mönch kennen. Im Rundgang durch die Ausstellung bestaunten wir die außergewöhnliche Sorgfalt, mit der die kleinen Figuren ( aus bemaltem Gips) und die Szenerie ( "katalanisch-morgenländisch") gearbeitet sind. Eindrücklich ist der tiefe Hintergrund, den die Bildkompositionen haben. Die Ausstellung ist ein Beispiel für das "Labora" der Mönche, die Arbeiten schweigend, meditativ zum Erhalt des Klosters leisten ( sonst meist Buchbindearbeiten sakraler Werke).
Die Bilder sind eine stille, volkstümliche und eindrückliche Art der Erinnerung an die Geschichte Jesu
Auch das "Ora" der Brüder lernten wir kennen. Wir nahmen an der Sexta" teil, dem mittäglichen "Stundengebet" der Mönche ( 7-mal am Tag zu bestimmten Stunden). Auch wenn wir das Katalan der Gebete und Lesungen nicht verstanden, der Gesang und die schlichte Zeremonie berührt.
Nachdem die Mönche das Gotteshaus verlassen hatten, blickten wir uns in dem einfach gehaltenen Kirchenraum um. Ein Seitenaltar mit einem bäuerlich gekleideten Heiligen zog unseren Blick auf sich. Wir fragten uns, wer hier wohl verehrt wird. Eine kleine skulpturierte Szene im Altarsockel gibt Aufschluß: man sieht einen Mann vor einer Kirche betend knien, während zwei Engel ein Feld pflügen. Das ist eine Legende, die vom heiligen Isidor von Madrid erzählt wird (um 1070 geboren). Er war Oberknecht eines Landbesitzers, dessen heruntergekommenes Gut durch seine Arbeit einen Aufschwung erlebte. Doch die mißgünstigen Mitknechte verleumdeten ihn dahingehend, dass er wegen seiner morgendlichen Kirchgänge die Arbeit vernachlässige. Heimlich kontrollierte ihn der Gutsbesitzer und bemerkte, dass Engel die Arbeit während seines Gebets verrichteten. So ließ der Herr Isidor gewähren.
Wir haben hier die Welt des frommen, volkstümlichen Wunder- und Wunschglaubens vor uns, die den Bauern vor Augen gestellt wurde, die einst die Kirche besuchten. Eine gute Überleitung zum Besuch eines anderen "Hauses" an diesem Tag, das auch "Wunderbares" zum Thema hat, wenn auch von anderer Art.
Schon vorher hatte uns Bruder Alberti mit dem Kreuzzeichen gesegnet und verabschiedet.
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Von Solius fuhren wir in das nahe gelegene Castell d´Aro, dem Verwaltungsmittelpunkt von Platja d´Aro und s´Agaro. Zunächst einmal ließen wir uns im Casino Castellenc nieder und machten Mittagspause mit kleinen und preiswerten Gerichten. Dann stiegen wir Treppen hinauf in den mittelalterlichen Kern des Ortes, der sich um die Burg Benedormiens und die Kirche lagert.
Dann war es auch schon Zeit, nach Santa Christina d´Aro zurückzufahren. Dort wurden wir in der "Casa Màgica", dem magischen Museum erwartet. Magier Xevi stand schon am Hoftor seines Herrenhauses von 1850 und wies unsere Pkw.s zum Parken ein. Vor dem Museum eine Wächterfigur mit geschwungenem Schwert - vor ihr Hüte, Überbleibsel von Besuchern, die gewagt hatten, im Museum zu fotografieren, wie der glatzköpfige Meister erklärte. Dann ging die Führung in die größte magische Sammlung der Welt - so Xevi - los. Humorvoll und beredt wurde erklärt und vom Gruppenleiter unter Mithilfe anderer übersetzt.
Zunächst wurden wir in die Kapelle geführt - nicht ohne vorher mit dem Zauberstab des Meisters berührt zu werden - auch eine Art von "Segnung"! Sie und das ganze Haus lagen in Trümmern, als Xevi das Anwesen erwarb. Heute ist es sehr ansprechend renoviert. Es ist eine regelrechte Kapelle, die wir sahen, mit Altar, Figuren und Bildern ausgestattet. Xevi erzählte, dass zuständige Bischöfe sehr befriedigt über die Renovierung waren und hier auch in einem mit vielen Devotionalien ausgestatteten Raum, den wir später besichtigten, übernachteten. Auf dem Altar ein Reliquiar mit eingefügten Perlen, die vom Papst Paul II. gesegnet worden waren ( ein Bild, das den Meister vor dem Papst zeigt, war zu sehen). Über dem Altar eine Statue mit Leuchtschlange - Simon Magus, ein großer Magier und Wundertäter der Antike, der Widersacher von Paulus, worüber die Apostelgeschichte und apokryphe Schriften berichten. ( Das Verhältnis von Kirche und außerkirchlichen "magischen" Betätigungen ist bekanntlich von großen Spannungen geprägt!) An den Wänden alte Stiche, die die kirchlichen Sakramente abbilden, die ja auch eine Art "magischer" Handlung darstellen. Xevi weist auf ein Bild des Patrons der "Zauberer" - oder besser der "Illusionisten" - hin; das ist der Heilige und Ordensgründer Johannes Bosco (1815-1888), Patron der "Magier" wegen seiner Wundertätigkeit und seines "zauberhaften" sozialen Wirkens. Xevi - ein frommer katholischer "Magier", der seine Kunst unter den wohlwollenden Augen der katholischen Kirche praktiziert? Auf Nachfrage erklärt er mehrdeutig, dass Religion und Magie viel miteinander zu tun hätten. (Sicher, aber ohne Zweifel auch viel mit Leichtgläubigkeit, Vortäuschung und Manipulation - eben "Illusionismus" - ein weites Feld, aber lassen wir das!).
Nun, Xevi ist kein Wundertäter oder echter Magier, sondern ein "Illusionist", der mittels Fingerfertigkeit, Geschicklichkeit und Täuschung arbeitet, wie er uns am Schluss mit einer Karte demonstrierte. Seine Welt ist nicht die der paranormalen Phänomene, sondern die der "magischen" Automaten und Attribute, mit denen er "zaubert" - und seine Zuschauer auch "verzaubert". Und da ist er eine Berühmtheit, wie die vielen Dokumente seiner weltweiten Tätigkeit und Auszeichnungen zeigen. Offenbar hat er sich mit der Casa Màgica selbst ein Denkmal gesetzt, wie sein Landsmann Dali mit seinem Theatermuseum in Figueres. Dali - auf seine Art auch ein "Magier" - hat Xevi übrigens gut gekannt und er erzählte einige Anekdoten von den Begegnungen mit ihm.
Dann wurden wir durch die vielen nach Themen geordneten Räume seiner Sammlung geführt. Wer nach dem ersten Raum - beherrscht von einer riesigen Geige und einem selbstätig spielenden Klavier - glaubte, das sei alles, hatte sich getäuscht. Unglaublich, was der Mann alles gesammelt hat: Automaten, Bilder - bemerkenswert die expressionistischen Bilder Josep Albertís -, Poster, Dokumente aus der Geschichte der "Zauberkunst" und von großen Magiern wie Houdini, magische Utensilien... wahrhaftig eine "Zauberwelt" voller Überraschungen. Überall sprechen und bewegen sich Figuren wie von Zauberhand berührt, rollen abgeschnittene Köpfe mit den Augen, erklingt geheimnisvoll Musik, blicken Fratzen auf einen herab... Wo wohnt eigentlich der Mann in diesem voll gestopften Haus? Schade, dass man nicht fotografieren darf! In einem kleinen Theater und dann im Garten fand die Besichtigung ihren Abschluß. Einhellige Meinung: es lohnt sich hierher zu kommen!
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Den Abschluß des Tages bildete der Spaziergang auf dem "Cami de Ronda" in s´Agaró - wie der alte Ortskern von Castell d´Aro ein "Geschütztes historisches und kulturelles Gut von nationalem Interesse". Warum? S´Agaró ist eine der ersten Tourismus-Urbanisation der Costa Brava, aber nicht die Ansammlung von häßlichen Hochhäusern und Bauten unterschiedlichen Stils zur Unterbringung von Massen an Touristen, die heute die ganze Küste verunzieren, wie das benachbarte Platja d´Aro.
S´Agaró hat seinen Anfang, als der Mehlfabrikant Josep Ensesa i Pujals aus Girona 1916 ein Stück Küstenland im Bereich von Castell d´Aro zum Ausgleich einer Schuld erhielt. 1923 erhielt sein Sohn Josep Ensesa i Gubert vom Vater die Zusicherung, dass auf diesem Stück Küste vom ersten seiner Söhne, der das unternehme, ein Haus gebaut werden dürfe. Josep Ensesa i Gubert nutzte diese Chance und plante, eine Sommerresidenz zu errichten. Mit dem Bau beauftragte er den renommierten Gironeser Architekten Rafael Masó i Valentí, Schüler Gaudis. (Zu Masó siehe den Bericht über den Besuch des Masó-Hauses in Girona.) Da auf dem dann von Masó vorgeschlagenem Ort Ziegen gehalten wurden, die Gestank und Exkremente verbreiteten, wurde ein ganzes Stück Küstenlandschaft gekauft. Masó überzeugte den Industriellen, dass hier eine ganzer Ort für die Sommerresidenz für wohlhabende katalanische Bürgerfamilien errichtet werden solle, im Einklang mit Landschaft und Natur, im Stile des "Noucentisme", der katalanische Bautradition und Stilemente der klassischen Antike vereint.
So entstand die Siedlung s´Agaró, zuerst mit wenigen Häusern, um das Haus der Ensesas, Senya Blanca (1924). Zum Teil wurden die Baumaterialien aus zerfallenden Häusern in Girona herbeigebracht. 1932 wurde das Hostal "De la Gavina" errichtet (genannt nach den Möven, die heute noch auf den Felsen vor der Küste nisten - zuerst mit wenigen Zimmern, dann zu einem immer größeren Hotelkomplex ausgebaut). Der Bau der Residenz- und Gartensiedlung zog sich mit Unterbrechungen über Jahrzehnte hin, andere Architekten ergänzten oder führten die Arbeit Masós fort, aber immer wurde ein passender Stil gewahrt. Ab 1941 wurde auf dem Hügel die Kirche "Unsere Frau von der Hoffnung" im neoklassizistisch-barocken Stil gebaut, die an einen antiken Tempel erinnernde Loggia der Senya Blanca, der Cami de Ronda, der ursprünglich ein Pfad der Schmuggler und der Guardia Civil war...Noch 1981 hatte s´Agaró nur 12 ständige Einwohner, ein Getto der Reichen, die nur wenige Sommerwochen hier weilten, geschützt vor dem Einblick der übrigen Bevölkerung durch hohe Mauern und vergitterte Tore.
In der Zeit nach dem ersten Weltkrieg, in den 50-ziger Jahren, tummelten sich hier bekannte Schauspieler, Literaten, Politiker, Industrielle, reiche Playboys; es wurden Filme wie "Pandora und der Fliegende Holländer" gedreht (von A.Lewin mit Ava Gardener - der Film machte die Costa Brava in aller Welt bekannt). Die Gästeliste des Hostals Gavina verzeichnet berühmte Namen wie Ava Gardner, Elizabeth Taylor, Orson Welles, James Mason. Frank Sinatra ( der Ava Gardner im Hotel ohrfeigte), John Wayne ( der seine Hotelrechnung nicht bezahlte) u.a.
Wir begannen unsere Wanderung am Hotel "Gavina". Er führt zuerst um eine mit Pinien bewachsene Halbinsel herum. Breit, bequem und verschlungen zieht sich der mit Ziegelkacheln belegte Weg dahin, angepasst dem Küstenverlauf, mit großen Tamarisken bepflanzt. In Natursteinen errichtete Mauern und Bögen stützen ihn am steilen Abfall zum Meer ab. Immer wieder öffnen sich reizvolle Ausblicke auf vorgelagerte Felseneilande, das weite blaue Meer mit seinen Schiffen Auf der Landseite erheben sich Pavillons, Loggien, blickt man auf weiße hochragende Häuser und Türme. Nichts stört das Gleichgewicht von Natur und Architektur, kein Kiosk, keine Reklameschilder, kein baulicher Mißgriff, keine Naturverschandelung... Der Weg ist jetzt öffentlich, früher ging es hier zu privaten Bade- und Anlegeplätzen hinab. Heute darf das Volk das bestaunen, was Reiche erbaut haben...
Bei der Bucht sa Conca angekommen, machen wir kehrt und wandern durch Straßen ohne Autoverkehr zur Kirche hinauf. Hin und wieder blicken wir durch schmiedeeiserne Tore in gepflegte Gärten und auf herrschaftliche Häuser mit heruntergelassenen Jalousien. Den rund 5 km langen Rundgang beenden wir auf einer über dem Wasser gebauten Kaffehaus-Terasse am Strand von Santa Pol. Hier sind wir wieder unter uns, unter den Touristen.