Ein Wochenende der Feste: Eintauchen ins Mittelalter/Trobadour- Festival in Castelló d´Empúries - Ein Hauch von Kuba/Fest der Indians in Begur
Immer wieder zieht es uns auf das Troubadour-Fest - und mit uns viele Besucher, die manchmal von weit her angereist sind. Die alte Grafenstatdt - sowieso schon mittelalterlich anmutend - füllt sich in diesen Tagen mit mittelalterlichem Leben und Treiben.
Dabei ist die Berufung auf die Troubadoure etwas hergeholt. Es ist schon richtig: In Katalonien erfuhren im 12. und 13. Jahrhundert Trovadors und Joglars (Spielleute) viel Förderung. Dies geschah vor allem am Hofe der Grafenkönige in Barcelona. Alfons II (1157-1196), König von Aragon, Graf von Barcelona und Markgraf der Provence, erhielt sogar den Beinamen "El Trovador". Darüber, ob dies auch am Hof der ampurdanesischen Grafen so war, ist wenig überliefert. Aber dass auch dort umherziehende Troubadoure auftraten und Spielleute zur Unterhaltung beitrugen, ist anzunehmen. Einer der letzten aus dem Haus der Grafen von Ampurias ist mit einer cobla (Strophe) zu Ehren des Königs von Sizilien, Friedrichs III., hervorgetreten: der umtriebige, kultivierte und skandalumwitterte Ponç Hug IV. (1264-1313). Aber seinen "Musenhof" betrieb er wohl mehr im seinem Festungsschloss zu Bellcaire (heute Rathaus) als in Castelló.
Aber sei´s drum: im Museu d’Història Medieval de la Cúria-Presó beschäftigt man sich mit der Poesie der Troubadoure und bietet beim Troubadourfest Konferenzen über die Troubadourkunst
an. Auch wenn die Kapitale der Grafen von Ampurias nicht ein Zentrum für Treffen der Troubadoure war, wir genießen das Auftreten der Mittelaltermusikbands auf dem Festival. Sie erinnern uns
mit ihrer Gewandung, ihren Instrumenten, Liedern und Klängen an die Zeit der Troubadore und Joglars.
Es macht Spaß unter den als Hexen, Mönche, Beginen, Rittern oder Adelsdamen kostümierten Einwohnern und Gästen durch die Gassen der alten Stadt zu flanieren. Sie bilden eine passende Kulisse für das Treiben. Hier und da machen wir Halt, bei einer Straßentheateraufführung, bei Handwerkern, die ein altes Gewerbe vorführen, bei einer Installation für Kinder, in einer Taverne, wo wir uns ausruhen und mit leckerem Gebratenem stärken und dazu ein kühles Bier in extra für das Fest produzierten Bechern zu uns nehmen. Schließlich kommen wir zum Markt mit seinen bunten Ständen, an denen Kunstgewerbe und allerlei Essbares angeboten wird. Bezahlt wird mit nachgeprägten Münzen, der Grafenzeit, "Diners", in die wir Euros eingetauscht haben. An manchen Orten herrscht Gedränge, aber in einigen Seitengassen finden wir Ruhe und Zeit auch anderes zu entdecken als die dicht umstandenen Angebote des Festes.
Neben dem Straßentreiben kann man an Bewirtungen, Führungen, Werkstätten, literarischen und musikalischen Veranstaltungen teilnehmen - das Programm von Freitag- bis Sonntagabend ist reichhaltig und dicht - jeder mag sich aussuchen, was ihm zusagt. Was wir uns nicht anschauten, waren Soldatencamps, -kämpfe und Reiterturniere vor den Mauern. Eindrucksvoll war für uns am Freitagabend der gut organisierte "Weg des Infernos" durch dunkle, mit Feuern und Lichtern erhellte Gassen.
Unsere Bildergalerie (allem voran ein Grafenpaar als Gigantenfiguren) soll einen kleinen Einblick in das Geschehen des Festivals geben. Durch Anklicken kann man die Bilder vergrößern.
In eine ganz andere Welt führt uns die Fira d´Indians in Begur.
Im 19. Jahrhunderts wanderten viele Katalanen - von Armut bedroht - in die südamerikanischen Kolonien Spaniens aus. Manche kehrten, durch Handel reich geworden, zurück in ihre Heimat und brachten Lebensgewohnheiten, Utensilien, Pflanzen und den kolonialen Baustil "Westindiens" mit in die alte Heimat. Man nannte sie "Indians".
So auch im Küstenort Begur im Baix Empordà. Die Phylloxera, die Reblaus, und der Niedergang der Korallenfischerei durch billigere überseeische Konkurrenz hatte vielen die Erwerbsgrundlagen entzogen. Ca. 500 Einwohner des Dorfes wanderten aus, meist nach Kuba. Eine ganze Reihe von ihnen kehrte wohlhabend im fortgeschrittenen Alter zurück. Teilweise setzten sie den Überseehandel fort. Sie veränderten durch ihre mitgebrachten Lebensgewohnheiten, ihren Einfluss und ihre neuerbauten Wohnsitze das Leben und die Gestalt des bisher traditionell-katalanisch geprägten Landwirtschafts- und Fischerortes.
Am Sonntagmorgen kamen wir an und fanden unterhalb des auf einem Berg gelegenen Dorfes noch einen freien Parkplatz. Wir kannten Begur von früheren Besuchen - außerhalb der Haupt-Touristenzeiten - als einen beschaulichen, ruhigen Ort, fernab vom Massentourismus. Aber als wir in den Ort eintraten - auf den Vorplatz der in traditioneller Bauweise errichteten Kirche San Pedro und des gegenüberliegenden Rathausgebäudes im Kolonialstil - , war der Platz schon voller Besucher. Viele waren in weißer Kleidung mit Sonnenhüten - im karibischen Retro-Look - erschienen. Die umliegenden Lokale waren besetzt und wir fanden nur nach einigem Warten und mit Hilfe eines freundlichen Kellner einen Platz zum Frühstücken.
Danach begannen wir unseren Rundgang durch den Ortskern. Gleich zog uns ein nahegelegener Platz an, von dem her südamerikanische Klänge zu uns herüber klangen. Eine Bühne war aufgebaut, auf dem eine Sängerin temperamentvoll agierte und die Zuhörer zum Mitmachen animierte. (Nach unserem Rundgang kehrten wir zurück und sahen, dass aus der noch spärlichen Zahl eine riesige, dicht gedrängte Menge enstanden war, die begeistert auf die Hauptakteurin mit den nun hinzu gekommenen Mitsängerinnen und ihre mitreissenden Rhythmen einging.)
Wir wandten uns von der Sängerin ab ab und traten den Spaziergang durch die mit Südamerika- und Reise-Atributen geschmückten Gassen und Plätze an. Doch gleich wurden wir durch eine weitere musikalische Darbietung aufgehalten. Eine im Kolonialstil gekleidete Frau spielt auf einem Klavier südamerikanische Melodien, Samba, Tango usw. Später greift sie zu Sardana-Stücken. Schnell finden sich Einheimische und Besucher zu dem an Festen obligatorischen Nationaltanz der Katalanen zusammen. Er wird mit gefassten Händen im Kreis mit Wechselschritten getanzt. Auch hier die Begur prägende Mischung zwischen karibischen und katalanischen Traditionen.
Bei unserem Gang begegnen wir immer wieder Gruppen und Paaren in weißem Retro-Look. Oft lassen sie sich vor den Ständen mit Südamerika-Produkten oder den Häusern der Indians fotographieren. Es wirkt dann so, als seien die damaligen Zeiten und Menschen wiedergekehrt.
Es fiel uns auf, wie gepflegt die Häuser und Gebäude in Begur sind, im Gegensatz zu manchen anderen Dörfern in Katalonien. Hier wohnen offenbar keine armen Leute. Es gibt hübsche kleine Läden, die exquisite Kleidung anbieten, stilvoll eingerichtete Restaurants mit wenigen Plätzen (und gehobenen Preisen), auch ansprechende Hotels in schönen Häusern. Sie verlangen in diesen Tagen horrende Preise für die Übernachtung und auch sonst sind sie nicht billig.
Begur zeigt sich baulich als Mixtur von Dorfhäusern in alter katalanischer Bauweise, auch von Überbleibseln der Befestigung gegen die Überfälle maurischer Korsaren - Wehrtürmen aus dem 16./17. Jahrhundert, sowie dem über dem Dorf thronenden Castell - und den von den Westindien-Heimkehrern errichteten prachtvollen Residenzen mit Portiken, Eingangshöfen und Gärten. Das sind Kontraste, die ein reizvolles und harmonisches Ortsbild abgeben, glücklicherweise im Ortskern nicht von überdimensionierten neuen Bettenburgen oder hässlichen Geschäftsbauten gestört, wie in anderen alten Küstenorten der Costa Brava.
Hinzu kommt, dass Begur sehr schön gelegen ist und es an verschiedenen "Miradors" malerische Ausblicke auf die hügelige, grüne Landschaft, auf schroffe Küstenabschnitte und das Meer gibt.
Uns interessieren vor allem die Häuser der Indians, in deren Höfe wir teilweise eintreten können. Auf Bildern sehen wir wie reich die Inneneinrichtung war und dass sie in vielen Fällen auch heute noch bewahrt wird. Auf einer Mauer-Exposition und Schildern an den Häusern erfahren wir manches über frühere Besitzer und ihr Leben.
In einem "Interpretationszentrum" wird in die Welt, die Kultur, das Erbe der "Indians" ganz Kataloniens eingeführt. Wegen des Andrangs an diesem Tag haben wir aber die Besichtigung auf einen weiteren Besuch Begurs verschoben.
Wir haben nicht alles, aber viel gesehen, erwandert und erlebt. Wir sind erschöpft und doch befriedigt.
Auf dem Heimweg fahren wir auf enger, gewundener Strasse durch reizvolle Landschaft zur Küste hinunter, an Ferienresidenzen und bekannten kleinen Stränden um Begur vorbei, Richtung Platjas de Pals und Pals. Hier gelangen wir wir wieder auf unsere Herfahrtsstraßen.
Auch hier eine Bildergalerie, die einen Eindruck von unserem Besuch vermitteln soll. Wieder können die Bilder durch anklicken vergrößert werden.